wind von links - post G 20
Wer jetzt, nachdem der erste Schock überwunden ist, gleich in den politischen Alltagstrott zurückfällt, verkennt, was 7/7/17 war: eine ZÄSUR.
Der Bumerang betraf nicht nur die Schanze selbst, sondern ist auch ein politisches Eigentor. Pauschale Kriminalisierung linker Projekte, verschärfte Überwachung, Einschränkung von Grundrechten sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Bayern hat letzte Woche flugs ein Gesetz erlassen, mit dem "Chaoten, Störer, Extremisten" unbegrenzt eingeknastet werden können. (verschärftes Gefährdergesetz).
Sich jetzt selbstheroisierend damit zu brüsten, die öffentlichen Bilder während G 20 dominiert zu haben, ist nicht nur anmaßend gegenüber den Anwohnern und den 99.000 anderen Demonstrierenden/ Aktivisten, die medial plattgebügelt wurden, sondern blendet auch aus, dass der rechte backlash selbst initiiert wurde. Und das betrifft dummerweise auch die Mehrheit derer, die keinen einzigen Stein in die Hand genommen haben.
Nicht zuletzt deshalb wäre es sinnvoll, sich der Gewaltfrage zu stellen.
Kann es eine "rote Linie" (Andreas Blechschmidt), überhaupt geben? Ist Sachbeschädigung o.k.? Und was ist, wenn dadurch - ungewollt- Menschen gefährdet werden?
Niemand hat das "Oberkommando". Was passiert, wenn sich Gewalt an sich selbst entzündet, haben wir ja gesehen. Da gibt es nichts zu verharmlosen. Ist der Gewaltrausch entfesselt, wird er unkontrollierbar, wahl- und ziellos. In seinem Charakter spiegelt er die G20-Fratze lebendig wider: Plünderei, Dekadenz, menschenverachtende Zerstörung.
Das müssen wir erstmal verknuspern, bevor wir reflexhaft in die Opfer-und Verteidigungsrolle fallen.
Was ist überhaupt legitime Gewalt?
Den SUV in Blankenese abzufackeln, ist o.k., aber den Kleinwagen in St.Pauli sollte man stehen lassen? Was ist dann mit dem SUV in St.Pauli und dem Kleinwagen in Blankenese?
Im Grunde könnte man Haus und Auto jedes zweiten Nachbarn abfackeln, weil jeder zweite korrumpierbar und Teil des Systems ist. Und weil jeden irgendwas anderes nervt, wird die Gewalt völlig beliebig: Ist ja alles irgendwie G20...Bei so elend viel Pauschalisierung wundert es nicht, wenn von anderer Seite undifferenziert, alles, was links ist, als zu bekämpfen subsumiert wird. Das ist dann Krieg mit ungleichen Mitteln. Was dabei heraus kommt, haben wir an 7/7/17 gesehen: Selbstzerstörung.
Das Wegducken hinter Teenies, Riot-Kids, Touristen, Nazis und V-Männern hat ja bisher ganz gut geklappt. Wenn die Risse im Viertel wieder heilen sollen, wäre es gut, wenn Mitverantwortung über Lippenbekenntnisse hinausginge und eine klare Absage an Gewalt erteilt würde.
Wenn "Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden" nur für eine Seite gilt, dann ist das nicht nur spießig, sondern verbreitet eine selbstjustizielle Atmosphäre von Angst und Schrecken.
Ich finde es grotesk, wenn Leuten, u.a. den St.Pauli-Pastoren, weißes Pulver (Backpulver) zugeschickt wird mit der Drohung, morgen sei es Anthrax.
Genauso unmöglich ist es, Menschen, die vorschlagen, die Flora in einen Kindergarten umzuwandeln, zu drohen, sie sollten sich demnächst mal gut umgucken, bevor sie auf die Strasse gehen.
Wer nicht für uns ist, ist gegen uns: Das ist Erdogan im Kleinformat.
Ergänzungen
Wer wendet zu welchem Zweck Gewalt an?
Scheint mir die entscheidende Frage zu sein.
Wenn du schon die Gewaltfrage stellst, musst du sie aber auch richtig und grundlegend stellen.
Einige Beispiele:
Ist es richtig Nazis bei Pogromen auch mit Gewalt entgegen zu treten.
Haben Menschen das Recht sich gegen Übergriffe auch mit Gewalt zur Wehr zu setzen.
Hat ein Land, das von einem räuberischen Aggressor überfallen wird, das Recht sich gewaltsam dagegen zur Wehr zu setzen.
Hatten die Menschen zwischen 1939-1945 das Recht sich äusserst gewaltsam gegen die Nazihorden zur Wehr zu setzen.
Diese Fragen beantworten sich von selbst, wie du unschwer erkennen kannst. Selbstverständlich muss man als fortschrittlicher Mensch die Anwendung von Gewalt sorgfältig abwägen, wenn die Zeit dafür vorhanden ist.
Gewalt grundsätzlich auszuschliessen geht aber vollkommen an der Realität vorbei.
alles schon seit langem aufgeflogen
https://de.wikipedia.org/wiki/Verdeckte_Operation
https://de.wikipedia.org/wiki/Operative_Information
...
https://de.wikipedia.org/wiki/Diffamierung
Zusammenhangslos
Meinst Du ernstaft das neue bayrische Gesetz wäre ne Folge vom 07.07.???
Meinst Du ernsthaft die anderen Proteste wären stärker in den Medien???
Meinst Du ernsthaft die rechten Kommentiererenden/Mitte-Extremisten hätten keinen anderen Aufhänger gefunden? Da reicht n WaWe-Einsatz (irgendwas werden die kriminellen Linken schon gemacht haben)...
Meinst Du ernsthaft, es wäre uns ansonsten jetzt nicht von Dudde, Grote und Scholz erklärt worden, dass CampVerbot uä eben genau zu diesem friedlichen Verlauf geführt haben, weshalb weiterhin die volle Härte des (Repressions-)Staates geboten ist, wenn es drauf ankommt?
Ansonsten find ich auch die Schuldzuweisungen, die im letzten Abschnitt sind etwas voreillig.
meine unbedeutende meinung
Ich finde ein paar zerstörte Fahrzeuge (es hätte auch mein Auto sein können), kaputte fensterscheiben und geplünderten Supermärkte tatsächlich zunächst äusserst harmlos. Das mit dem weissen Pulver bei den pastoren halte ich, so es überhaupt dazu gekommen ist ebenfalls für grotesk...aber soweit ich es weiss, ist niemand in diesen Tagen durch wie auch immer geartete widerstandshandlungen ums Leben gekommen,was an sich schon einmal gut ist und angesichts des Vorgehens seitens der polizei gar nicht so wahrscheinlich war. Ich bin überzeugt, dass es sich zwar lohnen würde die Anschlussfähigkeit mancher militanter protestformen hinsichtlich reaktionärer gesellschaftlicher Gruppen zu überprüfen und zu diskutieren, aber insgesamt in der Deutung auf einen Diskurs-Mythos von sogenanntem linken Terror hereinzufallen empfinde ich als haltlos und peinlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass bereits wenige Tage später vermeintlich verwüstete Stadtteile wie die Schanze den Eindruck erweckten, dass dort fast nichts geschehen ist...es ist selbstverständlich absolut unschön dass Menschen die, ob symphatiesierend oder nicht, die in keinem direkten Zusammenhang zur herrschenden Elite in den messehallen standen oder stehen, in Angst und Schrecken versetzt wurden. Ein Umstand der eine Form der Entschuldigung verdient. Von ausufernder Gewalt oder gar Terrorismus ist das aber noch verdammt weit weg.