In den patriarchal-gewaltvollen Zuständen unserer Gesellschaft war die radikale Linke leider noch nie frei von sexueller Gewalt oder der Reproduktion von Männlichkeit und sexistischen Verhaltensmustern. Die männerdominierte Szene produziert seit jeher Leid für ihre Mitglieder, aber es regt sich auch Widerstand gegen diese Umstände innerhalb der Szene. Seit vielen Jahren werden Versuche gestartet sexuelle/sexistische Übergriffe ohne Strafe, Polizei und dafür mit langfristiger Verantwortungsübernahme zu bearbeiten. Die aus BIPoC-Communities stammenden Konzepte der Transformative Justice und Community Accountability werden dabei häufig als Orientierung genutzt. Seit geraumer Zeit herrscht hier aber ein großer Frust, da fast alle dieser Prozesse nicht Funktionen oder die Situation für die Betroffene und ihr Umfeld noch schlimmer machen. Viele Umfelder von Betroffenen und Betroffene selbst haben ein Bedürfnis nach Aufarbeitung und einer Verantwortungsübernahme des Täters. Oft weigern sich Täter jedoch, sich mit ihren Handlungen und Verhaltensweisen und dem Schaden, den sie dadurch angerichtet haben/anrichten, auseinander zu setzen. Es ist teils schwer, genau zu beurteilen, ob es die Konzepte sind, die scheitern, oder die Täter, die durch Verweigerung das Misslingen verursachen.
Es gibt viele öffentlich gemachte Beispiele für gescheiterte Täter-/transformative Prozesse. Das liegt auch daran, dass gescheiterte Prozesse oft Betroffenen für die Wiederherstellung ihrer Handlungsmacht wenig andere Optionen lassen, als dass eine Art öffentliches Outing folgen (muss). Auf der anderen Seite gibt es dafür wenige öffentliche Berichte über erfolgreich gelaufene Prozesse. Vielleicht, weil es insgesamt weniger davon gibt oder weil Menschen dann einfach mit ihrem Leben weiter machen und die Öffentlichkeit nicht davon unterrichten wollen/müssen. So oder so haben wir in der Begleitung unseres Genossen, Freundes und auch Täters häufig vergeblich nach Positivbeispielen oder konkreten Hilfen und Tipps zum Ändern der destruktiven männlichen Dominanz gesucht.
Darüber sollte es mehr Wissen und Austausch geben, damit wir alle voneinander lernen und hoffentlich gemeinsam für eine befreite Welt streiten können. Denn die Auseinandersetzung mit patriarchaler Gewalt in und außerhalb von uns lohnt sich immer!
Im Folgenden wollen wir über einen Prozess sprechen, der nicht gescheitert ist, und von Umfeld und in diesem Fall Betroffene Person als erfolgreich bzw. zufriedenstellend bewertet wird.
Wir wollen mit einer allgemeinen Einordnung beginnen und erklären, warum wir diesen Text veröffentlichen.
Dann folgt eine Draufsicht auf den Prozess aus der Perspektive des Umfelds des Täters.
Der Hauptteil ist dann ein Zwischenstandsbericht, der nach ca. 1 Jahr Beschäftigung vom Täter geschrieben wurde. Darin findet sich eine Beschreibung des Aufbaus und der Arbeitsweise der Täterarbeitsgruppe(n), der genutzten Methoden und von zentralen Erkenntnissen des Täters. Zum Schluss wird er nochmal auf seine aktuelle Beschäftigung einige Jahre später eingehen.
Wir hoffen, dass diese sehr persönlichen, aber auch detaillierten Infos dabei helfen, sich für eigene Prozesse etwas mitzunehmen.