Sachsen-Dunkeldeutschland: What a Week, Huh?
Blick aus Leipzig auf eine Woche Dunkeldeutschland in Sachsen. Wie wenig diesen Sächsischen Verhältnissen noch etwas entgegen gebracht werden kann, wird immer deutlicher.
Nach den Protesten gegen den Bundesparteitag der AfD in Riesa, gab es erstmal von allen Seiten mediale "Erfolgsmeldungen". Gegenprotest, AfD, Polizei und Politik erklärten noch am Wochenende wie zufrieden sie alle seien, alle Ziele und Pläne seien aufgegangen. Nachdem überregional geteilt wurde, dass Nam Duy Nguyen von der Linken von Cops aus Niedersachsen geschlagen wurde, bekam das Thema Polizeigewalt in Riesa kurz Raum, sogar im MDR (https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/grossenhain-riesa/polizei...). Die Grünen aus Sachsen, die in den letzten Jahren das Versammlungsrecht weiter eingeschränkt haben (https://versammlungsfreihe.it/) und als Regierungspartei nichts zu Aufklärung von Polizeigewalt in den letzten Jahren beigetragen haben, sprangen ebenfalls auf das Thema auf und forderteten Aufklärung, denn es ist Bundestagswahlkampf.
Der Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte zu den Protesten eine "unverhohle auf Verhinderung angelegte Protestkultur dürfe in unserer Gesellschaft nicht Schule machen", es ist der selbe Politiker, der vor einem Jahr die Bauernproteste lobte, auch mit ihren Blockaden auf den Straßen, da sie sich gegen die Ampel-Regierung richteten. Er sprach sogar selbst auf den Bauern-Protesten und stachelte diese weiter an. Obwohl in Sachsen die Beteiligung von Neonazis und weiteren Rechten hoch war und diese sogar eigene große Demonstrationen und Blockaden veranstalteten, nahm der Innenminister diese in Schutz und erklärte, es gäbe keine "Unterwanderung" der Proteste.
Die Gewalt in Riesa gegen friedliche Proteste war massiv, wie das Grundrechtekomitee dokumentierte: https://www.grundrechtekomitee.de/details/pressemitteilung-gegendarstell...
Während für Riesa noch eine bundesweite Mobilisierung zu beobachten war, scheint es für den Neonazi-Aufmarsch an diesem Wochenende in Chemnitz (https://www.chemnitz-nazifrei.de/themen/nazischemniz/c-the-unseen-rechte...) oder im Februar in Dresden, dies bisher nicht zu geben. Ebenso gibt es keinerlei kritische innerlinke Diskussion, weder von der "Zeit zu Handeln" - Kampagne (https://de.indymedia.org/node/471617 / https://knack.news/10998 / https://knack.news/10782), noch auf das Riesa-Wochenende.
Fragen die vor Riesa gestellt wurden (https://bsky.app/profile/antikalypse.bsky.social/post/3lezlhscxsc2h):
Was mich ja ernsthaft interessiert ist: Habt ihr den Eindruck, dass irgendeine all der Gegenstrategien -Outings, Blockaden, Massendemonstrationen, Wahlen, Petitionen, Grönemeyer usw.- in den letzten zehn Jahren den gewünschten Effekt hatte? Ich halte wenig davon, den Jüngeren vorzuwerfen, sie seien einfach nicht krass genug. Die Bedingungen sind ganz andere, die Restbewegung ist in Abwehrkämpfe verstrickt, der Repressionsdruck ist enorm, etliche Leute sind untergetaucht. Hier Massenmilitanz zu fordern, ist Nostalgie. Und zynisch. Aber ich frage mich schon, was in den Köpfen der Protestchoreographen so vorgeht. Z.B. Riesa. Dort soll der Bundesparteitag verhindert werden.
In Riesa sollen die Bundestagswahlkandidaturen beschlossen werden. Was passiert, wenn der Parteitag verhindert wird? Wird dann die Wahl verschoben? Viel wahrscheinlicher ist: Die Proteste werden, so sie überhaupt in die Nähe einer möglichen Verhinderung kommen, mit massiver Repression konfrontiert werden. Dazu lese ich nirgends ein Wort. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.Und ich frage mich auch, warum man nicht Zweck und Mittel abgleicht. Wäre nicht sinnvoller, die Deligierten an der Abreise aus ihren Heimatorten zu hindern? Wäre nicht zielführend, den Veranstaltungsort außer Betrieb zu nehmen? Oder geht es nur um Symbolpolitik und Gemeinschaftsgefühl? Das Gefühl, dass gar nicht mehr groß darüber nachgedacht wird, was man eigentlich womit erreichen will, verlässt mich immer seltener. Stattdessen werden Busse über Busse angekündigt. Wir waren irgendwann mal schlauer. Und das heißt nicht zwingend militanter.
Demokratische Machtübertragung an die Faschisten schreitet voran
In dieser Woche wurden auch Ausschüsse im sächsischen Landtag besetzt. In die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK - Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz) wurde erneut Carsten Hütter (AfD - https://idas.noblogs.org/?s=Carsten+H%C3%BCtter) von der CDU und dem BSW gewählt. In das Parlamentarische Kontrollgremium (Kontrolle im Auftrag des Landtag von polizeilichen Maßnahmen beim Abhören von Wohnungen und den sonstigen Einsatz technischer Mittel) wurde Sebastian Wippel (AfD - https://idas.noblogs.org/?s=Sebastian+Wippel) gewählt. Die AfD erhielt von der CDU den Vorsitz mit Alexander Wiesner (https://idas.noblogs.org/?s=Alexander+Wiesner) Alexander Wiesner zum Vorsitzenden des Justizausschusses gemacht. Wiesner hatte in seinem Büro die Neonazis Kurt Hättasch und Kevin Richter beschäftigt, denen der Generalbundesanwalt vorwirft Mitglieder der Rechtsterror-Gruppierung ‚Sächsische Separatisten‘ (https://knack.news/?s=S%C3%A4chsische+Separatisten) zu sein. Lars Kuppi erhielt den Vorsitz (https://idas.noblogs.org/?s=Lars+Kuppi) für den Innenausschuss und wurde vor ein paar Jahren sogar aus der rechten Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG) von Rainer Wendt geworfen (https://idas.noblogs.org/?p=2790). Holger Hentschel (https://idas.noblogs.org/?s=Holger+Hentschel) bleibt Vorsitzender des Finanzausschusses und Romy Penz (https://idas.noblogs.org/?s=Romy+Penz) Bildungsausschussvorsitzender.
Der rechte Umbau der Gesellschaft in Sachsen
In Sachsen stehen im Sinne der Rechten von CDU, AfD und BSW alle möglichen sozialen und kulturellen Einrichtungen vor dem Aus, sind bereits geschlossen oder haben ihren Mitarbeiter*innen kündigen müssen.
- Beratungszentrums für Essstörungen in Leipzig (https://archive.ph/pUPnq)
- Seit 1. Januar sind 18 Einrichtungen der Jugend- und Sozialhilfe in Dresden wegen fehlender Finanzierung geschlossen (https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/protest-... / https://www.addn.me/soziales/teilhabe-ist-nicht-verhandelbar-demonstrati... / https://www.tolerantes-sachsen.de/schliessung-des-jugend-und-familienzen...)
- Willkommensbündnisse vor dem Aus (https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/2025/01/16/pm-willkommens... / https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/2024/12/18/pm-nach-absetz...)
- vielen Theater in Sachsen droht das Aus (https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/vogtland/theater-krise-i... / https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/sparplaene-kuerzungen-zukunft-kul...)
- Demokratie-Projekte und Träger vor dem Aus (https://www.raa-sachsen.de/verein/neuigkeiten/netzwerk-tolerantes-sachse...)
Angebliche linke Hochburg Leipzig
In Leipzig macht die CDU deutlich, dass zwischen ihr und der AfD nur noch in der Schreibweise unterschieden werden muss. Die Bezeichnung "sicherer Hafen" (https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2024/11/leipzig-soll-sicherer-hafen-... / https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2024/11/cdu-und-afd-mythos-leipzig-s...) sollte nach den Wünschen der AfD und CDU in dieser Woche im Stadtrat kassiert werden, wurden dann aber doch von der Tagesordnung genommen und wird vielleicht im Februar nochmal Thema. Die CDU wollte dann die Wohnfläche für Geflüchtete von 7,5 Quadratmeter auf 6 Quadratmeter senken (https://archive.ph/nA1nq). Unterstützung gab es dafür von der AfD und dem Stadtrat der "Freien Sachsen". Beim BSW gab es dazu vier Enthaltungen.
Soziokulturelle Orte wie Werk 2, naTo, Conne Island sollen nach den Wünschen von CDU, AfD und BSW verschwinden oder massiv die Gelder gekürzt werden (https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187249.alternativkultur-phalanx-gegen... / https://kreuzer-leipzig.de/2024/12/13/bsw-leipzig-doppelhaushalt-kuerzun...), in dieser Woche wurde von der AfD noch die Moritzbastei als weiteres Ziel im Stadtrat markiert (https://archive.ph/rzbvf), Hintergrund ist eine Veranstaltung zu zehn Jahren Legida (https://www.planlos-leipzig.org/events/10-jahre-nach-legida-podiumsgespr...).
Wer sich beschwert, wird mit Repression überzogen
Am 15. Dezember gab es in Leipzig-Connewitz eine Demo unter dem Motto “Advent, Advent… mein Späti-(Bier) brennt!” (https://www.linxxnet.de/2024/12/02/advent-advent-mein-spaeti-bier-brennt...), zu den Hintergründen gab es dieses Interview: https://kreuzer-leipzig.de/2024/12/13/spaetis-leipzig-demonstration-vera...
An der Demo beteiligten sich lediglich um die 100 Menschen, hauptsächlich aus dem "Späti-Milieu" wie es im Polizeijargon wohl heißen würde, begleitet von einem massiven Polizei-Aufgebot der Bereitschaftspolizei aus Chemnitz. Begründet wurde dies mit einem Artikel auf Indymedia, der im Openposting (https://de.indymedia.org/node/475609) geblieben ist und wohl lediglich von Behörden gelesen wurde. Eine Beteiligung an der Demonstration oder eine andere Reaktion einer "linken Szene" der Stadt, war nicht der Fall. Ob es die recht positiven Presseartikel im Nachgang zur Demonstration und zum Thema waren oder doch der Indymedia-Artikel, der gestern am 16. Januar zu der massiven Repression im Leipziger Süden gegen Spätis geführt hat, ist unklar.
Ein massives Polizeiaufgebot mit Bereitschaftspolizei, Zoll und Ordnungsamt der Stadt Leipzig suchten viele Geschäfte / Spätis auf, viele Lagen auf der angemeldeten Demo-Route vom Dezember. Wer sich also öffentlich über das Ordnungsamt, die "Polizeibehörde" beschwert, muss mit Laden-Krontollen von Hundertschaften durch Polizei und Ordnungsamt rechnen. Hier soll deutlich gemacht werden, dass Widerspruch und Kritik in der angeblichen "linken und weltoffenen Stadt Leipzig", dem "anderen Sachsen" nicht mehr geduldet wird.
Eine "Eilkundgebung" veranstaltete die Gruppe "Handala" ebenfalls am 16. Januar für den "Ruhm und die Märtyrer Palestinas" und für die Begleichung der (eigenen) "Schuld" in den "imperialistischen Staaten", wie Deutschland, nicht genug gegen den "Zionismus" und "US-Imperialismus" unternommen zu haben, der jetzt zum Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel geführt hat. Dieses Eingeständnis des Scheiterns mutet etwas komisch an, kann die Gruppe "Handala" + K-Gruppen auf ein Jahr voller Angriffe, Aktionen und Diffamierungen anderer linker Strukturen in der Region zurück blicken. Folgerichtig aus der Sicht der "Antiimperialist*innen", denn nach der "Junge Welt"-Autorin Susann Witt-Stahl sind Conne Island, Werk 2 und naTo die Marketing-Abteilung der NATO, sowie nach Yaro Allisat in der "Junge Welt" die Refugien der "antideutschen" Szene. Wenigstens gibt es hier zwischen CDU, AfD, BSW, Handala und K-Gruppen, wie der KO, einen gemeinsamen Standpunkt, mit dem sich in Sachsen arbeiten lässt.