Briefpost an alle Polizeiabschnitte Berlins: Adbuster:innen haben einen Darf-Schein

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Immer wieder beschäftigte sich das Berliner LKA in den letzten Jahren mit der Verfolgung von Adbustings. Sie durchsuchten Häuser [1], erstellten Anzeige wegen besonders schweren Diebstahls [1] oder wegen Sachbeschädigung und untersuchten Poster eifrig nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren [2]. Doch die Mühe war umsonst: Alle Verfahren endeten in Einstellungen. Besonders auffällig war die Antwort einer Berliner Staatsanwältin im Mai 2020 auf die Anregung einer Hausdurchsuchung. [3] Adbusting sei in diesem Fall nicht strafbar gewesen. Aus diesen Aktenauszügen hat die Gruppe "Polizei abschaffen" nun einen Darf-Schein gebastelt, der allen Adbuster:innen zur freien Verfügung steht. Damit die Polizei nicht behaupten kann, sie hätte von nichts gewusst, wurde dieser Schein mit einem freundlichem bürokratischem Anschreiben allen Abschnitten der Berliner Polizei zugesendet.

Festnahme in Alt-Tegel
Im Mai 2020 wurde eine Person beim Adbusten in Alt-Tegel von einem Zivilpolizisten erwischt und festgenommen. [4] Die Adbustings sollten damals mehr Aufmerksamkeit für eine Serie an gefälschten Bürgermeister:innenschreiben aus diesem Ort bringen. In den zwei Fälschungen kritisierte sich der Reinickendorfer Bezirksbürgermeister zuerst scheinbar selbst für seinen Militarismus. In der zweiten Fälschung dementierte er dann die netten Aussagen der ersten auf das härteste. Um dieser Aktion mehr Öffentlichkeit zu verschaffen, brachte eine Gruppe an Adbuster:innen komplett eigens gefertigte Plakate mit, die auf das Indymedia-Posting der falschen Bürgermeister:innen verlinkten. Eben dabei wurde eine Person erwischt.

Strafbarkeit scheidet aus
Das Verfahren wurde allerdings nach nicht einmal einem Monat eingestellt. Nach Beantragung der Akte stellte sich heraus, dass die Berliner Staatsanwältin Grenz die Nummer nicht für strafbar hielt: "Eine Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls durch das Abhängen der ursprünglich im Schaukasten befestigten Plakate scheidet bereits aus, da die Plakate hinter dem Kasten versteckt aufgefunden wurden. Eine Zueignungsabsicht kann daher nicht festgestellt werden." [3] Somit war der Vorwurf des Diebstahls entkräftigt, doch auch eine Sachbeschädigung konnte die Staatsanwältin nicht erkennen: "Auch waren die ursprünglich befestigten Plakate noch intakt, sodass eine Sachbeschädigung allein im Sinne des Abs. 2 nicht in Betracht kommt." Das Verfahren war daher ohne weitere Ermittlungen einzustellen.

Darf-Schein zur freien Verfügung
Das komplette Schreiben der Staatsanwältin befindet sich im Anhang. Die Gruppe "Polizei abschaffen" hat daraus einen Darf-Schein gebastelt, den Adbuster:innen nun nach belieben benutzen können, um eine drohende Festnahme mit der Macht des Gesetzes zu unterbinden (siehe Bild im Anhang). Lars Darfs, Mitglied der "Polizei abschaffen", sagt zu dem Schein: "Wenn die Cops künftig trotz Vorlage dieses Dokuments mit ihren Verhaftungen weiter machen, zeigen sie damit ihr wahres Gesicht. Der Grund für die Repression ist schließlich nicht das Gesetz, sonst wären die Verfahren nicht alle eingestellt. Der tatsächliche Grund ist politischer Natur."

Polizei ist beleidigt
In der Tat kann man sich fragen, warum das Berliner LKA sich so ehrgeizig an den Adbuster:innen festbeißt. Dass Spielchen wie die Inszenation des Adbustings als besonders schweren Diebstahl nicht funktionieren, durften die Staatsschützer des LKA 521 schon im Dezember 2019 von Staatsanwältin Eppert erfahren. [5] Der Beschluss von Frau Grenz ist also kein Einzelfall, die Justiz hat die Lust an Verfahren über Adbuster:innen schon lange verloren. Das Interesse der Polizist:innen ist stattdessen ein ganz persönliches. Dazu schreibt die "Polizei abschaffen" im ersten Absatz ihres Schreibens an die Polizist:innen: "Ein aktuelles Beispiel [von Adbustings], welches offenbar große Betroffenheit in Ihren Reihen ausgelöst hat, sind Adbustings zur Werbekampagne '110% Berlin'. Mit dieser sollte ursprünglich das Image des hiesigen LKA aufpoliert werden. Auf den Adbustings standen dann aber Sprüche wie: 'Die Waffen der Polizei? Lügen, Gewalt, Rassismus', oder: 'Wir sind #Nazinetzwerk - nur größer'. Herr Benjamin Jendro, Pressesprecher der GdP, schrieb dazu in einer emotionalen Affekthandlung auf Twitter: 'Das ist keine Meinungsäußerung, sondern perfide, menschenverachtend und armselig'." Dass Herr Jendro im erwähnten Tweet [6] die beleidigte Leberwurst spielt, dürfte wohl bei seinen Kolleg:innen ähnlich sein. Kein Wunder, dass sie bei der Verfolgung von Adbustings so motiviert sind.

Fragwürdige Verfassungsmäßigkeit
Im nächsten Absatz berichtet die "Polizei abschaffen" über "ähnliche Nervenzusammenbrüche im Zusammenhang mit Adbustings", wie die hoffnungslosen Hausdurchsuchungen oder die verzweifelten Untersuchungen nach DNA-Supren. Weiterhin weist die Gruppe auf die peinliche Öffentlichkeitswirkung solcher Vorhaben hin und benennt dabei Artikel in Medien des Jura-Bildungsbürgertums wie dem Legal Tribune Online [1] oder dem Verfassungsblog [7]. Hier äußerten sich Jurist:innen kritisch zu den Handlungen der Polizei und stuften sie als nicht verfassungskonform ein. In den Worten des Schreibens der "Polizei abschaffen": "Die Verfassungsmäßigkeit solcher vorwiegend durch Ihre rechte Gesinnung motivierten Idiotien ist mehr als fragwürdig."

Polizei kann aufgeben
Dann informiert die "Polizei abschaffen" über die Sinnlosigkeit der angestrengten Bemühungen des Berliner LKA. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass alle Verfahren der letzten Jahre zum Thema Adbusting eingestellt wurden. Dann führt die Gruppe den Beschluss der Staatsanwältin Grenz ein, der dem Anschreiben beiliegt. Lars Darfs erklärt: "Sie sollen sich klar werden, in welchem Rahmen sie agieren, wenn sie uns verfolgen. Nicht einmal die bürgerlichen Jura-Zeitungen haben sie bei diesem Vorhaben auf ihrer Seite, geschweige denn die eigene Staatsanwaltschaft. Eigentlich wäre es zu ihrem besten, würden sie direkt aufgeben."

Jendro überschätzt die Handlungsmöglichkeiten
Dies wird im nächsten Absatz bestärkt. Dort wird eine andere Stelle des Jendro-Tweets zitiert: "Kann nicht sein, dass das stärkste Mittel des Rechtsstaates gegen solche Perversion das Kunsturheberrecht ist." [6] In diesem Ausdruck von Perspektivlosigkeit überschätzt Jendro die Perspektiven allerdings immer noch. So steht im Schreiben weiter: "Prof Dr. Christian Hentsch von der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht sieht im Adbusting 'in der Regel richtigerweise keine Urheberrechtsverletzung'. [...] Er weist auf die stets nötige Interessenabwägung zwischen den Urheberrechten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung hin: 'Werbung für Bundeswehr und Polizei im öffentlichen Raum muss sich wegen ihrer exponierten gesellschaftlichen Bedeutung mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht, Europäischem Gerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine kritisch-politische Auseinandersetzung gefallen lassen.'"

"Polizei abschaffen" hat Mitleid
Zum Schluss schreibt die Gruppe: "Wenn Sie Menschen unabhängig von der Gesetzeslage überfallen, weil sie linke Meinungen vertreten, könnte dies den Mythos des 'Einzelfalls' bezüglich Nazis in Ihren Reihen weiter erodieren. Wir möchten Ihnen an dieser Stelle unser herzlichstes Beileid aussprechen. Nur schwer können wir uns vorstellen, wie hart es sein muss, mit dem Knüppel nicht immer beherzt auf alles und jede eindreschen zu können, die in das in den aktuellen Schlagzeilen vielfach dokumentierte Weltbild Ihres Vereins nicht hinein passen." Dabei beziehen sie sich auf die scheinbar endlosen Entdeckungen von "Nazichats" und verdächtigen Datenbankanfragen im Zusammenhang mit dem "NSU 2.0". "Dass die Teilnahme deutscher Repressionsbehörden an rechtem Terrorismus mit dem NSU 1.0 nicht ihr Ende gefunden hat, ist keineswegs überraschend", findet Lars Darfs: "Rassismus, Antisemitismus und Sexismus stehen in deutschen Behörden in Tradition. Wir können natürlich nicht darauf hoffen, dass sich die Faschisten selbst abschaffen. Die Auflösung der deutschen Gewaltorgane wäre gerade mal der erste Schritt."

[1] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting...
[2] https://www.rote-hilfe.de/77-news/1059-adbusting-dna-analyse-wegen-verae...
[3] https://de.indymedia.org/node/91134
[4] https://de.indymedia.org/node/80655
[5] https://de.indymedia.org/node/118821
[6] https://twitter.com/Djeron7/status/1311296266463318019
[7] https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschu...

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Ergänzungen

Damit ist klar: Die Polizei hat bezüglich von Adbusting keine (eigene) Motivation bzw. keinerlei Ehrgeiz zu entwickeln, welche(r) über dem Gesetz steht! Nicht weniger hat Staatsanwältin Grenz mit der Einstellung (Paragraph 170 (2) StPO) des Verfahrens zum Ausdruck gebracht. Das diesbezügliche agieren der GdP erinnert mich an die Diskussion um das Jahr 2000: Die Polizeigewerkschaft hielt die Observation von Sprayern an legalen Graffiti-Freiflächen (z. B. in Hessen) für dringend erforderlich, zu einem Zeitpunkt, als alle Parteien hier Zurückhaltung von der Polizei einforderten; der Begriff der - durch die Polizei - ad absurdum-geführte Kriminalprävention machte hier die Runde.