>Weitestgehend Friedlich<
Neonaziaufmarsch in Göttingen verhindern. - Antifa, wir dürfen das!
Am 10. September 2016, einen Tag vor den Kommunalwahlen in Niedersachsen plant die NPD einen Neonaziaufmarsch in Göttingen durchzuführen. Verstärkt wird der eigentlich handlungsunfähige Unterbezirk durch die seit einem Dreivierteljahr aktive Neonazikameradschaft „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“. Deren Anführer Jens Wilke tritt für die NPD als Landratskandidat an.
Für die antifaschistische Hochburg Göttingen ist es der erste Aufmarschversuch seit über einem Jahrzehnt. Vor elf Jahren wurde der letzte Versuch der NPD durch den offensiven Einsatz von 4.000 AntifaschistInnen zunichte gemacht. Im darauffolgenden Jahr gelangen den Neonazis wegen des antifaschistischen Bedrohungsszenarios lediglich zwei stationäre Kundgebungen am Bahnhofsvorplatz. Wieder stellten sich den Neonazis Tausende entgegen. Damals erklärte der NPD-Landesvorsitzende Adolf Dammann Göttingen zur „Frontstadt“. Kürzlich sprach sein Parteikollege Thorsten Heise davon den Kommunalwahlkampf in der „Kampfstadt Göttingen“ führen zu wollen. Die historische Bedeutung liegt nicht nur in den kläglichen Versuchen der Faschisten durch die Stadt zu marschieren, sondern vor allem auch darin, dass ein offensiver Antifaschismus dazu geführt hat, dass sie sich ein Jahrzehnt lang nicht mehr getraut haben, es erneut zu versuchen!
Dass sie es in diesem Jahr wieder versuchen, liegt vor allem an Polizei, niedersächsischem Verfassungsschutz, lokalen Ordnungsämtern und Justiz, die NPD und den Neonazi-„Freundeskreis“ lange hofiert und mit martialischen Aufgeboten und Prügelorgien den Weg frei geräumt haben. Der neue Polizeipräsident Uwe Lührig hat schon beim ersten Mal, als die Nazis in diesem Jahr am 21. Mai eine Kundgebung am Bahnhof abhielten, gezeigt, dass es den politischen Willen gibt, Faschisten in Göttingen antreten zu lassen und welche Mittel ihm dazu recht sind. Am 31. Juli ließ er sie von einem Konvoi zu ihrem Kundgebungsplatz geleiten und begleitete sie anschließend auf gleiche Weise wieder aus der Stadt heraus. Seit einem Monat werden wöchentlich 600 Polizisten aufgefahren, um 30 Neonazis zu schützen. Während die NPD erst im September aufmarschieren will, marschiert der Polizeistaat schon seit vier Monaten auf.
Was passiert, wenn Neonazis sich ohne massiven Polizeischutz in die Stadt trauen, haben Jens Wilke und seine Kameraden am eigenen Leib zu spüren bekommen, als sie bei einem Besuch in Göttingen am Sonntag den 14. August von AntifaschistInnen angegriffen wurden. Wilke scheint im Übrigen völlig den Bezug zur Realität verloren zu haben: Im Anschluss versuchte er die Schellen, die er bekam auch noch als Sieg zu verkaufen. Am darauffolgenden Freitag wollten sich dann auch nur noch vier Kameraden mit ihm am Bahnhof versammeln. Drei bereits angemeldete Kundgebungen in den Wochen vor dem 10.9. sagten sie wieder ab. Stattdessen werden nun „Lautsprecherfahrten“ genutzt um „deutsche Bürger“ zu erreichen. Bei denen kommt aufgrund der schlechten Lautsprecherqualität nichts an als die unverständlichen Wortfetzen zweitklassiger Göbbels-Imitatoren. Für die Neonazis liegt der Vorteil jedoch auf der Hand: Im Gegensatz zum Flugblätter-Verteilen sitzt man bereits im Fluchtwagen. Wiederholt kam es während der Fahrten zu spontanem Protest Göttinger AnwohnerInnen, die die NPD lauthals und zum Teil auch aktionsorientiert zum Teufel wünschten. Die betroffenen Kameraden stellten mehrmals durch den Griff zu mitgeführten Eisenstangen die eigene Unsicherheit in der „Kampfstadt“ zur Schau.
Für den 10.09 haben sich die Neonazis deshalb Verstärkung aus Thüringen und Sachsen geholt. Mit David Köckert (Thügida) und Alexander Kurth (Legida) fühlen sich die Neonazis im Raum Südniedersachsen nicht nur ideologisch verbunden. Es wird auch die gleiche Strategie verfolgt. Rechte Mobilisierungen sollen mit vielen Kundgebungen und schließlich Aufmärschen die roten Hochburgen Leipzig, Jena und Göttingen knacken. Die im Raum Göttingen aktiven Strukturen von Neonazi-„Freundeskreis“ und NPD sind dabei das schwächste Glied der Kette, eine breitere Mobilisierung rechtsoffener Milieus gelingt ihnen nicht. Aufgrund der Kontakte nach Thüringen und Sachsen, und dem Seltenheitscharakter eines Aufmarsches in Göttingen ist am 10.9. dennoch mit einer ernstzunehmenden Anzahl Neonazis zu rechnen.
Straßenblockaden, Wasserbomben, Obst, Steine und dreißig brennende Barrikaden haben am 29. Oktober 2005 dafür gesorgt, dass die Faschisten nicht laufen konnten und auch die Polizei nicht in der Lage war ihnen den Weg frei zu prügeln. Sympathisierende AnwohnerInnen reichten den auf der Straße aktiven Antifas Getränke. Damit es die Faschisten auch in diesem Jahr nicht schaffen in Göttingen zu marschieren, damit wir für das nächste Jahrzehnt Ruhe vor ihnen haben und damit Göttingen für sie weiterhin antifaschistisches Sperrgebiet bleibt, ist es notwendig ihnen am 10.9.2016 entschieden entgegen zu treten.
Im Raum Göttingen haben dafür viele Menschen bereits eine starke Vorarbeit geleistet. Allgemein erhält der lokale Antifaschismus durch die Konfrontation mit tatsächlichen Neonazis eine starke Dynamik. In der Fläche gründeten sich mehrere „Bündnisse gegen Rechts“, die den Neonazis sehr deutlich machen, dass sie selbst im ländlich geprägten Umland Göttingens auf wenig Gegenliebe stoßen. In Göttingen selbst gelang zum ersten Mal eine Platzbesetzung, die durch das lokale „Bündnis gegen Rechts“ getragen wurde. Viele DemonstrantInnen trotzten der Kälte und nahmen den Neonazis durch das nächtliche Aufschlagen von über vierzig Zelten ihren Kundgebungsplatz. Eine verhasste Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der Polizei wurde während eines ruppigen Einsatzes von erbosten AntifaschistInnen aller Generationen kurzerhand eingekesselt und musste sich danach selbst von ihren KollegInnen befreien lassen. In der Lokalzeitung können die GöttingerInnen alle paar Tage über die neuste brandbedingte Verkleinerung des Nazi-Fuhrparks, Äxte in Nazi-Türen oder entführte Nazi-Roller lesen. Den Neonazis setzt dieses Zusammenwirken der unterschiedlichen antifaschistischen Widerstandsformen derbe zu. Polizei und Ordnungsfreunde schäumen vor Wut, im niedersächsischen Innenministerium ist die „linke Hochburg“ Göttingen wieder einmal Chefsache.
Als AntifaschistInnen, die sich der Geschichte und der aus ihr erwachsenden Verantwortung bewusst sind, sprechen wir den Neonazis grundsätzlich das Recht ab ihre Hetze in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn diese Hetze hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Der Widerstand gegen ihn legitim. Unsere Antwort auf die Frage „Darf man das?“, ist ein klares „Antifa, wir dürfen das!“.
Wir laden deshalb alle AntifaschistInnen ein gemeinsam mit uns den Neonaziaufmarsch „weitestgehend friedlich“ zu verhindern. Wir rufen euch auf dabei beherzt und mit Augenmaß alle Mittel einzusetzen, die dafür notwendig sind!
Antifaschistische Linke International >A.L.I.<
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