Erneute ''Mumia Ausnahme'' vor Gericht in Philadelphia
Der afroamerikanische Journalist und Black Panther Mumia Abu-Jamal wurde 1981 von einem Polizisten in Philadelphia niedergeschossen, von weiteren Polizisten gefoltert und anschliessend für den vermeintlichen Mord an demjenigen verurteilt, der auf ihn geschossen hatte. Sein Fall steht seitdem symbolhaft für die mörderischen und rasssistischen Praktiken von Polizei und Justiz sowie der politischen Repression in den USA. Obwohl er dank weltumspannender Mobilisierungen alle Hinrichtungsbefehle überleben konnte, sitzt er noch immer, seit nunmehr bald 41 Jahren in Haft. Vor einigen Jahren kam juristische Bewegung in seinen Fall. Derzeit geht es um die Wiederaufnahme seines Revisionsverfahrens am Unteren Prozeßgericht in Philadelphia. Am 26. Oktober 2022 gab es dabei jedoch einen erneuten Rückschlag aus der Reihe "Mumia Ausnahme", wie ihn Unterstützer*innen des Journalisten leider bereits so oft gesehen haben.
Die "Mumia Ausnahme" bezeichnet das Aussetzen von Grundrechten innerhalb der Justiz des US Bundesstaates Pennsylvania immer dann, wenn sie Mumia Abu-Jamal dabei helfen könnten, seine Freiheit zurück zu erlangen. Dieser Begriff hat so dort bereits Einzug in universitäre Vorträge und Veröffentlichungen genommen. In Europa wird diese Vorgehensweise vermutlich eher Klassenjustiz genannt.
Mumia hatte einen Antrag auf Neuverhandlung seines Revisionsverfahrens gestellt. Hintergrund waren Erkenntnisse, die seit 2018 aus dem Fund von 6 Kartons in der Staatsanwaltschaft herrührten. Diese Boxen enthielten Unterlagen, die ab 1981 gesammelt aber der Mumias Verteidigung oder Gerichten erst Ende 2018 zur Einsicht übergeben worden waren. Darin enthalten waren u.a. ein Briefwechsel zwischen einem der damaligen Hauptbelastungszeugen und dem Staatsanwalt. Es ging darum, dass der Zeuge Geld für seine Aussage einfordete ... Ein anderes Beispiel waren schriftliche Bemühungen des gleichen Staatsanwaltes, diverse Strafverfahren gegen eine weitere Belastungszeugin einzustellen, also wohl auch ein „quid pro quo“. Das vermutlich bezeichnendste Fundstück war jedoch ein Notizzettel das damaligen Staatsanwaltes, in dem er hinter den Namen aller potentiellen Juror*innen ein B oder W schrieb (Abkürzung für Black oder White, also die zugeschriebene ethnische Zugehörigkeit der jeweiligen Juror*innen).
Es gelang dem Staatsanwalt damals (1982) bereits vor Prozeßeröffnung gegen Mumia alle afroamerikanischen Juror*innen aus der Jury zu entfernen. Die dafür eingesetzten Techniken entsprachen Textbuch genau den Ratschlägen im sog. McMahon-Tape. Staatsanwalt Jack McMahon zeigte auszubildenden Staatsanwält*innen in Philadelphia 1987, wie polizeikritische mögliche Juror*innen aus einer Jury entfernt werden können, ohne dass der offensichtliche Rassismus dahinter sofort sichtbar wird. McMahon versuchte damit, einem United States Supreme Court (USSC, Oberstes Verfassungsgericht der USA) Urteil gerecht zu werden, dass 1986 (auch rückwirkend) nachgewiesenen Rassismus bei der Juryauswahl als automatischen Grund für eine Wiederholung des gesamten Verfahrens eingestuft hatte. Dieses Urteil ist als "Batson Claim" in die US Rechtsprechung eingegangen.
Soviel zur Ausgangslage. In dieser Woche fand nun eine weitere Anhörung vor Gericht in Philadlephia statt, die von einer lebendigen und lautstarken Kundgebung für die Freilassungs von Mumia Abu-Jamal begleitet wurde. Alle Fotos in diesem Artikel entstanden am Morgen des 26. Oktober 2022 in Philadelphia. Bereits vor der Anhörung machte die Richterin Lucretia Clemons, wie Abu-Jamal selbst Afroamerikanerin, in einem 31-seitigen Schreiben deutlich, dass sie gedenkt, den Antrag Abu-Jamals abzulehnen. Allerdings ordnete sie gleichzeitig für den 16. Dezember 2022 eine neue Anhörung in Bezug auf Abu-Jamals dritten Punkt, Rassismus des Anklägers bei der Juryauswahl an. In dieser Hinsicht ist der juristische Weg also für Abu-Jamal weiterhin offen. Für ihre Aussagen bezahlte Hauptbelastungszeug*innen in Strafverfahren gegen linke Journalisten scheinen Richterin Clemons dagegen keinen Grund zur Sorge zu bereiten.
Mumias Unterstützer*innen waren wütend über dieser erneute Verzögerung sowie die Tatsache, dass die angeblich "Progressive Staatsanwaltschaft" in Philadelphia unter der Leitung Larry Krasners offensichtlich überhaupt keine eigene Rechtsrecherche in Mumias Fall unternommen hatte, sondern blindlings die alten Argumentationen von 1982 übernahm und wiederholte. Anscheinend versucht die Behörde Krasner, die rechte Kritik an ihren Strafrechtsreformen, allen voran durch die Fraternal Order of Police (FOP), dadurch zu besänftigen, in dem sie den "Altfall" Mumia Abu-Jamal einfach ignoriert. Dass Mumia aufgrund rassistischer Polizeigewalt, Klassenjustiz und politischer Repression bereits fast 41 (!) Jahre in Haft gessessen hat, davon über 28 in der Isolation des Todestraktes, scheint selbst vorgeblich reformorientierte Staatsanwälte offensichtlich nicht zu interessieren.
Die FOP war über den Ausgang der Anhörung sichtlich erfreut. Maureen Faulkner, Witwe des 1981 getötenen Polizisten und Galionsfigur der rechten Kampagne gegen Mumia sagte in einem CBS Interview: "I will keep Mumia Abu Jamal in prison until he is six feet under" (dt. Übersetzung: "Ich werde Mumia im Gefängnis behalten, bis er 6 Füße unter der Erde liegt").
Die Unterstützer*innen von Mumia Abu-Jamal am Ende der Kundgebung kündigten an, am 16. Dezember vor das Gericht in Philadelphia zurückzukehren. Sie betonten, dass es jetzt darauf ankomme, der Justiz nicht zu erlauben, Mumias Gerichtsfall erneut zu schliessen und seine Zellenschlüssel wegzuschmeißen, wie es die extreme Rechte in den USA verlangt. Der Rassismus in der Juryauswahl darf nicht auch noch unter den Tisch gekehrt werden. Außerdem: Mumia ist von den Haftbedingungen inzwischen gesundheitlich sehr angegriffen. Freiheit ist die einzige Medizin, wie auf mehreren Transparenten zu sehen war.
Länderübergreifen wird Freitag, der 9. Dezember zum Aktionstag für die Freiheit von Mumia werden. Denn das ist dann der 41. (!) Haftjahrestag. Auch in der BRD wird es Aktionen geben. In Berlin wird bereits eine Demonstration für den frühen Abend des 9. Dezembers vorbereitet. Details dazu bald auf https://mumia-hoerbuch.de/
Das Bundesweite Free Mumia Netzwerk hat in Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe e.V. eine 22-seitige A5-Broschüre erstellt, in der es um die konkreten juristischen Details in Mumias Verfahren geht. Diese Broschüre heisst "Tatortbesichtigung" und ist für 1 Euro + Porto per E-Mail (NOSPAMinfo@mumia-hoerbuch.de) bestellbar. Sie könnte auf jedem Infotisch der kommenden Wochen in diesem Land liegen ...
FREE MUMIA - Free Them All!
Ergänzungen
weitere Bilder von der Kundgebung
weitere Bilder vom Free Mumia Protest vor dem Unteren Prozeßgericht in Philadlephia am 26. Oktober 2022
Lesung „Aus dem Herzen der Bestie" - Gefängnistexte von Mumia Ab
Sa. 5.11.2022 - Nürnberg, Kulturwerkstatt Auf AEG - 14:00 Uhr
Lesung: „Aus dem Herzen der Bestie" - Gefängnistexte von Mumia Abu-Jamal
Mit Übersetzer, Herausgeber und Autor Dr. Michael Schiffmann
Lesung im Rahmen der Linken Literaturmesse
Eine Veranstaltung der Gruppe „Free Mumia–free them all“ Nürnberg
Kulturwerkstatt Auf AEG
Fürther Straße 244 d
90429 Nürnberg
Außerdem während der Linken Literaturmesse Mumia-Info-Stand zu dem politischen Langzeit-Gefangenen, revolutionären Journalisten und schwarzenAktivisten im Centro Español e. V.-Treffpunkt.
https://freiheit-fuer-mumia.de/
Lesung: „Aus dem Herzen der Bestie" - Gefängnistexte von Mumia A
Sa. 5.11.2022 - Nürnberg, Kulturwerkstatt Auf AEG - 14:00 Uhr
Lesung: „Aus dem Herzen der Bestie" - Gefängnistexte von Mumia Abu-Jamal
Mit Übersetzer, Herausgeber und Autor Dr. Michael Schiffmann
Lesung im Rahmen der Linken Literaturmesse
Eine Veranstaltung der Gruppe „Free Mumia–free them all“ Nürnberg
Kulturwerkstatt Auf AEG
Fürther Straße 244 d
90429 Nürnberg
Außerdem während der Linken Literaturmesse Mumia-Info-Stand zu dem politischen Langzeit-Gefangenen, revolutionären Journalisten und schwarzenAktivisten im Centro Español e. V.-Treffpunkt.
https://freiheit-fuer-mumia.de/
Mumia Abu Jamal Denied New Trial by Common Pleas Court: Racism R
On October 26, 2022, a proposed order denying Mumia Abu-Jamal’s constitutional claims of jury bias and suppressed evidence was issued by Common Pleas court Judge Lucretia Clemons.
Abu-Jamal’s defense petition included newly discovered evidence that had been buried in the prosecutor’s own files. This evidence documented key witnesses receiving promises of money for their testimony and evidence of favorable treatment in pending criminal cases. The petition also documented the abhorrent and unconstitutional practice of striking Black jurors during Mumia’s original trial.
Racism remains the ELEPHANT in the room.
“I am going to help them fry the n---word” --Original trial court Judge Albert Sabo said this in front of court clerk Terri Maurer Carter and fellow Common Pleas Court judge Richard Kline during the first week of Mumia’s 1982 trial.
Philadelphia ADA Jack McMahon made the policy clear in a 1986 training tape stating that getting “a competent, fair and impartial jury. Well, that's ridiculous,'…“You don't want smart people. But if you're sitting down and you're going to take Blacks, you want older Blacks."
If you put thick blinders on that block out all reality and rely on procedural minutia for cover, honestly, it is still *impossible* to avoid the scorchingly blatant racism of trial judge Albert Sabo, Assistant District Attorney Joseph McGill, Mayor and former police chief Frank Rizzo, District Attorney during Mumia’s trial Ed Rendell, and Ron Castille DA on appeal.
Yesterday, Judge Lucretia Clemons in her oral statements from the bench continued a common practice of adopting wholesale the Philadelphia District Attorney’s positions. These positions only seek to preserve convictions at all costs. These arguments prevent the defense from putting on the record evidence of discrimination. PCRA procedural rules such as time bar, due diligence, waiver, previously litigated, all avoid a judicial review of the merits.
The racism is so transparent and indefensible so the DA is using court created law to dismiss cases before hearing new suppressed evidence. This is a blatantly dishonest practice routinely used by the prosecution and the courts when everyone knows, and I mean everyone knows, that racism was a hallmark of the original trial.
Striking Blacks from the Jury
Judge Clemons stated that she was dismissing the claim of striking Black jurors on procedural grounds, without addressing the merits of the claim. She suggested that former counsel for the defense had not sought prosecutor McGill’s previously buried notes (notes that highlight his impermissible race based tracking and discrimination). Clemons adopts the prosecution position that the defense had the opportunity to receive these notes by merely asking the prosecution or cross examining ADA McGill in prior court proceedings. This is a key and deliberate misreading of the record. At no time were these crucial notes and the motivations that guided ADA McGill ever available to the defense. McGill struck Black jurors at a 71% rate, significantly higher than the strike rate for white jurors. His reasons for seating some white jurors and not seating nonwhite jurors were not on the record, they were in his notes.
One only has to look at the McMann training tapes that were made by the Philadelphia DA’s office which instructed district attorney’s how to strike black jurors. These were made after Mumia’s trial but they document the practice which was the norm in the office. This is the context for this ruling which misstates the record and ignores the reality in these Philadelphia courtrooms. Judge Lucretia Clemons and her law clerks complained on the record about how long it took them to find Pennsylvania cites to bolster their opinion. Why is Judge Clemons working so hard to avoid the elephant in the room?
Suborning Perjury: Paying Witnesses
Additionally, at issue is the note from supposed “eye witness” Robert Chobert that asked ADA McGill after the trial “where is the money that is owe to me?” This note was scrubbed from any filings and buried by the prosecution for 40 years. This dramatic “Brady evidence” previously unavailable to the defense, was dismissed by the Judge in her written opinion as not “being material.” Meaning it would not have affected the jury’s verdict. Underlying this is the wholesale adoption of the credibility determinations of the original trial court judge Albert “I am going to help them fry the n---word” Sabo. It allows his racist tainted rulings to stand.
She also dismissed records from ADA McGill that extensively track and monitor another key witness Cynthia White, who’s pending criminal cases were ALL were dropped by the prosecution following her testimony. How can the court ignore the context. Note this information which follows had been previously prevented from being added to the record by Albert Sabo and other judges on appeal:
Photos from the Philadelphia Bulletin that prove Robert “I was on probation, did not have a license to drive a cab, and threw a Molotov cocktail into a school for pay” Chobert was not parked at the scene of the shooting. Chobert could not have witnessed the shooting. He was NOT parked directly behind the officer’s car as he claimed to be. The answer is: because the PCRA (Post Conviction Relief Act) allows the dismissal of this critical evidence through by time bar.
Finally, Judge Lucretia Clemons admonished the defense to limit their briefs challenging her proposed ruling to cite Pennsylvania law. It is commonly understood here, rather than being the birthplace of liberty, Pennsylvania is the place where the US Supreme Courts constitutional standards for criminal defendants are the very last place to be honored.
This case proves that racism reigns unabated in the American justice system, Mumia Abu-Jamal is the canary in the coal mine.
Judge Clemons’ 31pg proposed opinion will be available today, 10-27-22. The Defense has 20 days to reply, and prosecution given 10 additional days to respond before the court’s order dismissing Mumia’s request for a new trial becomes final and appealable.
Mumia Abu-Jamal has spent 42 years in prison for the death of Philadelphia Police officer Daniel Faulkner on Dec. 9th 1981. He has maintained his innocence and has sought his freedom by appealing to the very courts that now seek to preserve his unjust and unconstitutional conviction. At age 67 he has spent 42 years in prison.
Mumia Abu-Jamal is a broadcast journalist and internationally recognized author. Mr. Abu-Jamal is serving a life sentence at SCI Mahanoy in Pennsylvania. He is the author of 13 books, holds a Master’s degree in Comparative Literature and is currently working on the requirements to complete a PhD in the History of Consciousness Department at University of California Santa Cruz.
Noelle Hanrahan, Esq. nhanrahanlaw@gmail.com 001-415-793-7958 www.Prisonradio.org
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Cuando luchamos ganamos, When We Fight, We Win
Co director Prison Radio www.prisonradio.org
Noelle Hanrahan, Esq. P.I. She specializes in research and interviews for civil and criminal defense investigations. A member of the Pennsylvania Bar she is also a licensed private investigator in Philadelphia. Ms. Hanrahan has a B.A. from Stanford University, and an M.A. in Criminal Justice, from Boston University, and a J.D. from Rutgers University Law School.
Guardian darüber
Artikel vom Gerichtstag selbst, also noch nicht mit dem Ergebnis,aber mit den juristisch umkämpften Punkten:
Ex-Black Panther asks for fresh trial amid new evidence (October 26, 2022)
https://www.theguardian.com/us-news/2022/oct/26/ex-black-panther-mumia-a...
dt. Übersetzung von Noelle Hanrahans Artikel
(leonardpeltier.de) Mumia Abu-Jamal wird ein neues Verfahren verweigert - dt. Übersetzung von Noelle Hanrahans Artikel https://www.leonardpeltier.de/11261-mumia-abu-jamal-wird-ein-neues-verfa... (28.11.2022)