Leipzig: Aktivist*innen errichten Grenze vor SPD-Wahlkreisbüro

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Am heutigen Mittwoch, 14.10.2015 haben Leipziger Aktivist*innen mit einer ungewöhnlichen Form des Protests ihre Stimme gegen die geplante Asylrechtsverschärfung erhoben: Sie errichteten einen kleinen Grenzzaun vor der Tür des Wahlkreisbüros der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe. Diese hatte bereits in der letzten Asylrechtsverschärfung im Juli mit "Ja" gestimmt. Die Gruppe veröffentlichte eine Stellungnahme, in der sie das Sichere-Herkunftsstaaten-Paradigma kritisierte und die SPD aufforderte, eine politische Grenze nach rechts zu ziehen.

 

Bei der Aktion wurde die Tür des Büros der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe mit einem Zaun blockiert, sodass deren MitarbeiterInnen zunächst nicht ins Gebäude gelangen konnten. Der Zaun war, wie auf dem untenstehenden Foto zu sehen, mit Draht und einem Plakat folgender Aufschrift versehen: "Stop! Sie kommen aus einem sicheren Herkunftsstaat! Sie wollen nur zum Arbeiten hier hinein."

Der Anlass für die Polit-Aktion war die Abstimmung im Bundestag und Bundesrat über das sog. Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz am Donnerstag, 15.10. und Freitag, 16.10. Dieses beinhaltet zahlreiche Einschränkungen der Rechte und Lebensbedingungen von Asylsuchenden, unter anderem für Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“.

 

Die Aktivist*innen veröffentlichten folgende Stellungnahme zu der Aktion:

 

„In der Bundesrepublik Deutschland werden Geflüchtete in den letzten zwei Jahren immer stärker in zwei Kategorien aufgeteilt. In immer mehr Lebensbereichen wird unterschieden zwischen angeblich „guten“ und „schlechten“ Schutzsuchenden, zwischen „Syrern“ und „Wirtschaftsflüchtlingen“, zwischen solchen, die jung und gut ausgebildet sind und nach 6 Monaten Deutsch können und denen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Im Asylverfahren geht es jedoch um die persönlichen Erlebnisse im Herkunftsstaat und um die Einhaltung der Menschenrechte. Eine pauschale Kategorisierung, z.B. nach Nationalität, hat hier nichts zu suchen.

Besonders kritisch sehen wir den schärfer und schärfer werdenden Umgang mit Menschen aus Balkanstaaten. Verfolgung bedeutet nicht nur Folter oder Todesstrafe – Verfolgung bedeutet auch Ausschluss von Gesundheitssystem, Bildungssystem, Arbeitsmarkt und Gesellschaft aufgrund der Zugehörigkeit zu den Rom*nija. Verfolgung bedeutet auch Todesdrohungen und Entführungen, weil man die staatlich getragene Korruption bei der Polizei angezeigt hat. Verfolgung kann es in jedem Staat geben. Das Recht auf Asyl muss bei allen Geflüchteten nicht nur pro forma, sondern ergebnisoffen geprüft werden.

Auch die Lebensbedingungen müssen für alle Antragsteller*innen gleich sein. Bis zur ordentlichen Entscheidung über den Asylantrag ist nicht klar, ob eine Person ein Recht auf Schutz im Sinne der deutschen Asylgesetzgebung hat – egal, welchen Pass sie besitzt. Sie darf nicht in gefängnisähnlichen Aufnahmelagern festgehalten werden oder durch das Ausgeben von Sachleistungen anstelle von Geld daran gehindert werden, sich eine Anwält*in zu nehmen.

 

Wir greifen mit unserer Aktion die Asylpolitik der SPD an, die nicht mehr sozialdemokratisch genannt werden kann. Die SPD und auch Daniela Kolbe stimmten im Juli dieses Jahres bereits der letzten Asylrechtsverschärfung zu. Die wenigen dort enthaltenen Verbesserungen, die Frau Kolbe für ausschlaggebend für ihre Zustimmung erklärte, werden durch das aktuelle Gesetz rückgängig gemacht. So wurde in der Asylrechtsverschärfung vom Sommer z.B. festgelegt, dass langjährig Geduldete einen Aufenthaltstitel erlangen sollen. Nun wird derselben Personengruppe (Geduldete, welche nach Behördeneinschätzung „ihre Abschiebehindernisse selbst zu vertreten haben“) ein Ausbildungs- und Arbeitsverbot ausgesprochen. Bis sie nach 6-8 Jahren also einen Aufenthaltstitel erhalten, sind diese Personen gezwungen, von Hartz IV zu leben. Dies ist eine Taktik, um Menschen zu zermürben und so trotz der dramatischen Umstände im Heimatland zu einer Ausreise zu bringen.

 Öffentlich distanziert sich Daniela Kolbe von der bayrischen Abschreckungspolitik und schlägt doch im selben Atemzug eine Abschreckung von Schutzsuchenden vom Balkan vor: „Das funktioniert, weil sie einfach von vornherein wissen, dass sie relativ zügig wieder ausreisen müssen.“ (http://www.mdr.de/mdr-info/fluechtlingsgipfel100.html)

Außenminister Steinmeier von der SPD behauptet, die Akzeptanz der Menschen in Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen könne nur erhalten werden, (…) wenn chancenlose Asylbewerber rasch Klarheit erhielten (http://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-kein-tabuthema-1.2601305). Er schließt sich mit dieser Aussage der rechten Darstellung an, dass die Ursache für Flüchtlingsfeindlichkeit bei den Flüchtlingen selbst zu suchen sei, anstatt bei deutschen Rassist*innen.

Insgesamt scheinen große Teile der SPD das Sichere-Herkunftsstaaten-Paradigma zu teilen!

 Die Länderberichte jedoch, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei seinen Entscheidungen über Asylanträge verwendet, bauen oft auf falschen Tatsachen auf. Sie beruhen nicht auf detaillierten Nachforschungen vor Ort oder sind veraltet. Auch in den Balkanstaaten sind beispielsweise zahlreiche Menschen ernsthaft von organisierter Kriminalität, die mit dem Staat zusammenarbeitet oder von diesem mindestens gebilligt wird, bedroht. Zahlreiche Krankheiten können überhaupt nicht behandelt werden, was durch direkte Nachfragen eines sächsischen Verwaltungsgerichts bei Krankenhäusern vor Ort bestätigt wurde. Es existiert zudem ein ernstzunehmender Anti-Romaismus durch Gesellschaft und staatliche Institutionen, der gerade in der deutschen Gesellschaft mit angemessener Aufmerksamkeit verfolgt werden sollte.

 Wir wenden uns mit unserer Aktion an Daniela Kolbe als SPD-Wahlkreisabgeordnete für Leipzig und nicht an die CDU, die das Gesetz maßgeblich vorantreibt. Der Grund hierfür ist, dass die SPD (und ihre Wähler*innen) sich im Gegensatz zur CDU grundsätzlich als eine Partei versteht, die soziale Verantwortung übernimmt, gerade gegenüber prekarisierten Gruppen.

 Wir verstehen nicht, wie Sie dies mit dem Gesetzesentwurf vereinbaren können, Frau Kolbe. Üben Sie Druck in Ihrer Partei aus, damit diese das Recht auf Sicherheit, Unversehrtheit und ein gutes Leben als ein unantastbares Gut unabhängig von Staatsangehörigkeit behandelt!

 Grenzen Sie sich als Politikerin und als Partei wieder deutlich von rechter Argumentation und rechter Realpolitik ab!“

 

 

 

 

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