Freiburg stirbt mit Sicherheit[spartnerschaften]

Event: 
Gegen Überwachung, Kontrollen und Ordnungswahn

Freiheitsrechte verteidigen – Gemeinsam gegen Überwachung, Kontrollen und neue Polizeigesetze

 

Mit mehr Videoüberwachung, mehr Kompetenzen für den kommunalen Vollzugsdienst (KVD) und mehr Bullen wird in Freiburg seit 2017 nachhaltig aufgerüstet. Um einer von Stadtpolitik und Lokalpresse herbeikonstruierten „subjektiven Verunsicherung“ der Freiburger Bevölkerung entgegenzuwirken, wird dieser Kontroll- und Ordnungswahn als Sicherheitspartnerschaft zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Freiburg verkauft. Wie immer wird auch hier das Sicherheitsparadigma herangezogen, um strittige Gesetzesverschärfungen scheinbar zu begründen und damit zumindest teilweise verwirklichte Grundrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Meinungsfreiheit schleichend auszuhöhlen.

 

Die zunehmende Verpolizeilichung Freiburgs

 

Auf Grundlage eines wagen polizeilichen Lagebilds, einer Kriminalitätsstatistik für Freiburg, in die nicht etwa reale Verurteilungen, sondern verdächtigte Personen miteinbezogen werden und einer rassistischen Stimmungsmache gegen Geflüchtete wird ein Bedrohungsszenario heraufbeschworen und Freiburg als Kriminalitätshochburg stilisiert. Um Sicherheit und Ordnung zu verteidigen, erhielt Freiburg bereits 2017 zehn zusätzliche Polizist*innen, die vom Land bereitgestellten 25 Bereitschaftspolizist*innen mit Reiterstaffel sind weiterhin im Einsatz und 86 weitere wurden von Lahr nach Umkirch verlegt. Ende 2018 wurde die seit 2017 bestehende Sicherheitspartnerschaft zwischen der Stadt Freiburg und dem Land Baden-Württemberg um ein neues „Sicherheitspaket“ erweitert. Konkrete Maßnahme: noch mehr Bullen für Freiburg!

 

„Vor zehn Jahren hätte es in unserer linksliberalen Stadt noch geheißen: ‚Was wollen denn die Scheißbullen hier?‘ Heute werden die Beamten geherzt, beinahe umarmt und erfahren viel Zuwendung.“ (ex-OB Dieter Salomon, BZ vom 4. März 2017)

 

Im April 2017 wurde durch den Gemeinderat ein kommunaler Vollzugsdienst (KVD) eingeführt und erst kürzlich mit einer Mehrheit von 24 zu 21 Stimmen die Aufstockung des KVD von 12 auf 18 Stellen, inklusive nächtlicher Einsatzzeiten, beschlossen. Um auch bei Ordnungsstörungen (also bei Verstößen gegen die geltende städtische Polizeiordnung wie Wildpinkeln, unerlaubtes Lagern, aggressives Betteln, Sachbeschädigung durch Graffiti, Straßenmusik und sogenannten Müllfrevel) einschreiten zu können, wurde der KVD mit den gleichen Rechten wie die Landespolizei ausgestattet. Diese Ordnungsverstöße sollen als Vorstufe zur Kriminalität und schlimmsten Gewalttaten gelten und deswegen verfolgt werden. Der KVD soll also keine schweren Straftaten bekämpfen, sondern Personengruppen, die offenbar nicht ins Bild der „Clean City Freiburg“ passen und deren Anblick das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Mehrheitsbevölkerung stören könnte.

 

Freiburger Gefahrengebiete

 

Außerdem soll die Videoüberwachung in den nächsten Monaten insbesondere an den sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten (Stühlinger Kirchplatz, Colombipark und Teile der Altstadt: zunächst sogenanntes „Bermudadreieck“ und untere Bertholdstraße) ausgebaut werden. Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass präventive Videoüberwachung im öffentlichen Raum und sogenannte Bodycams der Polizei Straftaten nicht verhindern und auch aus datenschutzrechtlicher Sicht mehr als fragwürdig sind. Darüber hinaus sind in diesen Gefahrengebieten jederzeit verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen möglich. Diese Form der Repression wurde von der Polizei in den vergangen Monaten rege genutzt. Repression heißt hier Unterdrückung der freien Entfaltungsmöglichkeiten – durch Einschränkung, Kontrolle und Überwachung. Mit der Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen (z.B. durch Racial Profiling) wird bezweckt, der inhaltlichen Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder vermeintlichen gesellschaftspolitischen Problemen aus dem Weg zu gehen. Diese werden dadurch nicht gelöst, sondern unterdrückt, wenn der bloße Aufenthalt an einem Ort in eine strafbare Handlung umgedeutet wird.

 

 

Alte und neue Polizeigesetze

 

Ende 2017 wurde in Baden-Württemberg eine der schärfsten Polizeigesetzes-Novellen der Bundesrepublik verabschiedet. In dieser sind unter anderem die Verwendung von Explosivmitteln, Aufenthaltsanordnungen und deren elektronische Kontrolle, Hausarrest, Kontaktverbote zwischen sogenannten „Gefährdern“ und „intelligente Videoüberwachung“ beinhaltet. Innenminister T. Strobl plant nun eine weitere Verschärfung die unter anderem eine massive Ausweitung der Schleier-Fahndung, Präventivhaft für sogenannte „Gefährder“ und die Onlinedurchsuchung legalisieren soll. Die Verschärfung der Polizeigesetze ist ein bedrohlicher Angriff auf die Freiheitsrechte aller. Schon jetzt sind die Einschränkungen durch die Regelung der Befugnisse der Repressionsbehörden massiv. Der voranschreitende Überwachungsstaat ist auch angesichts des offenkundigen Rechtsrucks eine Bedrohung für „demokratische Verhältnisse“.

 

Repression in Zeiten rechtspopulistischer Deutungshoheiten

 

Eine weitere bundesweite Strafrechtsverschärfung sieht seit 2017 vor, dass u.a. Sitzblockaden gegen Nazis sowie Verweigerung von und Protest gegen (unrechtmäßige) Polizeikontrollen – beispielsweise der Reflex sich aus einem schmerzhaften Polizeigriff zu lösen – mit mindestens drei Monaten Haftstraße geahndet werden können (§ 113 StGB „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und § 114 StGB „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“). Erfolgen diese Widerstandshandlungen von zwei oder mehr Personen „gemeinschaftlich“ erhöht sich das Mindeststrafmaß auf sechs Monate, auch dann, wenn sie harmlos und schmerzfrei für die Bullen waren. Somit wird die Schwelle „irreguläres Verhalten“ zu bestrafen, bzw. als strafbar zu werten, weiter nach unten gesetzt, obwohl die tatsächliche Zahl zu Schaden gekommener Bullen rückläufig ist und bereits davor hart bestraft wurde. Dass es in diesem Bereich anscheinend Bedarf geben würde, propagieren insbesondere rechtspopulistische Parteien wie die AfD und Teile der CDU. Justiz- und Innenminister*innen sowie die regierende Parteien beweisen sich damit als Erfüllungsgehilfen eben dieser Rechtspopulist*innen und reden einer postfaktisch „gefühlten Unsicherheit“ das Wort.

 

Freiheitsrechte verteidigen!

 

Somit zeigt nicht nur die stetige Zunahme von Überwachungs- und Kontrollmechanismen (Videoüberwachung, Lauschangriff, Onlineobservation, Vorratsdatenspeicherung, usw.), dass Freiheit zugunsten von vermeintlicher Sicherheit eingeschränkt wird. Durch die präventive Erfassung und Kontrolle der Gesellschaft entsteht eine Gefahr für zukünftige Lebensentwürfe und eine psychologische Barriere, die vom eigenen Engagement, politischem Handeln und kritischem Gedankengut abhält. Mit dieser zunehmenden Überwachung werden alle hier lebenden Menschen von vornherein kriminalisiert und unter Generalverdacht gestellt. Diese Instrumente dienen nicht der Schaffung von Sicherheit und Freiheit, sondern vielmehr dem autoritären Sicherheitsstaat.

 

Zeigt euch solidarisch und lasst euch durch zunehmende Repression nicht einschüchtern.

 

Gemeinsam gegen Überwachung, Kontrollen und neue Polizeigesetze.

 

Für ein solidarisches Leben in Freiheit!“

 

 

Kommende Termine für Freiburg:

 

Scheiß Überwachung, scheiß Dragoner, scheiß Boulevard! Überwachungskritischer Abendspaziergang | Donnerstag, 16.05.19 um 18:00 Uhr | Blaue Brücke

 

Demo gegen Verdrängung und steigende Mieten! Alle für eine solidarische Stadt! | Samstag, 18.05.19 um 15:00 Uhr | Platz der Alten Synagoge

 

Pack’s an gegen neue Polizeigesetze – Freiheit stirbt mit Sicherheit! Auf zur Demo | Samstag, 25.05.19 um 14:00 Uhr | Hauptbahnhof

 

 

Mehr Infos zu existierenden und geplanten Polizeigesetzverschärfungen in Baden-Württemberg unter #NoPolGBW

 

 

 

Bilder: 
webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-nc-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen - nicht kommerziell