Kommunikationsguerilla zum Todestag von Oury Jalloh

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Pünktlich zum 13. Todestag des in Dessau von rassistischen Polizist*innen ermordeten Oury Jalloh ist in der Geschichte einiges passiert: Teile der linksliberale Presse können sich mittlerweile damit anfreunden, dass es bei der deutschen Polizei eine vertuschte rassistische Mordserie gegeben haben könnte, ein Ober-Staatsanwalt, der vermutlich einen krassen Karriereknick hinlegen wird, weil öffentlich geworden ist, dass er das Märchen von der spontanen Selbstentzündung für nicht so richtig gut gelogen hält, und ein staatlich bezahlter Gewalttäter, der aus seinem Job gedrängt worden ist, weil er aussagen wollte. Und so ist die Gedenkdemo letzte Woche gut besucht und trifft auf ein hohes Medieninteresse. Bereits im letzten Jahr gab es eine ziemlich coole Memorial-Aktion für Oury Jalloh, doch dieses Jahr hat sich die Kommunikations-Guerilla hinterm S-Bahn-Ring nochmal übertroffen.

 

 

 

 

Gelungene Kommunikationsguerilla-Aktion

 

Pünktlich zum Jahrestag gab es nahe Dessau an der Autobahn 9 eine gelungene Kommunikationsguerilla-Aktion. Schlimme gemeine Chaot*innen wagten es, an der Kilometeranzeige 73 eines der an deutschen Autobahnen so zahlreichen großen Hinweisschilder, die auf angebliche Attraktionen hinweisen, zu verschandeln. Anstatt die vorbeifahrenden Schnitzel und Kartoffeln aufUnesco-Welterbe „Gartenreich Dessau-Wörlitz“ hinzuweisen, macht dort nun die „ Oury-Jalloh-Stadt Dessau“ auf sich aufmerksam. Als Abbildung ist ein Stencil mit dem Gesicht des Ermordeten und stilisiertes Feuerzeug abgebildet, dass die Legende von der spontanen Selbstentzündung darstellen soll.

 

 

 

Viral mit twitter

 

Um den Viral-Faktor zu verstärken, gibt’s dazu ein Twitter-Profil. Dieses Twitter-Profil klaut u.a. das Stadtwappen und nimmt mit dem Namen „Oury-Jalloh-Stadt Dessau“ den Aktionsslogan wieder auf und kommuniziert Inhalte. Da kann man dann unter anderem sehen, dass auch die armen Dessauer Polizist*innen den Anblick des Plakates auf einer Werbewand schräg gegenüber des Haupteinganges zu ihrem Folterkeller direkt vor ihrer Bratwurstbude (!) ertragen müssen und eine Aktionserklärung lesen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Aktionserklärung

 

In der Aktionserklärung verkündet ein selbsternanntes Stadtmarketing, dass es die spontane Selbstentzündung als Wunder beim Vatikan vorschlagen möchte. Den es sei erwiesen, dass sich Oury-Jalloh weder selbst angezündet haben könne, noch würden deutsche Cops ja sowas aus rassistischen Motiven tun. Um ein erstes Zeichen auf dem Weg zur Anerkennung des Wunders von Dessau zu setzen, habe die Lokalpolitik deshalb beschlossen, der Stadt den Namenszusatz „Oury-Jalloh-Stadt Dessau“ zu verpassen.

 

 

 

Ironie und Aktionserklärungen

 

Die Aktionserklärung ist nicht ganz so unser Geschmack. Zum einen ist unsere Erfahrung, dass ironische Aktionserklärungen an der denk- recherchefaulen deutschen Presselandschaft scheitern (so ignoriert z.B. der Bento-Chefredaktör diesen Teil der Aktion in seinem sehr positiven Bericht einfach).

 

 

 

 

 

 

Noch mehr Möglichkeiten?

 

Wäre da nicht noch mehr drinne gewesen: Was wäre, wenn die Stadt die Tatsache des Mordes offiziell anerkannt hätte? Und deshalb die Umbenennung voran treiben würde? Das reichweitenverstärkende Dementi wäre sicher, denn wie die Nutzer*innen-Beiträge auf dem Twitter-Profil zeigen, ist ein Teil der Nutzer*innen durchaus bereit, sofort an diese Variante zu glauben. Aber genug mit Klugscheißerei. Die Aktion gefällt uns aus mehreren Gründen.Da ist zum einen die Identifizierung des Stadtmarketings als sensiblen Punkt für eine Imageverschmutzung. Auch clever ist die Identifizierung der Autobahnschilder als publikumswirksamer Ort und Aufhänger für ne virale Kampagne. Dann hat das ganze ne clevere Verbindung von Offline- und Online-Welten unddie Nutzung von Twitter ermöglicht einen Feedback-Kanal. Undder Zeitpunkt ist gut gewählt. Zum einen ist der Jahrestag ein bedeutsames Datum, und die Aktion stärkt die Mobi zur Demo.

 

 

 

Mehr Infos:

 

 

 

Gedenk-Adbustings für Oury-Jalloh 2017

 

http://maqui.blogsport.eu/2017/01/11/erinnerungs-adbustings-an-oury-jalloh-in-sachsen/

 

 

 

Adbustings gegen Rassismus:

 

http://maqui.blogsport.eu/2016/02/03/adbusting-aktionen-gegen-baergida-und-rassismus/

 

 

 

Adbustings zu Rassismus in der Spendenwerbung:

 

http://maqui.blogsport.eu/2016/12/26/b-adbusting-zu-humanitaerer-spendenwerbung-es-reicht-mit-rassistischer-werbung/

 

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