Aktion im Gedenken an Jorge Gomondai in Dresden
Am 04.05.2019 hat der „Aktionskreis zum Gedenken an Jorge Gomondai“ große Aufkleber mit seinem Konterfei an die Heckscheiben mehrerer Straßenbahnen in Dresden angebracht. Jorge Gomondai verstarb am 06.04.1991 in Dresden. Wenige Tage zuvor wurde er von einer Gruppe Neonazis am Albertplatz in der Dresdner Neustadt aus einer fahrenden Straßenbahn geworfen. Er erlag den Folgen des Übergriffes. Gomondai zählt als das erste Todesopfer rassistischer Gewalt in Dresden nach der Wiedervereinigung.
Der in Chimoio geborene Mosambikaner kam 1981 als Gastarbeiter nach Dresden, wo er zeitweise im alten Schlachthof arbeitete. Wie viele GastarbeiterInnen aus unterschiedlichsten sogenannten sozialistischen Brüderländern lebte auch Jorge Gomondai in einem Ausländerwohnheim. Vor seinem Tod wohnte er auf der Hohlbeinstraße 42.
Die GastarbeiterIinnen waren trotz eines staatlich verordneten „Antifaschismus“ in der DDR regelmäßig mit Rassismus konfrontiert. Nicht nur das ihre Wohnheime häufig außerhalb der Städte lagen und Kontakte außerhalb der Arbeit zu DDR-Bürger*innen nicht gern gesehen wurden, waren auch körperliche Übergriffe nicht selten. In Suhl jagten Menschengruppen algerische Gastarbeiter durch die Innenstadt und verprügelten sie mit Latten und Stangen. In Merseburg wurden zwei kubanische Arbeiter von mehreren DDR-Bürgern in die Saale getrieben und mit Steinen beworfen, bis sie ertranken. Dies sind nur zwei von hunderten Fällen, die häufig von der SED-Regierung vertuscht wurden.
Bis heute läuft die Aufarbeitung solcher Fälle eher schleppend. 1996 gab es die ersten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die sich dem Thema Rassismus und Antisemitismus in der DDR widmeten. "Diese wurden aber in der Öffentlichkeit kaum diskutiert", kritisiert der Wissenschaftler Harry Waibel. Für viele ehemalige DDR-Bürger*innen ist das Thema bis heute ein Tabu. Ein Großteil der Betroffenen schweigt über ihre Erlebnisse oder ging zurück in ihre Heimat.
In Anbetracht der fehlenden Behandlung rassitischer Einstellungen in der DDR-Gesellschaft ist es nicht verwunderlich, dass sich mit dem Wegfall der staatlichen Macht 1989 die rassistische Gewalt Bahn brach. Die 90er Jahre waren geprägt durch rassistische Gewalt, deren erstes Todesopfer Jorge Gomondai wurde und dem viele weitere folgten. In Dresden wurde beispielsweise 2007 Marwa el Shabini im Amtsgericht von einem russlanddeutschen Neonazi erstochen. Höhepunkt der rassistischen Atmosphäre in den 90ern waren die Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, wo es nur durch Glück zu keinen weiteren Todesopfern kam. Das Resultat dieser Zeit war der Nationalsozialistische Untergrund, der während seines 13-jährigen Bestehens mindestens neun Morde an Migranten begangen hat.
Gerade Dresden war Hochburg der neonazistischen Szene nach der Wende. Immer wieder kam es zu Großaufmärschen. Neonazis des „Nationalen Widerstands Dresden“ und ihr Führer Rainer Sonntag versuchten die Prager Straße „Hütchenspieler frei zu machen“. In der sich schon früh als alternativer Stadtteil herauskristallisierenden Neustadt kam es immer wieder zu Angriffen und Brandanschlägen, denen z.B. die Szene-Kneipe Bronx zum Opfer fiel, die komplett ausbrannte. Viele Migrant*innen zogen ihre Konsequenzen aus dem neonazistischen Terror in den 90ern und verließen die Stadt oder sogar das Land.
Die nie gebrochene rassistische Kontinuität seit 1945 und das Kleinreden von rechten Strukturen führte dazu, dass Dresden noch heute eine Hochburg rechter Aktivitäten ist. Bei Statistiken zu rechten Straf- und Gewalttaten nimmt die Stadt meistens einen der traurigen vorderen Plätze ein. Mit Pegida ist Dresden die Heimatstadt einer der größten rechten Bewegungen Deutschlands nach 1945. Im Zuge der rassistischen Proteste kam es 2015 zu einem enormen Anstieg rechter Gewalttaten, Übergriffe und Brandanschläge auf AsylbewerberInnenheimen. Bis heute bagatellisiert die Dresdner Stadtgesellschaft die rassistische Atmosphäre in der Stadt und kümmert sich lieber um die „Sorgen und Ängste“ der Wutbürger*innen, als eine klare Kante gegen Neonazismus zu zeigen und Betroffene zu unterstützen.
Wir wollen mit der Aktion Jorge Gomondai gedenken: einem Menschen, der mit Hoffnungen und Wünschen in unsere Stadt kam und den Tod durch die Hand von Menschenfeinden fand. Jorge Gomondai steht exemplarisch für das, was ein faschistisches Weltbild in seiner Konsequenz bedeutet: Gewalt, Ausgrenzung und Mord. Jorge Gomondai ist nur eines von über zweihundert Todesopfern rechter Gewalt in Deutschland seit der Wende, an die wir immer wieder erinnern werden.
Solange Faschisten unsere Straßen unsicher machen, werden wir ihnen Paroli bieten. Das sind wi Jorge Gomondai, Marwa el Shabini, Antonio Amadeus, Silvio Meier, Achmed Bachir, Alberto Adriano, Halit Yozgat und den unzähligen anderen Todesopfern schuldig.
Nie Wieder – Kein Vergessen!