20?! Neujahrsbotschaft der iL Berlin
Um das Offensichtliche zu sagen: 2020 war scheiße. Bereits im Februar schockierten uns der rassistische Anschlag in Hanau und die Kumpanei zwischen CDU, FDP und AfD in Thüringen. Das Frühjahr brachte die Coronakrise nach Europa. Sie schränkt unsere Leben und unsere Kämpfe seitdem in krassem Maße ein. Inzwischen sind wir mitten in der zweiten Welle der Pandemie. Und auch wenn sich die Kräfteverhältnisse in vielen unserer Kämpfe zu unseren Ungunsten verschoben haben: Wir sind überzeugt, dass wir 2021 in einigen gesellschaftlichen Bereichen Widerstand und Bewegung initiieren oder verstärken können. So, dass die Möglichkeiten einer solidarischen Zukunft etwas mehr Kontur bekommen und sich neben dem rechten und dem neoliberalen Block auch unser linkes Projekt formiert. Auf der In diesem Sinne wollen wir in dieser Neujahrsbotschaft einige unserer strategischen Perspektiven für 2021 mit euch teilen.
Um das Offensichtliche zu sagen: 2020 war scheiße. Bereits im Februar schockierten uns der rassistische Anschlag in Hanau und die Kumpanei zwischen CDU, FDP und AfD in Thüringen. Das Frühjahr brachte die Coronakrise nach Europa. Sie schränkt unsere Leben und unsere Kämpfe seitdem in krassem Maße ein. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es trotz der Pandemie einige Bewegungsmomente gab, an die wir anknüpfen können. Die Kämpfe der Pfleger*innen waren präsent wie nie. Black Lives Matter entfachte im Sommer eine Welle von antirassistischen Protesten und Aufständen. Hier traf sie auf die neue Migrantifa. Auch die Klimabewegung hatte mit #DanniBleibt einen Kristallisationspunkt, der die Kritik des deutschen Automobilismus aufs Tableau brachte.
Inzwischen sind wir mitten in der zweiten Welle der Pandemie. Und auch wenn sich die Kräfteverhältnisse in vielen unserer Kämpfe zu unseren Ungunsten verschoben haben: Wir sind überzeugt, dass wir 2021 in einigen gesellschaftlichen Bereichen Widerstand und Bewegung initiieren oder verstärken können. So, dass die Möglichkeiten einer solidarischen Zukunft etwas mehr Kontur bekommen und sich neben dem rechten und dem neoliberalen Block auch unser linkes Projekt formiert. Auf der anderen Seite gibt es auch einige Gefahren, die uns im Kampf für diese solidarische Zukunft zurückwerfen können.
„Pessimismus des Verstandes und Optimismus des Willens“, wie der Genosse Gramsci es formuliert hat, werden sicherlich gefragt sein im kommenden Jahr. In diesem Sinne wollen wir in dieser Neujahrsbotschaft einige unserer strategischen Perspektiven für 2021 mit euch teilen. Wir grüßen euch, wo ihr auch gerade seid – in Quarantäne, in Sorge, in Plänen für das Kommende, mit Kindern in zu kleinen und überteuerten Wohnungen, im nicht-heruntergefahrenen Betrieb oder im entgrenzten Home Office.
1. Pessimismus des Verstandes
Landtagswahlen und AfD-Beteiligung:
2021 gilt als „Superwahljahr“, schließlich stehen diverse Landtags- sowie die Bundestagswahl an. Während bundesweit derzeit eine schwarz-grüne Koalition am wahrscheinlichsten erscheint, kann sich die AfD auf Länderebene durchaus Hoffnungen machen, über eine Regierungsbildung mitzubestimmen. Holger Stahlknecht, ehemaliger CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt, hat das öffentliche Nachdenken über eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung kürzlich noch das Amt gekostet. Übersteht die rote Linie der CDU, keinen Pakt mit der AfD einzugehen, den Wahlkampf? Das ist keineswegs sicher. Ein zweiter Kemmerich-Moment ist also durchaus denkbar - der Ausgang im Falle einer Wiederholung allerdings offen. Sind wir als radikale Linke darauf ausreichend vorbereitet?
Rückkehr der Austerität?
Auf einmal ist – wie schon in der Finanzkrise 2008 - das Geld wieder da. Olaf Scholz zückt seine „Bazooka“ und hebelt die Schuldenbremse aus, um TUI und Lufthansa Milliarden an Staatshilfen zukommen zu lassen und vielen Betrieben verloren gegangene Umsätze zu erstatten. Während das Kapital also (mal wieder) auf einen Retter in der Not hoffen kann, fällt der Geldregen für die restliche Bevölkerung weniger stark aus. Zwar sind die Jobcenter übergangsweise etwas weniger streng in der Bedürftigkeitsprüfung, bei Kurzarbeit gibt es nach ein paar Monaten einen Aufschlag und in der Altenpflege sowie in manchem Krankenhaus gibt es eine öffentlich finanzierte Corona-Prämie. Für jeden ist was dabei, doch nicht für alle gleich viel. All das sei natürlich nur deshalb möglich, weil man die vergangenen Jahre über so gut gewirtschaftet habe. Je stärker sich die Gesellschaft an den corona-bedingten Ausnahmezustand gewöhnt, desto lauter werden die Ermahnungen, dass es irgendwann aber auch mal wieder gut sein müsse, man könne „künftige Generationen“ ja nicht übermäßig mit neuen Schulden belasten. Die Apologet*innen der Austerität – bekommen sie nicht spätestens nach der Bundestagswahl wieder Oberwasser? Und wo wollen sie dann noch ran, nach dem Kahlschlag der neoliberalen Jahrzehnte?
2. Optimismus des Willens
In drei Kämpfen sehen wir dieses Jahr viel Potenzial: Die Gesundheitsbewegung könnte es schaffen, die symbolische Unterstützung der Zivilgesellschaft in Kämpfe für ein Gewinnverbot im Gesundheitssektor umzuwandeln. Die Mieter*innen Berlins könnten im Herbst mittels Volksbegehren die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin durchsetzen. Und die Klimabewegung hat schon im Danni gezeigt, dass eine schwarz-grüne Koalition nichts mit Klimagerechtigkeit zu tun hat.
Gesundheitsbewegung und Zivilgesellschaft:
In der Pandemie verschärften sich die ohnehin schon katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und allgemein in der Pflege noch einmal deutlich. Daran änderten auch die staatliche Vergabe des „Systemrelevant“-Status und das gute gemeinte Klatschen auf Balkonen nichts. Doch auch wenn die Krankenhäuser und erst recht die Pflegekräfte überbelastet sind: Die kämpferische Pflegebewegung wird 2021 erst recht von sich hören lassen! Dabei sind nicht nur Streiks zu erwarten. Auch viele zivilgesellschaftliche Akteure haben längst erkannt, dass Gesundheit keine Ware sein darf und Pflegetätigkeiten auch materiell aufgewertet werden müssen. Lasst uns also dieses Jahr nutzen, um der kapitalistischen Verwertungslogik im Gesundheitssektor entscheidende Schläge zu versetzen.
Deutsche Wohnen und Co enteignen:
2018 haben wir in der Broschüre „Das Rote Berlin“ festgehalten, dass nur die Vergesellschaftung des Wohnungsmarktes einen Ausweg aus dem Mietenwahnsinn bietet. 2021 haben wir die Chance, dieser Utopie einen bedeutenden Schritt näher zu kommen: Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ beginnt am 25.02. damit, 175.000 Unterschriftung für das Volksbegehren zu sammeln. Wenn wir das hinkriegen, stimmen die (wahlberechtigten) Berliner*innen am 26.09. parallel zu Bundes- und Landtagswahl über die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ab! Lasst uns die nächsten Monate nutzen, um so viele Unterschriften wie möglich zu sammeln. Organisiert euch in den Kiezteams - über 300 Menschen sind dort schon aktiv. Wir verstehen die 2. Sammelphase dabei auch als Möglichkeit für die langfristige Organisierung von noch mehr Berliner Mieter*innen. Dass das auch in der Pandemie geht, haben die Heimstaden-Häuser im November gezeigt. Sprecht mit euren Nachbar*innen und sammelt Unterschriften, sodass 2021 eine Niederlage für das Immobilienkapital wird!
Klimabewegung und Schwarz-Grün:
Die Klimabewegung will an die Massenmobilisierungen mit Fridays for Future und die großen Aktionen des Zivilen Ungehorsams mit Ende Gelände aus dem Jahr 2019 anknüpfen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn die Grünen wollen unbedingt in die Regierung und vor allem ins Verkehrsministerium. Dabei deutet sich ein schwarz-grünes Bündnis mehr als deutlich an. Das Thema Klima steht also weit oben auf der politischen Tagesordnung, insbesondere der Mobilitätssektor und die deutsche Autoindustrie, die sich im September bei der IAA in München als grün gewaschene Zukunfts-Industrie präsentieren will. Bereits im Danni haben wir gezeigt, wie Schwarz-Grüne Klimapolitik aussieht: Autobahnbau und „Industriepolitik“ (siehe Niedersachsen, Baden-Württemberg oder Hessen), zur Not auch mit dem Wasserwerfer. Wenn wir es hingegen schaffen, ein überzeugendes, radikales und ungehorsames politisches Angebot auch an Fridays for Future zu machen, dann kann 2021 zu einem starken Jahr für die Klimabewegung werden. Ein Jahr, in dem wir massenhaft zeigen, dass Klimagerechtigkeit nicht dem Staat erkämpft wird, sondern gegen ihn.
3. Zum Abschluss
Am Beginn der Pandemie hieß es häufig, Corona fungiere wie ein Brennglas für gesellschaftliche Probleme. Das ist sicher richtig, doch neben häuslicher Gewalt, den katastrophalen Zuständen an den europäischen Grenzen und den fatalen Konsequenzen der Privatisierung des Gesundheitssystems ist durch dieses Brennglas noch etwas Anderes sichtbar geworden. Die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion (politisch verursachter) Missstände ist noch lange kein Garant für deren Überwindung. Nicht Aufklärung, sondern nur die Verschiebung von Kräfteverhältnissen eröffnet transformatorische Perspektiven. Kräfteverhältnisse von unten zu verschieben ist nicht einfach, meistens erfordert es einen langen Atem, zum Beispiel beim Aufbau von Druck durch die Organisierung von immer mehr Mitstreiter*innen.
Revolutionäre Praxis bleibt Handarbeit - also lasst uns 2021 die Ärmel hochkrempeln!
Eure Genoss*innen
von der Interventionistischen Linken Berlin,
Januar 2021