Polizeikongress: Fake-Werbeplakate kritisieren Polizei als gewalttätig und rassistisch

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Schlimm, schlimm, schlimm: Während in Berlin der Polizeikongress gastiert, müssen die dafür angereisten Beamt*innen in der ganzen Stadt den Anblick polizeikritischer Poster ertragen. Denn die Aktionsgruppe „100% subversiv“ gestaltete Plakate im Design der offiziellen Werbekampagne der Polizei Berlin und kaperte unerlaubt über 60 Werbevitrinen in der Berliner Innenstadt. „Der Polizeikongress ist jedes Jahr wieder eine willkommene Gelegenheit die dort versammelten staatlich bezahlten Gewalttäter*innen mit Kritik zu konfrontieren“ sagt Benjamin Pendro, Sprecher*in der Aktionsgruppe 100% subversiv: „Und weil das die Schergen so schön ärgert, machen wir das mit gefälschten Werbeplakten in aller Öffentlichkeit.“

Da staunten die zum Polizeikongress angereisten Schergen, Chargen und Geheimen nicht schlecht: Rund um den Veranstaltungsort an der Messe und im gesamten Nahverkehr in der Berliner Innenstadt begegneten ihnen gefälschte Werbeposter der Polizei. Statt platten Propaganda-Sprüchen kritisieren die Poster die staatlich bezahlten Gewalttäter*innen: „Wir sind Nazi-Netzwerk, nur größer. 110% national“ und „Wir scheißen auf das Recht, gegen uns zu sein. 110% Willkür“ kann man auf den Postern lesen. Außerdem erklären sie folgendes: „Das Recht auf freie Meinung ist für dich scheißegal? Super. Dann bist du bei uns genau richtig.“ und „Für dich geht es vor allem um Deutschland? Super. Dann bist du bei uns genau richtig.“ Ganz böse: Die Poster tragen ein Wappen und die Wortmarke „Pozilei Berlin.“

Polizei ist machtlos

Und das Beste: Die Polizei kann nichts dagegen tun. Bereits 2018 ärgerten Aktivist*innen die angereisten staatlich bezahlten Gewalttäter*innen mit veralberten Werbe-Postern der Polizei rund um den Polizeikongress. Gleich in der Woche darauf leitete der Berliner Staatsschutz ein umfangreiches Ermittlungsverfahren ein, das in intensiver Kooperation mit der Werbefirma WallDecaux alle Adbustings im Bundesland registrierte und sichtete. Außerdem veranstalteten die Cops Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen. Begründung dafür: Adbustings machen die Polizei „gar lächerlich.“

Doch damit nicht genug: Der Landesverfassungsschmutz vom Berlin meldete 2018/19 drei Adbusting-Aktionen ans Terrorabwehrzentrum GETZ (Funfact: Adbustings der rechtsextremen „Indentitären Bewegung“ bezeichnete die Behörde im selben Jahr in ihrem VS-Bericht als „unverfängliche Aktionen“). Der Bundesverfassungsschmutz widmete in seinem sogenannten „Verfassungsschutzbericht“ 2018 der damaligen Aktion gegen den Polizeikongress ein schickes Foto und mockierte sich darüber, dass die schlimmen gemeinen Linksextremisten „neben Angriffen auf Polizeibeamte“ auch Plakate aufhängen.

Rechtsfreier Raum Werbevitrine?

Doch alles vergebens. Der Gerichtsprozess endete mit einer Einstellung, weil die Staatsschutz-Beamten des Berliner LKAs nicht erklären konnten, was für ein Sachschaden eigentlich entstünde. Die ständigen Pressenachfragen leid, beschloss die Staatsanwaltschaft Berlin daraufhin im Mai 2020, dass es nicht strafbar ist, eigene Plakate in Werbevitrinen zu hängen.

Doch weil die Berliner Cops es nicht so mit der Rechtsstaatlichkeit haben, probierten sie daraufhin noch „schweren Diebstahl“, „Störpropaganda gegen die Bundeswehr“ und „Erschleichen von Leistungen“ aus: Alles ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beschloss, dass keiner dieser Paragraphen auf Adbusting zuträfe. Auch das Bundesamt für Verfassungsschmutz ruderte zurück. Seit 2019 war Adbusting kein Thema mehr im Posterguckzentrum GETZ (Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum) und auch aus dem Verfassungsschutzbericht wurde Adbusting entfernt. Begründung des Bundesinnenministeriums: Adbusting sei wider Erwarten doch nicht gewalttätig. „Erfolg auf ganzer Linie“ kommentiert Benjamin Pendro, Sprecher*in der Aktionsgruppe 110% subversiv„: „Die Repression entwickelte sich zu einem Bumerang und Werbevitrinen sind nun in der Hauptstadt ein rechtsfreier Raum.“

„Das ist menschenverachtend!“ – Benjamin Jendro, GdP

Benjamin Jendro, Pressesprecher*in der Berlin Gewerkschaft der Polizei (GdP) heulte daraufhin auf Twitter: „Das ist keine Meinungsäußerung, sondern perfide, menschenverachtend und armselig – Kann nicht sein, dass das stärkste Mittel des Rechtsstaats gegen solche Perversion das Kunsturheberrecht ist.“

Durch die Kunstfreiheit gedeckt

Doch nichtmal das hilft. Denn Prof. Dr. Christian Hentsch von der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht sieht im Adbusting „in der Regel richtigerweise keine Urheberrechtsverletzung“. Auch wenn durch ein abgeändertes Plakat eine möglicherweise urheberrechtlich geschützte Vorlage bearbeitet werde, geschehe dies „bei kreativen politischen Aussagen mit eigenem Werkcharakter in einer antithematischen Auseinandersetzung in freier Benutzung“, so der Urheberrechtler.

Mimosen

„Die deutsche Pozilei ist der letzte autoritäre Sauhaufen“ sagt Benjamin Pendro, Sprecher*in der Aktionsgruppe 110%subversiv: „Bei der Polizei reihe sich ein Einzelfall mit rassitischen Dreck oder Gewalt an den nächsten, aber deren Funktiönäre erzählten immer noch, dass das alles kein strukturelles Problem und völlig legitime Kritik an außer Rand und Band geratenen staatlich bezahlten Gewalttäter*innen nicht mit deren Menschenwürde vereinbar seien. Was für Mimosen…“

Was ist der Pozileikongress?

Der sogenannte „Polizeikongress“ wird veranstaltet vom Anzeigenblatt „Behördenspiegel“. Es handelt sich jedoch beim sogenannten „Polizeikongress“ nicht um einen Kongress. Der „Polizeikongress“ ist eine Mischung aus Propaganda-Veranstaltung für Law-and-Order-Knallis und Waffen- und Überwachungsmesse. Auf der Bühne stehen geltungssüchtige B- und C-Klasse-Politiker*innen, die neue Waffen oder neue Überwachungsrechte fordern. Und die Industrie kann sich in das Veranstaltungsprogramm einkaufen und dann den Law-and-Order-Knallis gleich die passenden, Waffen, Folterinstrumente oder Überwachungstechnologien andrehen. In den letzten Jahren war das gut bei Panzerwagen zu beobachten, dieses Jahr sind Taser der Renner. Dieses Event nutzt die Berliner Polizei ausgiebig für Repräsentation, weshalb die polizeikritischen Poster die Cops so stören.

Mehr Infos findet ihr in unserem detaillierten Rückblick auf vergangene Aktionen zum Polizeikongress.

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