Vor vier Jahren ist unser Freund und Genosse Sven im Alter von nur 21 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben.
Damals haben wir einen knappen Monat später einen ausführlichen Nachruf und Bericht über unseren kollektiven Umgang mit seinem Tod veröffentlicht. Wir wollen die Erinnerung an Sven hoch halten – für alle die ihn kannten, aber auch für alle Genoss:innen die ihn nicht mehr kennen lernen konnten.
Außerdem finden wir es wichtig, dem isolierten Umgang mit Tod und Trauer, der in unserer Gesellschaft herrscht, einen linken, kollektiven und solidarischen Umgang entgegen zu setzen. Dafür gibt es in der deutschen Linken – zum Glück – nicht sonderlich viele Erfahrungswerte. Wie wichtig es aber ist, eben einen solchen kollektiven und solidarischen Umgang zu finden und zu gestalten, haben wir nach dem Tod von Sven sehr deutlich gespürt. Aber auch nach dem Tod vom Genossen Arthur aus Stuttgart, oder dem Genossen Azad Şergeş der 2023 in den Bergen Kurdistans gefallen ist wurde für uns sehr deutlich, wie wertvoll und wichtig der Aufbau einer linken Trauerkultur ist.
Im nachfolgenden wollen wir euch zuerst den Nachruf und Bericht vom 08. Oktober 2020 spiegeln, der damals auf dem Facebook Account „Antifa-Info Karlsruhe“ und der alten OAT Homepage veröffentlicht wurde und danach noch einige Ergänzungen aus unserer heutigen Perspektive ergänzen.
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Sein Tod war für uns alle ein großer Schock und die Trauer darüber wird uns noch lange begleiten. Sven war in Karlsruhe und Umgebung aktiver Teil von antifaschistischer Arbeit. Er engagierte sich unter anderem im Offenen Antifaschistischen Treffen, beteiligte sich an Protesten, Aktionen und Kundgebungen. Für viele von uns war er nicht nur ein Mitstreiter, sondern auch ein guter Freund und enger Genosse. Mit so einem Verlust einen Umgang zu finden ist nicht leicht.
Trauer findet in unserer Gesellschaft in der Regel isoliert, im familiären Umfeld und auf einer individuellen, persönlichen Ebene statt. Als Linke wollen wir dem einen kollektiven und solidarischen Entwurf von Trauer entgegensetzten, bei welchem wir nicht nur den persönlichen Verlust, sondern genauso die politische Dimension des Tods unseres Genossen begreifen wollen. Denn die Trauer über Svens Tod kann für uns nicht nur etwas Individuelles sein. Sven war organisierter Antifaschist und Kommunist. Er hat in seinem Leben die Notwendigkeit politischer Arbeit über seine individuellen Probleme gestellt. Durch sein tiefes Verständnis von Solidarität hat er uns gezeigt, dass eine andere Welt möglich ist. Um an ihn zu erinnern und ihm zu Gedenken mussten und müssen wir einen Weg finden.
In der deutschen Linken gibt es für eine gelebte und solidarische Trauerkultur wenige Beispiele und Erfahrungswerte auf die wir konkret zurückgreifen können. Wir kennen diese häufig nur aus internationalen Kontexten, in denen sich eine solche aufgrund der Geschichte schon entwickeln musste. Wir können uns daran zwar ein Beispiel nehmen, diese aber exakt zu übernehmen, schien uns für unseren Umgang der falsche Weg.
Um auch anderen einen Einblick in das von uns in den letzten Wochen erlebte zu geben, schildern wir hier unsere Erfahrungen. Wenn wir dazu im besten Fall einen bescheidenen Beitrag zur Entwicklung einer solidarischen, politischen Trauerkultur für unsere Strömung leisten können, ist dies von Bedeutung. Denn auch mit dem Tod von Genoss*innen müssen wir einen solidarischen und guten Umgang finden, wenn wir auf Dauer als Bewegung Bestand haben und uns weiter entwickeln wollen.
Die ersten Tage nach Svens Tod haben wir viel Zeit gemeinsam im Linken Zentrum Barrio137 verbracht. Wir haben dort einen Ort geschaffen an dem jede und jeder hinkommen konnte, an dem gemeinsam getrauert, geweint und von Sven erzählt werden konnte. Niemand sollte mit seiner Trauer alleine gelassen werden. Was für uns alle zudem ein großer Trost war, war, dass die Familie von Sven, den Kontakt mit uns gesucht hat und einen Abend gemeinsam mit uns dort verbrachte.
Die Beerdigung von Sven wurde ebenso gemeinsam mit der Familie und den Freunden in seinem Sinne gestaltet. Für uns war es dennoch wichtig, zusätzlich zu der Trauerfeier nach der Beerdigung, die mit Svens Familien und engen Freunden statt gefunden hat, eine Möglichkeit zu schaffen, an der alle Menschen, ob sie Sven nun persönlich oder eben nur von politischen Aktionen kannten, dran teilnehmen können.
An der sowohl der persönliche Schmerz als auch der politische Verlust Platz hat.
Umgesetzt wurde das Ganze dann vergangen Samstag. Mit Genoss*innen aus Süddeutschland haben wir auf dem Außengelände des P8 eine Trauerfeier in unserem Sinne vorbereitet und gestaltet. Es gab Tee, Kaffee und warme Suppe. In zwei Reden wurde von Sven und seiner politischen Arbeit erzählt. Die eine war von einem Vertreter der Antifaschistischen Aktion Karlsruhe. Die andere wurde stellvertretend für Antifa-Gruppen aus Süddeutschland (Landau, Stuttgart, Mannheim, Tübingen, Villingen-Schwenningen, München und dem Rems-Murr Kreis) vorgetragen. Außerdem hat Svens Mutter noch einige bewegende Worte zu uns gesagt. Danach entstand noch ein Graffiti in Gedenken an Sven […].
Auch wenn wir Sven niemals vergessen werden und die Trauer auch noch lange Teil von unserer gemeinsamen Zeit sein wird, war dieser Tag für uns ein wichtiger Baustein um die Trauer gemeinsam und kollektiv zu bewältigen. Es war Zeit für gemeinsames Gedenken, ebenso wie für lustige und schöne Momente in Erinnerung an unseren Genossen.
So traurig dieses Ereignis auch für uns alle war, entstanden dadurch noch mal ganze neue Momente der Kollektivität und Solidarität untereinander. Svens Familie materiell und emotional zu unterstützen stand dabei für uns ebenso im Mittelpunkt wie für uns und das politische Umfeld einen Umgang damit zu finden. Für Sven war Solidarität nie nur eine hohle Phrase, dieses Wort mit Inhalt und Leben zu füllen, war etwas was wir von ihm lernen konnten und was uns nun in dieser schwierigen Zeit auch zusammengeführt hat.
„So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem“
Danke für die großartige Unterstützung, die tröstenden Worte und das Gefühl nicht alleine zu sein.“
Auch vier Jahre nach Svens Tod ist dieser Nachruf noch aktuell – bzw. vielleicht sogar noch aktueller, weil wir heute sehen können, wie sich unser damaliger Umgang mit seinem Tod und der Versuch einer linken, kollektiven Trauerkultur, auf uns auswirkt, was es mit uns gemacht hat und was es auch heute noch mit uns macht.
Auch wenn wir betonen, dass Sven weiter in unseren Kämpfen lebt, müssen wir natürlich trotzdem so ehrlich sein und benennen, dass sein Tod und er selbst, mittlerweile einen kleineren Raum einnimmt. Der Kontakt mit Svens Familie und seinen nicht politischen Freunden wurde mit den Monaten und Jahren weniger eng, auch wenn es an seinem Geburtstag und seinem Todestag immer wieder kollektive Momente des Zusammenkommens gab – beispielsweise im Rahmen einer Trauerfeier im linken Zentrum Barrio137 an seinem ersten Todestag, zu der Svens Familie und viele Genoss:innen und Freund:innen gekommen sind.
Dass sich die Art und Weise wie sich Trauer entwickelt verändert, je länger der Tod einer Person her ist, ist Teil eines natürlichen Trauerprozesses. Was uns aber an einigen Stellen immer wieder aufgefallen ist, ist dass vor allem die kollektiven Gespräche über Sven weniger geworden sind und einige Genoss:innen, die ihn nicht mehr kennen lernen konnten, sich nicht trauen zu fragen wer Sven eigentlich war und was damals passiert ist.
Und eben genau diese Tabuisierung wollen wir durchbrechen. Wir wollen über Sven und auch über alle anderen verstorbenen Genoss:innen reden, uns an Sie erinnern, anderen Geschichten über Sie erzählen, Trauer kollektivieren und die Erinnerung an unsere Genoss:innen hoch halten!
Wenn wir heute über Sven reden fühlt sich das nicht komisch und tabu an. Wenn uns etwas an ihn erinnert, egal ob es lustig, traurig oder einfach nur eine Erinnerung ist, haben wir Genoss:innen mit denen wir darüber reden können.
Danke an Alle, die Sven weiterhin in ihren Herzen und ihren Kämpfen tragen.
So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem.
Sven, nach diesem Motto hast du gelebt und so lebst du in unseren Kämpfen weiter.
Für immer,
deine Genoss:innen