„Zum Kotzen“: Berliner Antimilitarist*innen überkleben Bundeswehr-Werbung
In diesen Tagen überkleben Berliner Aktivist*innen die Außenwerbung der Bundeswehr mit überdimensionierten Stickern. Wo zuvor noch Plakate des Militärs mit dem Slogan „Save“ für das Sanitätskommando warben, prangen jetzt lustige Smileys mit antimilitaristischen Slogans. Vergeblich versuchen die Bundeswehr und der Werbedienstleister Wall, die militärfeindliche Umgestaltung zu entfernen: Die Sticker kleben äußerst fest und die Aktivist*innen besserten fleißig nach. „In diesen Tagen fallen der Gründungstag der Bundeswehr, der Volkstrauertag, wo die die Bundeswehr ihren Vorbildern gedenkt und der Start einer Propaganda-Serie zusammen“ erklärt Gerhart Färbt, Sprecher*in der Aktionsgruppe „Buntes Meer“. Dank dieser Vorhersehbarkeit mobilisierte die Berliner Kommunikationsguerilla-Szene heimlich zu Aktionstagen: „Uns ist es gelungen, den Bundis und ihrer Propaganda ein deutliches Stop-Zeichen im Öffentlichen Raum zu setzen!“
Handy lenkt Polizei ab
Ein Blick nach rechts, ein Blick nach links, dann geht es los. Zwei Aktivist*innen stehen auf dem Mittelstreifen "Unter den Linden" am Brandenburger Tor. In ihren Händen haben sie überdimensionale Sticker. Zügig verlassen sie den Sichtschatten eines Kiosk. Doch der Polizei-Posten an der Botschaft gegenüber schaut auf sein Handy statt auf die Straßenszene. Mit schnellen, gezielten Bewegungen befestigen die beiden Aktivist*as die Aufkleber auf der Scheibe einer Werbevitrine. In der Werbevitrine befindet sich ein Werbeplakat der Bundeswehr. Mit dem Slogan „Save“ wirbt es für eine Youtube-Serie des Sanitätskommandos. Jetzt prankt auf dem Gesicht der abgebildeten Soldat*in ein Smiley dem das Ganze ersichtlich auf den Magen schlägt. Die passende Sprechblase: „Bundeswehr: Zum kotzen!“
Weitere Motive
Nach einer eleganten Drehung fällt der Blick der Aktivist*as auf den Polizeibeamten: Er schaut immer noch auf das Handy. Wenige Sekunden später klebt eine Werbevitrine weiter auf dem dortigen Bundeswehr-Poster ein Kacke-Smiley und der Slogan „Braune Nazischeiße!“ Auf der anderen Straßenseite sieht man kurz darauf einen Smiley mit explodierendem Kopf. Er sagt: „Whaaat? Sexismus in der Bundeswehr?“ Bevor der Cop wieder aufmerksam ist, sind beide Aktivistas unerkannt entkommen. Die Aufkleber verzierten das gesamte Wochenende die Bundeswehr-Plakate in den Werbevitrinen der beliebtesten Flaniermeile Berlins.
"Mega festgeklebt" am Kriegsministerium
Die Aktivist*innen besuchten auch mehrmals die Werbevitrinen rund ums Kriegsministerium. Erwartungsgemäß fanden das die Bundis, die die Aufkleber auf ihren Propaganda-Postern auf dem Weg zur Arbeit bemerkten, nicht so super. Am nächsten Tag zeigen die Sticker deutliche Spuren von Versuchen, diese mit bloßen Händen zu entfernen. Doch vergeblich. Denn bereits vor einem Jahr stellte der Vorsitzende des Reservistenverbandes, der misogyne Gewalttäter und CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg den Aufklebern nach einer Aktion bei der Geschäftsstelle des Verbandes den Aufklebern folgendes Qualitätszeugnis aus : „Die Aufkleber sind mega festgeklebt!“.
Unbehelligt im Stadtbild
Weil sich die Aufkleber rund um das Ministerium nicht einfach entfernen ließen, entfernten Expert*innen der Werbefirma Wall die Aufkleber zunächst noch mit professionellem Gerät. Doch darauf hatten die Chaot*innen schon gewartet. Sie lauerten den Teams der Werbefirma auf und installierten direkt nach der Reinigung erneut die Smiley-Aufkleber. Im Laufe des Freitags gab die Werbefirma schließlich einfach auf. Daraufhin hingen die Smileys fast überall das ganze Wochenende unbehelligt im Berliner Stadtbild. „Was für eine großartige Offensive ist der Berliner Kommunikationsguerilla-Szene da bitte gelungen?“ freut sich Gerhard Färbt.
Bundeswehr zum Kotzen
Ähnliche Aktionen gegen Gründungs- und Volkstrauertag sorgten schon oft für Empörung und Ärger bei den Bundis, zeigen aber auch, dass die zunehmende Militarisierung auf Widerstand stößt. Bereits eine Woche zu vor wurde das Kriegsministerium von der Aktionsgruppe Buntes Meer besucht. Anlass war das dort stattfindende Gelöbnis zum Gründungstag (12.11.) der Bundeswehr „Diese geschichtsvergessene Veranstaltung haben wir mit der kotzgrünen Färbung des anliegenden Landwehrkanals kontextualisiert, sagt Gerhard Färbt von der Aktionsgruppe Buntes Meer.
Kampagne "Werbung abrüsten"
Schon zuvor gab es Add-bustings mit dem gleichem brisant-klebrigen Material. Die Aufkleber vertreibt die Kampagne „Werbung abrüsten!“. „Wir freuen uns sehr, dass Aktivist*innen coole Aktionen mit unseren Materialien organisieren!“ sagt Yver Cleber, Sprecher*in der Kampagne. „Zum Nachmachen in der eigenen Stadt braucht es nicht einmal ein 100-Milliarden Sondervermögen" witzelt Gerhard Färbt. Das Material kann super einfach kostenlos oder mit einer kleinen Spende unter folgendem Link bestellt werden:
https://werbungabruesten.blackblogs.org/
Bereits im Dezember 2022 organisierten Antimilitarist*innen in Berlin mit den Smiley-Aufklebern einen „Antimilitaristischen AdventskalendA“. Sie besuchten, beklebten und outeten Bundeswehr-Büros in Berlin. Der Bundeswehrverband und andere Bundi-Organisationen regten sich auf, der katholische Militärbischof lud die Aktivist*innen zum Gespräch ein:
Aus Göttingen berichtete die „Aktionsgruppe Störpflicht“ auf Indymedia und das Göttinger Tageblatt im Februar 2023, dass mehr als ein Dutzend Bundeswehrplakate im Göttinger Stadtgebiet mit den Aufklebern verschönert wurden":
Die Berliner Morgenpost berichtete im März 2023 dass Antimilitarist*innen im Bahnhof Friedrichstraße auf einen Schlag fast dreißig Werbevitrinen, in denen Werbeposter der Bundeswehr hingen, mit den Stickern beklebten:
Mehr Infos:
Die Sticker bei der Kampagne "Werbung abrüsten!" bestellen:
https://werbungabruesten.blackblogs.org/was-tun/
Chef des Reservistenverbandes: "Mega festgeklebt":
https://m.facebook.com/patricksensburgcdu/posts/5835701319823704/
Patrick Sensburg und mysogene Gewalt
https://www.tagesspiegel.de/politik/patrick-sensburg-tritt-als-cdu-kreisvorsitzender-zuruck-4835995.html