Gedanken zum Rondenbarg-Verfahren

Foto von Soli-Demo; Fronttransparent mit Aufschrift "Kampf ihrer Klassenjustiz"

"Getroffen hat es wenige, gemeint sind wir alle!" - Wie die Entwicklungen im jüngsten G20 Prozess die Versammlungsfreiheit einschränken könnten.

"Sechseinhalb Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg hat die Staatsanwaltschaft immer noch einen starken Verfolgungswillen und wünscht sich Haftstrafen – für das Mitlaufen auf einer Demonstration, bei der es zu massiver Polizeigewalt und zahlreichen Verletzten kam. Im sogenannten Rondenbarg-Verfahren beginnt der Prozess gegen sechs Betroffene am 18. Januar 2024 in Hamburg und soll bis in den August andauern. Eine Verurteilung würde eine Einschränkung des Demonstrationsrechts bedeuten." Quelle: https://gemeinschaftlich.noblogs.org

Was die Einschätzung für uns bedeuten könnte, wollen wir in diesem Text kurz und laienhaft anreißen. Uns ist bewusst, dass bereits ausführlichere Auseinandersetzungen mit dem Thema existieren und mit Sicherheit wird mit Fortschreiten des Verfahrens auch noch mehr darüber diskutiert. Wir haben uns dennoch dazu entschieden, die Situation und die möglichen Folgen zu umreißen, um die Gefahr für uns als Linke zu betonen und innerhalb dieser Perspektive auch Kämpfe zu verbinden. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und freuen uns über Ergänzungen, Anregungen und einen weitergehenden Austausch.

Mit dem bevorstehenden Verfahren erhoffen sich Staatsanwaltschaft & Justiz eine Verschärfung des Demonstrationsrechts.
Den Betroffenen in Hamburg wird "schwerer Landfriedensbruch" vorgeworfen. Allein ihre Anwesenheit auf der Demonstration soll ausreichen, vermeintlich begangene Straftaten unterstützt zu haben und damit auch dafür haftbar zu sein. Ziel der Staatsanwaltschaft ist es, die Demonstration gar nicht als solche anzuerkennen, um so das Versammlungsrecht zu umgehen und alle Beteiligten kollektiv ins Visier zu nehmen (nach § 125(a) StGB "gemeinschaftliche Tat"). Den Betroffenen wird keine konkrete "Straftat" vorgeworfen - dennoch werden sie seit 6 Jahren hingehalten, kriminalisiert und müssen mit den repressiven Bedingungen eines laufenden Verfahrens leben.

Die Ziele der Staatsanwaltschaft reihen sich ein in die Kontinuität der Einschränkung von Versammlungsrecht und (linken) Demonstrationen.
2021 wurde in NRW ein neues Versammlungsgesetzt verabschiedet, dass das Grundrecht auf Versammlung massiv einschränkt (Mehr: https://netzpolitik.org/2021/trotz-entschaerfungen-versammlungsfreiheit-...). Ebenso in Hessen 2023 (Mehr: https://www.antifa-frankfurt.org/2023/02/14/zum-geplanten-neuen-hessisch...). Nun soll in einem jahrelang vorbereiteten Gerichtsprozess gegen 6 von insgesamt 85 Angeklagten der Weg für zukünftige vergleichbare Prozesse geebnet werden. Kommt die Staatsanwaltschaft mit ihren Plänen durch, käme es zu einem Präzedenzfall, der drastische Folgen für das Versammlungsrecht und (linke) Proteste hätte. Das Ziel ist: "Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und politischer Proteste" (https://rondenbarg-prozess.rote-hilfe.de/).

Was bedeutet das für uns?

Spätestens seit dem Tag X in Leipzig, aber auch schon lange davor, wissen wir, dass Zivi Bullen immer wieder in unseren Demos mitlaufen. Was ein Zivi mit einem Stein in der Hand für die gesamte Demo bedeuten könnte, ist nicht schwer vorzustellen. Wir sehen darin eine Steilvorlage für Bullen und Justiz, linke Proteste gezielt zu kriminalisieren und politisch zu delegitimieren.

Mit den kommenden Wahlen steigt auch die Gefahr einer Regierungsbeteiligung seitens der faschistischen AfD. Ein Urteil dieses Ausmaßes wäre gefundenes Fressen, um linke und antifaschistische Proteste zu kriminalisieren, Strukturen zu zerschlagen und die Teilnahme an Demos nahezu unmöglich zu machen.

Vor allem Menschen, die bereits jetzt durch unklare Aufenthaltstitel und das rassistische Asylrecht massiv in ihrer politischen Aktivität eingeschränkt werden, wäre die Teilnahme an Demonstrationen damit praktisch nicht mehr möglich.

Wir als Linke müssen die Größenordnung dieser Entscheidung für unsere Ziele und Arbeit verstehen und den Prozess genau beobachten. In diesen Tagen wird die Bedeutung der Parole "Getroffen hat es wenige, aber gemeint sind wir alle!" umso deutlicher.
Kommt zur Solidaritäts-Demonstration zum Prozessauftakt am Samstag, den 20. Januar in Hamburg! (Mehr Infos auf gemeinschaftlich.noblogs.org).

Die Absurdität der Klassenjustiz hat keine Grenzen! Klassenkampf jetzt.

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