Vor Pegida-Publikum: Maier beschwört „Selbstreinigungsprozess“
Der Ton wird rauer: Jens Maier hat sich mit dem Neonazi Andreas Kalbitz solidarisiert, der am Freitag seine Parteimitgliedschaft verloren hat, und bei Pegida das Aus des AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen gefordert. Die Rede ist von „Verrat“.
Schelte für Meuthen
Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier hat das Ende Jörg Meuthens als Parteivorsitzender gefordert. „Es wird jetzt zu einem Selbstreinigungsprozess kommen“, sagte der Politiker am frühen Montagabend bei einer Pegida-Versammlung in Dresden. „Wir haben das ja schon zweimal durch, mit Lucke durch, mit Petry durch, das werden wir jetzt auch wieder überstehen.“ Bernd Lucke und Frauke Petry, zwei der Vorgänger Meuthens an der Bundesspitze, waren 2015 und 2017 nach Richtungskämpfen innerhalb der Partei geschasst worden. Wie sie vermöge es Meuthen nicht, „die verschiedenen Strömungen in unserer Partei zusammenzuführen“. Er sei daher „als Bundessprecher nicht geeignet“, sagte Maier vor rund 300 Menschen, weniger als üblich.
Bei der kurzen, frei gehaltenen Rede handelte es sich nicht um den ersten Pegida-Auftritt, aber um das erste öffentliche Statement des ehemaligen Flügel-Obmanns Maier zum Mehrheitsbeschluss des AfD-Bundesvorstands am vergangenen Freitag, die Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz zu annullieren. Er sei von diesem Ergebnis „enttäuscht“ und schäme sich, so der 58-Jährige. Mit seinem ehemaligen Parteifreund solidarisierte er sich ausdrücklich, Kalbitz sei „einer der erfolgreichsten Politiker“ der AfD gewesen. „Den Mann jetzt rauszuwerfen, das ist Verrat, Verrat an unserer Idee.“ Die Diktion ist bekannt, Björn Höcke hatte bereits am Samstag in einem Videostatement von „Verrat“ gesprochen. Maiers Rede wurde mehrfach durch „Kalbitz, Kalbitz“-Sprechchöre und „Meuthen raus“-Rufe übertönt.
Auf die Gründe des Ausschlusses ging Maier nicht ein. Kalbitz war Anfang der Neunzigerjahre Mitglied der extrem rechten Republikaner und über einen langen Zeitraum Anhänger, mutmaßlich sogar Mitglied der 2009 verbotenen Neonazi-Organisation Heimattreue deutsche Jugend (HDJ) gewesen. Beides soll er verschwiegen haben, als er 2013 der AfD beigetreten ist – ein Verstoß gegen die Satzung der Partei. Auch danach hat Kalbitz mehrfach unvollständige und falsche Angaben gemacht, nach wie vor bestreitet er, bei der HDJ ein Mitglied „im juristischen Sinne“ gewesen zu sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dagegen nach eigenen Angaben im Besitz einer HDJ-Mitgliederliste, die den Namen Kalbiz aufführt und ihm eine Mitgliedsnummer zuweist.
Lob für Chrupalla
Nach Einschätzung Maiers, der bis zu seinem Einzug in den Bundestag im Herbst 2017 Richter am Landgericht Dresden war, werde die Entscheidung der Parteispitze juristisch keinen Bestand haben, so dass Kalbitz in die Partei zurückkehren könne. Das Vorgehen Meuthens, der die Entscheidung vorangetrieben hat, deutete er als einen Versuch, den bei Wahlen erfolgreichen Ost-Verbänden „Knüppel zwischen die Beine“ zu werfen. „Welche Erfolge haben die denn im Westen bisher gehabt?“, fragte er. Die kürzlich auf Druck des Bundesvorstands erfolgte Auflösung des verfassungsfeindlichen Flügels war unter anderem durch Kalbitz als eine „Generalattacke gegen den Osten“ bezeichnet worden. Allerdings ist die Grenzziehung nicht so einfach: Kalbitz, Höcke und Maier kommen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Bremen.
Ausdrücklich gelobt hat Maier gestern seinen Bundestagskollegen Tino Chrupalla, der aus Sachsen stammt und neben Jörg Meuthen der zweite, gleichberechtigte Bundesvorsitzende der AfD ist. Dieser habe „einen guten Job“ gemacht. „Er hat unsere Interessen vertreten, er vertritt den Osten.“ Chrupalla war mit Unterstützung des Flügels und auch persönlicher Fürsprache Maiers in den Bundesvorstand aufgestiegen, am Freitag hat er gegen den Kalbitz-Ausschluss gestimmt und das mit rechtlichen Bedenken begründet. Erst vor zwei Monate drohte Chrupalla noch in Ungnade des Flügels zu fallen, weil er der Auflösung der Höcke-Strömung befürwortete. Maier hat das ausdrücklich kritisert, dem Bundesvorstand aber damals zugute gehalten, „unter erheblichem Druck durch den Verfassungsschutz“ zu stehen.
Eine Auswirkung desselben Drucks ist auch die neue Entscheidung gegen Kalbitz, auf die Maier aber nicht mit der gleichen Nachsicht reagiert. Meuthen befürchtet insbesondere eine Ausweitung der Verfassungsschutz-Beobachtung auf die Gesamtpartei und das Stigma des „Rechtsextremismus“, wenn keine deutliche Abgrenzung zum rechten Rand erfolgt. Neben dem absehbaren Imageschaden wären dann bereits lange vor der Bundestagswahl 2021 alle Koalitionsoptionen für die AfD praktisch ausgeschlossen. Sowohl Meuthen, als auch Chrupalla erwägen Spitzenkandidaturen im kommenden Jahr – jedoch keinesfalls miteinander.