EIN KOMMENTAR ZUM LINKSEXTREMISTISCHEN SCHRECKGESPENST UND DEM VERBOT VON LINKSUNTEN.INDYMEDIA
Getroffen hat es LinksUnten, gemeint sind wir alle!
Auch als Audio-Kommentar(9 min) siehe unten...
Der Vorwurf des Linksextremismus genügt derzeit um eine linke Nachrichten-, Informations- und Diskussions Plattform, samt eines der größten Antifa-Archive im deutschsprachigem Raum zu verbieten.
Um dem Verbot Nachdruck zu verleihen ist sich der Innenminister, Thomas De Maizière, CDU auch nicht zu schade für FakeNews, 1) derer nach bei den angeblichen Betreibern der Plattform Waffen gefunden wurden.
Diese Behauptung wurde einen Tag später vom Bundesinnenministerium selbst berichtigt.
Doch die Leitmedien haben diese Nachricht in der Zwischenzeit von der dpa weiter unüberprüft verbreitet, als dann die Berichtigung kam hatte sie kaum noch Durchschlagskraft.
Wer sich etwas damit beschäftigt weiß, dass die Erstnachricht in den allermeisten Fällen in der Erinnerung bleibt und die Korrektur kaum noch zur Kenntnis genommen wird.
Es scheint als würden, auch wegen dieser Tatsache, zunehmend Falschmeldungen produziert.
Das erinnert unter anderem an die Begründung des Spezialkräfte-Einsatzes während des G20-Gipfels in Hamburg am Schulterblatt in der Schanze, nach der angeblich gewaltbereite Linksextremist*innen mit Gehwegplatten und Molotov-Cocktails bewaffnet auf den Dächern auf vorbeilaufende Polizist*innen warteten. Die Beweise dafür stehen bis heute restlos aus. 2)
FakeNews haben noch nie Beweise gebraucht und in der Aufregung danach spielen Fakten leider eine untergeordnete Rolle.
Der Wind weht derzeit so sehr von rechts, dass sich die CDU mit so einem Vorgehen vier Wochen vor der Bundestagswahl wohl mehr Stimmen vom rechten Rand verspricht.
Dabei kann eher davon ausgegangen werden, dass das Produzieren eines linksextremistischen Schreckgespenstes die Wählerschaft eher in die Arme der noch etwas weiter rechts stehenden, bzw. rechtsextremen AfD treibt.
Der Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen sagte noch am Tag des Verbotes:
„Das Vorgehen gegen die linksextremistische Plattform linksunten.indymedia war lange überfällig. ... Ich fordere das bereits seit über einem Jahr.
Nun, da der Wahltermin näher rückt, wird endlich medienwirksam gehandelt.
Reichlich spät und sehr durchschaubar, aber immerhin zeigt es: AfD wirkt.“ 3)
Ja, die AfD wirkt, leider.
So hat sie die komplette so genannte Mitte und ihre Parteien extrem weit nach rechts verschoben. Wenn das so weiter geht, ist bald alles links von der SPD linksextremistisch.
Was soll linksextremistisch eigentlich bedeuten?
Die Extremismustheorie besagt, dass links und rechts außen „extreme“ Positionen vertreten werden, die die Sicherheit und Ordnung der Gesellschaft gefährden.
So führt sie zu einer Gleichsetzung von linken und rechten Positionen.
Kurz gesagt: Es wird das streben nach einem guten Leben für alle, mit dem streben nach dem guten Leben nur für Deutsche, bei dem es nicht selten über Leichen ging und geht, miteinander gleichgesetzt.
Diese Gleichsetzung ist äußerst gefährlich und gleicht einer Hetze gegen alle Linken.
Dabei ist links eh niemals extrem sondern radikal, wenn es von Herzen kommt.
An dieser Stelle sei Hannah Arendt empfohlen.
Sie hat das ganz treffend auf den Punkt gebracht als sie umgekehrt sagte:
"das Böse ist immer nur extrem aber niemals radikal". 4)
Die rechte Gewalt richtet sich gegen Minderheiten und Menschen, die nicht in das rechte Weltbild passen und hat in der BRD seit 1990 zu circa 200 Todesopfern geführt 5), während es von der linken Seite in der selben Zeit kein einziges Todesopfer gab, was auch in Zukunft so bleiben wird, weil das Töten eines Menschen der Wurzel der linken Idee zutiefst widerspricht.
Des Weiteren gab es allein im Jahre 2016 mehr als 3750 Angriffe von Rechten auf Geflüchtete davon 27 Sprengstoff- und 149 Brandanschläge auf Unterkünfte. 6)
Rechte Tendenzen sind auch im deutschen Sicherheitsapparat allgegenwärtig:
die sich häufenden rechten Skandale bei der Bundeswehr, die Verflechtung vom NSU mit dem sogenanten Verfassungsschutz 7), der noch andauernde Nazi-Verdacht bei der Spezialeinheit der Bundeswehr KSK 8), oder die eben erst aufgedeckte rechte Terrorzelle in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Polizisten 9), sind wohl nur die Spitze des Eisberges.
Wo bleibt bei alldem der Aufschrei der Mitte der Gesellschaft, die laut Extremismustheorie die einzig richtige Position hat?
Im Falle des NSU-Komplex gab es keinen Aufschrei und es gibt noch lange keine lückenlose Aufklärung, -im Gegenteil wird bis heute versucht die ganzen 10 Morde nur einigen wenigen in die Schuhe zu schieben. Stattdessen sollte sich zur Aufklärung an den Forderungen der Hinterbliebenen und Betroffenen orientiert werden, siehe dazu die Anklageschrift vom Tribunal NSU-Komplex auflösen. 10)
Die Mitte der Gesellschaft und die Parteien der Mitte haben mit zu verantworten, dass Deutschland der fünftgrößte Waffenexporteur weltweit ist. Die Bundesregierung hatte allein 2016 Waffenlieferungen in Höhe von 6,85 Milliarden Euro genehmigt. 11) Sie ist im Moment an 16 Kriegen beteiligt und treibt weiterhin eine europäische Abschottunspolitik voran. Über 5000 Geflüchtete und Migrant*innen kamen allein im Jahr 2016 im Mittelmeer ums Leben. 12) Außerdem treibt sie die Ausbeutung und Zerstörung von Mensch, Tier und Natur tagtäglich durch Unterstützung von einer aggressiven Wirtschaftspolitik weiter voran.
Die Liste ließe sich noch lange fortführen.
Extremismus ist schon lange ein politischer Kampfbegriff, der darauf abzielt Positionen, die von der vorgegebenen Norm abweichen, schlecht zu machen, um von der eigenen Gewalt abzulenken.
Thomas De Maizière ist der Meinung, dass das Verbot ein deutliches Zeichen setzt und ja das tut es, in einer Zeit wo tausende Menschen jährlich bei der Flucht nach Europa sterben, wo geflüchtete Menschen in Deutschland zu tausenden angegriffen werden und eine rechtsextreme Partei voraussichtlich bald in den Bundestag einzieht.
Das Zeichen heißt:
Der Feind steht links und unabhängige und unzensierte linke Medien gehören bekämpft!
Die Plattform Linksunten wurde von verschiedensten linken Strömungen benutzt.
Sie als eine linksextremistische Seite darzustellen, entspricht nicht den Tatsachen,
sondern kommt eher einer Hetze gegen alle Linken gleich.
Auch Reporter ohne Grenzen kritisiert in einer am 28.08.2017 erschienen Erklärung das Verbot wie folgt:
“Reporter ohne Grenzen kritisiert das Vorgehen des Bundesinnenministeriums beim Verbot der als linksextremistisch eingestuften Website linksunten.indymedia.org als rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung. (…) Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig. International ist das ein bedenkliches Signal und liefert repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun.” 13)
Von den Betroffenen der Durchsuchungen und den mutmaßlichen Betreiber*innen wurde auch schon Klage gegen das Verbot beim Verwaltungsgericht Freiburg und beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. 14)
Derweil hatten die Betreiber auf LinksUnten zwischenzeitlich schon angekündigt, dass die Seite bald wieder zurück ist.
Die Entscheidung, die Seite vorübergehend offline zu stellen, haben im übrigen die Betreiber getroffen und nicht das Innenministerium oder irgendwelche anderen Behörden. 15)
Also kann es sehr wohl sein, dass die Seite bald wieder online ist und dann mit einem Bekanntheitsgrad, der mit Sicherheit alles bisherige weit übertrifft.
Bleibt noch zu hoffen, dass das Verbot aufgehoben wird, es angemessene Entschädigungen bei allen Betroffenen der Durchsuchungen und jeder anderen Art der Repression in diesem Zusammenhang geben wird.
Dieser schon viel zu lang anhaltende Rechtstrend muss sehr bald ein Ende haben!
Getroffen hat es LinksUnten, gemeint sind wir alle!
Quellen und weiterführende Links:
2) http://www.imi-online.de/2017/07/20/spezialeinheiten-gegen-menschenmengen/
3) https://www.afd.de/joerg-meuthenpaul-hampel-verbot-von-linksunten-indymedia-war-ueberfaellig/
4) https://de.wikipedia.org/wiki/Hannah_Arendt
http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-tote-die-nicht-zaehlen-1.3634762
6) https://www.rechtesland.de/
7) https://www.nsu-watch.info/
8) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/29425
10) http://www.nsu-tribunal.de/wp-content/uploads/2017/05/NSU-Tribunal_Anklageschrift.pdf
http://www.nsu-tribunal.de/#newsmodal
11) https://www.sipri.org/sites/default/files/Trends-in-international-arms-transfers-2016.pdf
12) https://www.proasyl.de/news/2016-das-toedlichste-jahr-in-der-geschichte-der-eu-fluechtlingspolitik/
WEITERES:
Audio-Beiträge zum Thema:
Verbot von linksunten indymedia – Hintergründe und Demo in Berlin
#Linksunten - Interview mit Anwältin des KTS
http://www.freie-radios.net/84735
Das "MacherInnen" von Indymedia Linksunten für all das verantwortlich sein sollen, was darauf geschrieben wird, ist "blanker Unsinn".
http://www.freie-radios.net/84728
Nach linksunten.indymedia-Verbot: Betroffene der Hausdurchsuchungen leiten rechtliche Schritte ein
http://www.freie-radios.net/84727
Es ist nicht die Aufgabe des Innenministers, Medien zu verbieten
http://www.freie-radios.net/84724
Mit rechtlichen Bestimmungen umgegangen wie mit Kraut und Rüben - Durchsuchung KTS Freiburg wegen Verbot von linksunten.indymedia
http://www.freie-radios.net/84722
HANDS OFF INDYMEDIA! Soligruppe "Unabhängige Medien Freiburg" zum Verbot von linksunten.indymedia
http://www.freie-radios.net/84710
"Wir sind alle linksunten.indymedia"
http://www.freie-radios.net/84721
Studie: Rechtsextremismus in Ostdeutschland
J. Wiening, ARD Berlin
18.05.2017 10:32 Uhr
http://media.tagesschau.de/audio/2017/0518/AU-20170518-1032-1701.mp3
Und mehr zu LinksUnten:
"Wir sind alle Indymedia - wir sind alle linksunten" von Peter Nowak am 26. August 2017
https://www.heise.de/tp/features/Wir-sind-alle-Indymedia-wir-sind-alle-linksunten-3813246.html
Und zur Rechten-Gewalt und Gegen-Rechts:
https://www.antifainfoblatt.de/
http://www.opfer-rechter-gewalt.de/opfer/dokumentation/
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/
http://www.opferfonds-cura.de/
https://www.tagesschau.de/inland/studie-rechtsextremismus-ostdeutschland-101.html
Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt: