1. Jahr Prozess zum Neonaziangriff in Connewitz

Aktion zum Jahrestag des Prozessbeginns zum Neonaziangriff auf Connewitz „Die längste letzte Reihe der Welt“. War die Polizei vor dem Neonaziangriff informiert?

Kritische Kunstaktion zum Jahrestag des Prozessauftakts gegen Täter des Neonaziangriffs auf Connewitz. Auf der Wolfgang-Heinze-Straße in Leipzig Connewitz, der Straße in der sich größtenteils der Neonaziangriff von vor über 3 Jahren ereignete, fordern Antifaschist*innen eine lückenlose Aufklärung und Verurteilung der Beschuldigten. Die Straße wurde für einen kurzen Moment blockiert.

In einem Audio-Beitrag wurde auf Deals zwischen Tätern und Justiz, sowie der Gleichgültigkeit der Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Opfern hingewiesen. Besonders die Brisanz eines bundesweiten organisierten rechtsradikalen Angriffs mit mehreren hundert Neonazis, sollte so wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden.

Unter "Hooligans" – Rufen griffen am 11. Januar 2016 mehr als 250 z. T. bewaffnete und vermummte Neonazis auf der Wolfgang-Heinze-Straße Menschen und Gewerberäume an. Im August 2018 – zweieinhalb Jahre später – starteten die ersten Prozesse gegen die Täter.

Die offizielle Bilanz, die in den Verfahren vorgetragen wird lautet: 113.000 Euro Sachschaden, 19 demolierte Autos, 23 beschädigte Kneipen und Geschäfte. Dass bei diesem Überfall auch Menschen gezielt angegriffen und verletzt wurden, wurde von Anfang an in den Prozessen de facto nicht thematisiert. Schlimmer noch, bei der Staatsanwaltschaft Leipzig heißt es, diese Körperverletzungen hätten das Gesamtgeschehen "nicht wesentlich geprägt".

Die Täter trugen Messer, mit Nägeln gespickte Zaunlatten, Totschläger sowie mindestens eine Axt bei sich, die von der Polizei "sicher" gestellt wurden. In einem veröffentlichten Video ist zu sehen, wie eine vermummte Person mit Holzlatte in der Hand der Polizei entgegenbrüllt: "Wir sind wegen den Zecken hier! Die wollen wir haben!"

Wie so oft in Sachsen, wenn es um die Aufarbeitung von Neonaziübergriffen und die polizeiliche Ermittlungsarbeit sowie Gerichtsprozesse gegen Neonazis geht, werden Taten entpolitisiert und relativiert, sowie Verbindungen zwischen Behörden und rechtsradikalen Strukturen sichtbar.

Aus der Auswertung der Telefonkommunikation der Täter geht hervor, dass der Angriff mehrere Wochen im Vorfeld geplant wurde. Dabei sollen auch von Beginn an sächsische Polizeibeamte in diversen dieser Chats mitgelesen haben, was den Beteiligten wohl bewusst war.

Kein einmaliger Vorgang: So veröffentlichte am 11. Januar 2016 der Twitter-Account der Leipziger NPD authentische Auszüge aus der sogenannten Integrierten Vorgangsbearbeitung (IVO) der Polizeidirektion Leipzig, inklusive der Namen mehrerer von einer Polizeikontrolle betroffenen Personen.

Weitere interne Polizeiinformationen wurden unter den Neonazis ausgetauscht. Eine Aufarbeitung seitens der Polizei zu den involvierten und verantwortlichen Beamten, ist nicht bekannt.

Es fällt auf, dass es von staatlicher Seite wie Polizei und Justiz keinerlei Interesse gibt, gegen die Strukturen vom Neonaziangriff in Connewitz vor zu gehen. Offensichtlich möchte die Polizei nicht wissen, welche ihrer Kollegen so eng mit der rechtsradikalen Szene verbandelt sind und immer wieder Neonazis polizeiliche Informationen zur Verfügung stellen.

Für die Opfer des Angriffs und die Bewohner*innen des Stadtteils Connewitz ergibt sich zwangsläufig das Bild, dass die Ermittlungsbehörden nicht mit oberster Priorität an einer Aufklärung arbeiten.

Für die Neonaziszene in Sachsen und Deutschland ist das Signal, welches von den Prozessen und den inkonsequenten Ermittlungen der Tat ausgehen, eindeutig: immer weiter so! Denn derartige Verknüpfungen zwischen rechtsradikalen Strukturen und staatlichen Behörden werden nicht durchleuchtet und die Polizist*innen nicht aus dem Dienst entlassen, sie haben kaum Konsequenzen zu befürchten.
Wir fordern zudem das Amtsgericht auf, dass die Geldstrafen der Täter an Initiativen in Connewitz, wie zum Beispiel den Streetworker*innen des machtlos e.V., zu entrichten sind. Die Neonazis wollten den Bewohner*innen in Connewitz schaden, nichts wird sie mehr ankotzen als Initiativen im Stadtteil Geld zahlen zu müssen.

Den angeklagten Neonazis wurden und werden vor Gericht immer wieder Deals angeboten, die die meisten der Täter annahmen. Sie konnten sich so mit abstrusen und widersprüchlichen Aussagen als unpolitische und unwissende Mitläufer darstellen. Die meisten Verhandlungen endeten so mit milden Bewährungsstrafen.

Auf diesen verharmlosenden und skandalösen Umgang der Behörden und Gerichte sollte mit dieser antifaschistischen Kunstaktion hingewiesen werden. Dazu wurden öffentliche Aussagen der angeklagten Neonazis aufgegriffen und im Kontext des Angriffs nachgestellt.

Dazu stellten sich die Antifaschist*innen auf die Wolfgang-Heinze-Straße in Connewitz. Mehrere trugen dabei Masken mit Gesichtern einiger verurteilten Neonazis und Schilder in Form von Sprechblasen. Darauf waren vor Gericht oder in Chats geäußerte Aussagen zu lesen, die diese Absurdität sichtbar machen sollten.

Mit einem Transparent "Nazihools – Die längste letzte Reihe der Welt" sollte auf die mehrheitlich und gemeinsam abgestimmte Ausflucht mehrerer Angeklagter verwiesen werden, "zufällig" am Ort des Geschehens gewesen zu sein und nur unwissend in der letzten Reihe hinterher gelaufen zu sein.

In einem Redebeitrag wurde abschließend klar gemacht:
 
Wir sind heute hier um zu sagen, dass wir den rechten Terror satt haben und nicht mehr hinnehmen. Es muss Schluss sein mit der Verharmlosung. Die Deals der Justiz mit den Neonazis sind eine Farce und ein nachträglicher Angriff auf die Bewohner*innen von Connewitz. Deutlich ist, der Staat hat kein Interesse die Strukturen und Netzwerke des rechten Terrors offenzulegen und zu bekämpfen. Es wird daher auch weiterhin an antifaschistischen Strukturen liegen, diesen Leuten das Handwerk zu legen.

Bilder zur Aktion finden sich hier:

https://www.flickr.com/photos/lionelcbendtner/albums/72157710246131627

Prozessbeobachtung:

https://www.prozess1101.org/

Texte aus der Presse zu den Prozessen:

https://kreuzer-leipzig.de/2019/08/16/ein-jahr-le1101prozess/

 

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Ergänzungen