Dystopie als Gesetz - Polizeigesetz in der Krise des Kapitals

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Kein Polizeigesetz

Der Polizeistaat kommt. Die Bundesrepublik zieht die Schraube des Eingriffs in unser Leben wieder einmal tiefer ins Fleisch. Bundesweit werden Gesetze in den Ländern verabschiedet die an einen dystopischen Roman erinnern. Der Polizei werden weitreichendste Befugnisse verliehen. Es setzt sich eine Auffassung von Polizeiarbeit durch, die sich von der Verfolgung von vermeintlichen Straftaten hin zu einer vollkommen präventiv arbeitenden Repressions- und Überwachungstruppe wandelt. Durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen hat der Polizeiapparat nun die Möglichkeit zu überwachen, zu unterbinden und zu bestrafen ohne dass Straftaten passiert sind. Nicht zu vergessen, dass eine Archivierung und Aufzeichnung über diese Maßnahmen ebenfalls abgeschafft wurde.

Unter dem Stichwort der drohenden Gefahr sollen Straftaten verhindert werden, bevor sie geschehen. Nun auch gesetzlich festgeschriebenes Hilfsmittel ist hier der, diskursiv seit Jahren vorbereitete, sogenannte Gefährder. Der Gefährder ist eine nicht definierte Figur, irgendwo in der Schnittmenge zwischen ISIS-Terrorist, Flüchtling, Hooligan und zündelndem Linksradikalen auf der Elbchausee. Wer Gefährder wird, entscheidet künftig allein die Polizei.

Parallel dazu wird eine massive Militarisierung von Polizeieinheiten vorgenommen. Vom Panzerfahrzeug über Gummigeschosse, Taser, Handgranaten, Maschinengewehre und SEK Einsatz als neuem Standardprozedere bereitet sich der Polizeiapparat offenbar auf schwere innere Unruhen vor.

Dieses dystopische Szenario wird demnächst flächendeckend Realität sein. Nun drängt sich die Frage auf: Warum jetzt?

 

Weltenfresser Kapitalismus

Die Frage schürft tiefer als man zunächst denkt. Denn die drohende Gefahr ist eine Phrase, die ihren Ursprung im weltenfressensten aller dagewesenen Systeme hat, dem Kapitalismus.

Der moderne Kapitalismus bringt Armut, Hunger, Dürre, Überschwemmungen, Leid über die Einen und ein absurd wohlhabendes Leben in Saus und Braus über die Anderen. Dass wir 40 Stunden in der Woche unsereres Lebens opfern müssen, um unserem Chef die Tasche zu füllen, ist mittlerweile so in die Normalität übergegangen, dass es fast niemanden mehr wütend macht. Genauso normal sind unsere Smartphones in der Tasche, die mit dem elenden Leben und Sterben der Koltan-Minenarbeiter*innen erkauft wurden, in Ländern, die seit Jahrhunderten unter den Überresten unseres europäischen Kolonialismus ächzen. So passiert es im kleinen Rahmen mit Löhner*innen und Chefs in einem Land, und global im Großen in der Trennung in die verlorene Südhalbkugel und die gewinnende Nordhalbkugel.

Doch der Kapitalismus hat ein Problem: Er steckt in der Krise. Er hat solche riesige Produktionsmöglichkeiten geschaffen, dass ihm die Käufer*innen für all die Produkte fehlen. Zwar gibt es Hunger und Armut, doch können sich diese Menschen weder ein iPhone, einen SUV noch ein komplettes Mittagessen leisten. Es stellt sich also eine schleichende Krise ein, die allgemein mit der Schaffung neuer Absatzmärkte gestopft werden soll. Ob dies technologische Neuerungen oder unfassbar teure Kriege sind, bleibt erstmal gleichgültig. Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Der Kapitalismus kämpft permanent um sein eigenes Überleben, und das mit allen Mitteln. Dabei hinterlässt er Chaos.

Doch hier zeichnet sich nun seit eher kurzer Zeit unheilvoll eine niemals stopfbare, ultimative Krise am Horizont ab: Die Klimakatastrophe. Die potentielle Leblosigkeit der gesamten Erdoberfläche, ausgelöst durch die brachiale Gewalt, mit welcher der Mensch und sein Wirtschaftssystem den Planeten gefügig gemacht haben, scheint ein verspätetes Korrektiv einer Wirtschaftsform zu sein, die von vorn herein auf Untergang getrimmt war.

So zynisch diese Feststellung sein mag, so betroffen macht sie, wenn man sich vor Augen führt, was diese Krise des Weltenbrands den betroffenen Menschen auf dem Globus antun wird. Der globale Süden wird unbewohnbar und unfruchtbar zurückbleiben, ob überschwemmt oder ausgetrocknet. Die Folgen sind absehbar: Kriege um schwindende Ressourcen, Flucht- und Migrationsbewegungen, Abschottung. So vertraut diese Vokabeln klingen: Diese Krise hat ihren Anfang schon genommen. Nicht nur im Mittleren Osten entstehen heute soziale Aufstände um Wasserknappheit und Stromversorgung, die ihren Ursprung in der Klimaerwärmung haben.

Spätestens an dieser Stelle wird nun klar, was in einem globalen Rahmen die aufziehende drohende Gefahr für dieses System ist. Die vermeintlich drohende Gefahr sind jene Menschen, die auf absehbare Zeit vor dem Weltenfresser Kapitalismus flüchten müssen, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Nicht umsonst gleichen sich die Schreckbilder von Gefährdern, rassistisch aufgeladen, auf der Nordhalbkugel dieser Welt: Sie sind keine Weißen, sie sind keine Europäer. Und sie werden, so ist man sich einig, mit den höchsten, sichersten und gefährlichsten Zäunen und Grenzen fern gehalten.

Solange der Kapitalismus weiter existiert, wird der grundsätzliche, mörderische Widerspruch zwischen den Subalternen auf der anderen Seite der Welt und den Gewinnern im Business der kapitalistischen Nationen weiter fortleben. Und die drohende Gefahr ist die Angst des Systems vor seinem eigenen Ende.

 

Der Schuss ins eigene Bein

Die drohende Gefahr, die sie in ihren neuen Gesetzen meinen, ist nach einem kurzem Blick in die Welt nicht die Gefahr vor dem Messer im Dunkeln oder der Junkies von der Ecke. Die drohende, aufziehende und bisher unkonkrete Gefahr gilt ihrem System der Ungerechtigkeit, auch wenn es den Funktionär*innen dieses Systems selbst wahrscheinlich kaum bewusst ist. Doch egal wie bewusst ihnen dieser Umstand ist, so verteidigen sie dennoch willfährig ihre Profite, die sich aus dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit ergeben.

Und hier kommt die Idee der Nationalstaaten wieder zum vollen Tragen – plötzlich ist angesichts der drohenden Gefahr in der globalisierten Weltwirtschaft wieder das Eifern nach dem besten Platz in der Liste der Nationen an der Tagesordnung. Der Nationalismus erreicht eine neue Höhe, und das ganz ohne eine nationalistische Bewegung, und geht wie eh und je über Leichen. Die mörderischen Außengrenzen der Europäischen Union im Mittelmeer zeigen uns eine offenliegende Facette dieses Eifers.

Doch die andere Facette der drohenden Gefahr, die sie meinen, liegt innerhalb den Nationalstaaten selbst. Es ist ihre innere Sicherheit, ihre nationale Integrität. Entprechend der äußeren Bedrohung sehen die Gewinner dieser Welt diese ganz handfeste weitere Bedrohung: Es sind die inneren Feinde, die Aufständischen, die Kriminellen, die Jugendbanden, die Organisierten – also alle, die den Staat in seinen Grundfesten nicht anerkennen.

Die Bekämpfung dieser inneren Bedrohung im Dienste der Nation hat lange Tradition in Deutschland, der Antikommunismus gehört gewiss dazu. Polizei, Verfassungsschutz und Justiz arbeiten Hand in Hand mit dem politischen Personal der BRD kontinuierlich daran, alle Elemente zu unterdrücken und zu kriminalisieren die am Ende des ungerechten Systems von wachsender Armut und Unterdrückung arbeiten. Abgesehen davon bekommen alle anderen inneren Feinde auch ihr Fett weg. Doch in einem der politisch stabilsten Länder der Welt, ohne eine organisierte revolutionäre gesellschaftliche Kraft, scheint es lächerlich von der Verschärfung der Polizeigesetze als Verschärfung der Repression einzig gegen Linke zu sprechen.

Doch in der abzeichnenden Zeit des Chaos, der aufziehenden Krise alles Systemischen, werden wahnhaft genau die unsicheren Elemente an der Heimatfront unter Beobachtung und Fußfessel gestellt, die eine Restgefahr der inneren Sicherheit bedeuten: Die Jugendbanden, die organisierten Linken und diejenigen mit dem falschen Pass. So gut es der Nation doch defacto geht, so wenig reale Feinde sich unter uns befinden, desto hyperventilierender und wahnhafter werden die law and order Maßnahmen beschlossen. Denn sie treibt die gewisse Angst um, dass es nicht so bleibt wie es ist.

 

Rechtsruck überall

Analog hierzu verhält sich der gesellschaftliche Rechtsruck. Denn was den AfD Wähler, den patriarchalen Evangelikalen und den Neonazimob in Chemnitz eint, ist ihre falsche Angst. Die Angst der Männergesellschaft vor dem fremden Mann als Sexbestie, homosexuellen Kindern, emanzipierten Frauen und der Lüge des Glücksversprechens des Kapitals. Alle Umfragen zu rechten Einstellungen bemerken fast beiläufig, dass es einem Großteil der durch ihre Antworten nachgewiesenen Faschisten in diesem Land finanziell gut geht, sie doch allesamt die Angst davor umtreibt, ihren Groschen in unabsehbarer Zukunft zu verlieren. Ein Schelm, der dabei vermutet dass sich hier Kapitalismus und rechter Wahn die Klinke in die Hand geben.

Die Angst vor der drohenden Gefahr treibt also in den rassistischen Projektionen der autoritären Charaktere dieses Landes ihr Unwesen. Nicht umsonst ist die Figur der „bombenlegenden“ Muslime und „lawinenartigen“ Afrikaner eine Urangst im Kapitalismus des 21.Jahrhunderts.

Die Angst, die die kapitalistische Moderne um ihr eigenes Fortbestehen hat, ist den Menschen solchermaßen ins Gehirn gebrannt worden, dass sie nach jahrhundertelanger Zurichtung sogar ihre Ängste imitieren – natürlich ohne es zu merken.

Durch die Stimmung im Land geht dementsprechend ein scharfer kalter Wind. Der zählbare und spürbare Rechtsruck auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene hat jeweils wechselseitig politische Projekte ermöglicht, die vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen wären. Der Rechtsruck im Staat schafft neue Standards von Polizeiwillkür, Überwachung und struktureller Gewalt. Der rechte Mob auf der Straße und in den Parlamenten reißt handfest und hetzerisch die Grenzen der Restmen5. Rechtsruck überallschlichkeit und Geschichtsbewusstseins Tag für Tag weiter nieder und fordert deren Wiederaufbau mit Stacheldraht und Maschinengewehr an den Linien zum globalen Süden. Beide sind sich einig in dem wahnhaften Ruf nach mehr Sicherheit, und erkennen selbst kaum wieso ihnen diese Forderung auf der Seele brennt.

 

Das Polizeigesetz – du wirst nicht glauben was es wirklich ist

Die Polizeigesetze sind nun im Jahr 2018 die hart gehandelte Währung der inneren Sicherheit, die allein die Wahrung des Status Quo im Sinn hat. Die innere Sicherheit ist ihre Ideologie. Denn alle Rufe nach dieser Sicherheit die sie meinen, gespeist aus der Angst vor der gefühlten, drohenden Gefahr, sind die verdrucksten Rufe dafür, in diesem System der globalen Ungerechtigkeit nicht als Verlierer sondern als Herrscher dazustehen.

So fühlt es der Staat, der gegen die Delinquenten im Staat vorgeht, und so fühlen es die AfD-Faschisten, die sich auf Ausländer-Hatz befinden und umgekehrt.

Die Polizeigesetze mit ihrer Militarisierung und Überwachung sind ein Werkzeugkoffer dieses unfassbar ungerechten Systems, sich selbst zu erhalten, komme was da wolle. Ihre Ideologie ist die Macht - die Herrschaft weniger über die Vielen. Selbst wenn diese Reihe an Gesetzesverschärfungen noch Luft zum Atmen lassen sollten – die nächste Batterie kommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.

 

Von der Dystopie zur konkreten Utopie

Doch was wären wir für Menschen, wenn wir all das nur konstatieren würden? Es sähe schlecht aus in der Zukunft. Doch was hier festgehalten werden muss, ist eine Idee. Denn die aufziehende Krise des kapitalistischen Moderne birgt genau eine Chance: Sie zu nutzen, um dieses System endgültig los zu werden, und das, bevor es den Planeten für immer verbrennt.

Es geht um nichts geringeres, als eine Gesellschaft ohne Ungerechtigkeit. Eine Gesellschaft, die Allen eine Stimme gibt, die es sich allein durch ihre Geburt verdient haben. Eine Gesellschaft in der alle Menschen genug zu essen haben. Ein Gesellschaft, die die Macht des Profits und des Patriarchats und des Rassismus bricht, damit niemand mehr den Stiefel im Gesicht haben muss. Wo die Menschen ihre Heimat haben wollen, da sollen sie sein. Die konkrete Utopie ist eine Weltgesellschaft, organisiert in Räten.

 

Das alles wird nur je möglich sein, wenn wir das werden was man uns vorwirft zu sein: Die drohende Gefahr für dieses System der Ungerechtigkeit und sein Polizeigesetz.

 


Großdemo gegen das Polizeigesetz

26.01.19 – 13 Uhr – Wiener Platz – Dresden

Zugtreffpunkt Leipzig Hbf – 10.45 Uhr  – Gleis 21

Kommt in den linksradikalen Block!

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