25.11., Tag für eine feministische Gegengewalt / Day for feminist counterviolence

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Am „Tag gegen Gewalt an Frauen*“ werden reichlich lose Reden geschwungen über die armen unterdrückten Frauen woanders in der Welt, die befreit werden müssten. Gegen Unterdrückung oder gegen sexualisierte Gewalt wird Haltung vom Staat, Gesetzesreformen und Maßnahmen bis hin zur Kriegsführung von Regierungen durchgeführt oder von der UNO gefordert. Wir erleben offensichtlich einen generellen patriarchalen Rollback – d.h., dass der patriarchale, konservative Aufwind in der Politik so stark wird, dass Erfolge feministischer Bewegungen wieder in Frage gestellt werden. Es wird aber lediglich gefordert, Frauen zu beschützen.

Doch was steckt genau hinter diesem Aufruf, „Frauen zu beschützen“?

[english version below]

Der 25. November naht und wir werden uns die übliche staatstreue pseudofeministische Laberei anhören müssen. Die Lage ist tatsächlich sehr schlimm: auf dem Territorium der BRD wird jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Partner ermordet – geschwiegen von den Angriffen auf Sexarbeiter:innen-; der NSU2.0 verschickt Morddrohungen meistens an Frauen und genderqueere Personen, Beispiele der sexualisierten Gewalt werden uns alltäglich als „sexy“ oder „romantisch“ verkauft; die polnische Regierung verbietet Abtreibung; in der französischen Metropole werden Frauen*, die Kopftuch tragen, weiterhin von jeden Entscheidungs- und sozialen Orten ausgeschlossen und mal mit Messer vor dem Eiffelturm angegriffen; (fast) ohne jegliche Anteilnahme sind FLINT*Menschen auf der Flucht auf dem Weg nach Europa und in Europa permanent mit der Gewalt der Bullen, des Staates, der Fachos und der Patriarchen zugleich konfrontiert und auch in unseren eigenen Reihen werden aktuell häufiger Fälle von sexualisierter Gewalt an Frauen* öffentlich.

Am „Tag gegen Gewalt an Frauen*“ werden reichlich lose Reden geschwungen über die armen unterdrückten Frauen woanders in der Welt, die befreit werden müssten. Gegen Unterdrückung oder gegen sexualisierte Gewalt wird Haltung vom Staat, Gesetzesreformen und Maßnahmen bis hin zur Kriegsführung von Regierungen durchgeführt oder von der UNO gefordert.

Wir erleben offensichtlich einen generellen patriarchalen Rollback – d.h., dass der patriarchale, konservative Aufwind in der Politik so stark wird, dass Erfolge feministischer Bewegungen wieder in Frage gestellt werden. Es wird aber lediglich gefordert, Frauen zu beschützen.

Doch was steckt genau hinter diesem Aufruf, „Frauen zu beschützen“? Erstens, dass die „Frauen“ sich nicht selbst wehren oder gar schützen können: ein hartnäckiges Rollenbild. Es fängt an bei der Prinzessin die gerettet werden muss, und schleicht sich bis in den Gerichtsaal mit der Anklage wegen Körperverletzung wenn frau* sich wehrt. Es wird von „Frauen“ erwartet, dass sie sich weiterhin wehrlos, schutzlos und passiv in die sicheren Hände des Staates und/oder der Männer geben und bloß keine Eigeninitiative für Leib und Leben treffen.

Da sind sich Bullen, Parlamentarier:innen, Bürgis, Fundis und Fachos einig. Unter dem großzügigen, progressiven Schleier „Schutz der Frauen“ kann jegliches Gift in die Bevölkerung gespritzt werden, und so wird der parlamentarische „Feminismus“ immer wieder genutzt, um rassistische, klassistische und autoritäre „Sicherheits“-Maßnahmen durchzupushen und das staatliche Gewaltmonopol zu rechtfertigen. Längere, direktere Knaststrafen? Frauen beschützen. Strengere Kontrolle der Migranten? Frauen beschützen. Zwangsräumung prekärer Lager? Frauen beschützen. Vehrmehrte DNA-Proben? Frauen beschützen. Neue Straßenlaterne? Frauen beschützen. Kameramast? Frauen beschützen.

Ähnlich wie proDeutschland oder selbsternannte ‚Bürgerwehr‘-Männergruppen treiben rechte Frauengruppen, mit ihrer Forderung nach „Schutz vor Ausländern/Kriminellen/Asozialen“ nicht nur rassistische, sozialchauvinistische und faschistische Hetze an sondern kämpfen für noch autoritärere, heteropatriarchalere Zustände.

Doch müssen wir so weit rechts nicht schauen: um den Einsatz von mehr Bullen in der Jagd auf schwarze Menschen im Görli zu legitimieren, meinte Monika Hermann, Bürgermeisterin von Kreuzberg: „Ich gehe in Berlin durch gar keine Parks, ich weiß ja nicht, wie Sie das handhaben, aber das ist mir als Frau zu gefährlich“. Wenn der Verdacht, Drogen zu dealen, nicht ausreicht um schwarze und migrantische Menschen aus dem Viertel zu jagen, dann schnell das gute alte Motto: Frauen beschützen.

Nicht alle Frauen, natürlich. Eher so weiße Cisfrauen einer bestimmten sozialen Klasse. Die Morde an Beate Fisher und an Rita Awour Ojunge haben nicht für Empörung gesorgt.

Wichtig ist, immer wieder daran zu erinnern: der Ursprung von patriarchaler Gewalt liegt mitunter in Rollenbildern. Frauen sollen passiv sein, Männer stark für zwei. Doch werden Cis-Männer nicht nur gewalttätig wegen ihrer gesellschaftlichen Rolle, sondern auch wenn diese Rolle wackelt – denn generell dient patriarchale Gewalt dem Machterhalt. Ein erster Schritt um gegen patriarchale Gewalt zu agieren ist es, Rollenmuster aufzubrechen. Erst recht, da viele Frauen* gar nicht erst in diesen Rollenbildern vorkommen: schwarze Frauen, Lesben, Transfrauen die allein aufgrund ihrer Identität patriarchale Gewalt erfahren.

Doch es ist nicht so einfach, sich von dieser Norm der Passivität und der cis-sexistisch binären Rolle zu lösen. Denn wer sich als Frau* wehrt und aktiv wird gegen Nazis, Misogynisten, Rassisten oder Faschos soll mit besonders strengen Strafen rechnen, und zwar nicht nur von Seiten staatlicher Repressionsbehörden. Erst kürzlich zeigte sich dies im Falle der theatralischen Festnahme von Lina. Lina wird innerhalb des Leipziger 129§ wegen Körperverletzung gegen organisierte Nazis beschuldigt. Sie wurde zur Freude von Welt, Bild, Tag24 und ähnlichen Scheißblättern, von Leipzig zur Generalbundesanwaltschaft nach Karlsruhe mit dem Heli gebracht. Viele erinnerte es an den Helitransport von Stephan Balliet, der Fascho-Attentäter, dessen antisemitische und rassistische Ideologie am 9. Oktober 2019 in Halle zwei Menschen das Leben kosteten. Bemerkenswert, wie in der Show der Justiz Nazimörder und eine Frau, die dagegen aktiv vorgeht, Seite an Seite gestellt werden.

Die Presse wirft sich natürlich gierig auf diesen Fall. Dass die Presse sich freut, gezielt Individuen aus der linksradikalen Bewegung in den Vordergrund zu rücken, ist bekannt und analysiert. Hier ist aber noch was anderes, und zwar der Ausdruck eines schrägen Imaginär über Radikalität und radikale Frauen*. In dem sie Zeile für Zeile ihre Wörter in der Beschreibung des Körpers und der Klamotten unserer Gefährtin verschwenden, drücken diese Drecksjournalisten nichts anderes als ihre eigenen patriarchalen Fantasmen aus. Mehr dazu hier.

Dadurch entsteht für Lina eine doppelte Strafe: so wurde sie wegen ihres selbstbestimmten, radikalen Handelns nicht nur entführt und eingesperrt, sondern wird jetzt auch noch von Mackern sexualisiert und fantasiert. Der Backlash der Presse gegen Frauen*, die sich nicht brav an ihre Rolle anpassen, ist zum kotzen. Der Fall ist leider nicht neu, und hat die Frauen der bewaffneten Gruppen in den 70‘ und 80‘ besonders dolle getroffen. Von Gudrun Ensslin als „die Freundin von Baader“ zu Nathalie Ménigon und Joelle Aubron, Mitglieder der Action Directe, über die die französische Presse jahrelang ausgerastet ist.

Diese doppelte Strafe wird zu einer dreifachen Strafe, wenn radikale Frauen* auch noch von der eigenen Bewegung sexualisiert bzw fetischisiert werden, nicht ernst genommen und von Cis-Männern ausgenutzt werden um sich selbst zu validieren.

Die Zeiten sind hart, aber wir sind entschlossen, solidarisch und einfallsreich. Weder patriarchale Dynamiken in der Szene, noch der generelle patriarchale Rollback, noch gewaltbereiten Fachos oder Faschos in Uniform werden uns aufhalten, uns zu schützen, uns zu wehren, und offensiv und selbstbestimmt gegen jegliche Autorität und gegen das Bestehende zu handeln. Denn jeder Antifaschismus, jeder antiautoritäre Kampf muss feministisch sein, und umgekehrt.

Für ein offensiven und militanten Feminismus, für einen aufsuchenden Antifaschismus.

Ganz liebe, wütende Grüße an Lina, die Feministische Aktions Zellen, an das Liebig34-Kollektiv, die Migrantifa, Alliance of Internationalist Feminists und an alle Menschen, die in intersektionalen Kämpfen strugglen.

 

Lass uns aus jedem Tag einen Tag feministischer Gegengewalt machen!

 


 

 

 

25th Novemeber is approaching and we will have to listen to the usual pro-state pseudo-feminist bullshit. The situation is indeed very bad: on the territory of Germany every third day a women is murdered by her partner – not to mention attacks on sex workers; the NSU 2.0 blackmails almost only women and queergenderd persons; examples of sexualized violence are sold to us every day as “sexy” or “romantic”; the Polish government bans abortions; in the French metropolis, women* who wear burqas continue to be excluded from all decision-making and social places and sometimes are attacked with knives in front of the Eiffel Tower; (almost) without any sympathy, refugee FLINTs on their way to Europe and in Europe are permanently confronted with the violence of cops, the state, fascists and patriarchs and in our own ranks cases of sexualized violence against women* are currently more often made public.

On the “Day of Elimination of Violence against Women*” plenty of loose speeches will be held about the poor oppressed women elsewhere in the world who need to be freed. Condemnation by the state, legal reforms and measures up to warfare against oppression or sexualized violence are carried out by governments or demanded by the UN. Wir are experiencing a general patriarchal rollback – which means the patriarchal and conservative tendency in politics is growing strong enough to challenge feminist achievements again. Still the only demand is : to protect women.

But what exactly lies behind this call to “protect women”? First, that “women” cannot defend or even protect themselves: a persistent role. It starts with the princess who has to be rescued, and sneaks into the courtroom with the charge of assault if woman* defends herself. It is expected of “women” that they continue to give themselves up defenselessly, helplessly and passively in the safe hands of the state and/or the men, and that they do not take initiative for their physical integrity.

Here cops, politicians, bourgeoisie, fundamentalists and fascists are united. Under the generous, progressive veil of “women’s protection,” any kind of poison can be injected into the population, and thus parliamentary “feminism” is repeatedly used to push through racist, classicist and authoritarian “security” measures and justify the state’s monopoly on the use of force. Longer, more direct prison sentences? To protect women. Stricter control of migrants? To protect women. Forced eviction of precarious camps? To protect women. Increased DNA sampling? To protect women. New streetlight? To protect women. Camera pole? To protect women.

Similar to proDeutschland or self-proclaimed Bürgerwehr men’s groups, right-wing women‘s groups not only push racist, social chauvinist and fascist hate as they demand „protection from foreigners/criminals/misfits“, but also fight for more authoritarian, heteropatriarchal conditions.

But we don’t have to look that far to the right: in order to legitimize the use of more cops in the hunt for black people in Görlitzer Park, Monika Hermann, mayor of Kreuzberg, said: “I don’t go through any parks in Berlin, I don’t know how you handle it, but as a woman it’s too dangerous for me”. If the suspicion of dealing drugs is not enough to chase black and migrant people out of the neighborhood, then the good old motto will do: protect women.

Not all women, of course. Rather only white cis-women of a certain social class. The murders of Beate Fisher and Rita Awour Ojunge did not cause outrage.

It is important to remember that the origin of patriarchal violence also lies in role models. Women should be passive, men strong for two. Cis-men become violent not only because of their social role, but also when this role is questioned – because patriarchal violence generally serves to maintain power. A first step to act against patriarchal violence is to break up role patterns. Especially since many women* do not even appear in these role models: black women, lesbians, transwomen who experience patriarchal violence solely because of their identity.

But it is not so easy to break away from this norm of passivity and the cis-sexist binary role. Because if you defend yourself as a woman* and become active against Nazis, misogynists, racists or fascists you should expect particularly severe punishments, and not only from state repressive organs. Only recently this became apparent in the case of the theatrical arrest of Lina. Lina is accused within the Leipzig 129§ of assaulting organised nazis. To the delight of Welt, Bild, Tag24 and similar shitty papers, she was taken by helicopter from Leipzig to the Federal Prosecutor General’s Office in Karlsruhe. It reminded many of the heli-transport of Stephan Balliet, the fascist assassin, whose anti-semitic and racist ideology cost two people their lives in Halle on October 9, 2019. Remarkable how in this theatre piece orchestered by the justice system, Nazi murderers and a woman, who is actively fighting against them, are placed side by side.

The press is of course greedily jumping on this case. It is no news that some individuals from the radical left movement are specifically brought into the limelight. But here is something else, the expression of a weird imaginary about radicalism and radical women*. By wasting their words line by line in the description of our companion’s body and clothes, these dirty journalists express nothing but their own patriarchal fantasies. More here.

This results in a double punishment for Lina: she was not only abducted and imprisoned because of her self-determined, radical actions, but now she is also sexualized and fantasized by machos. The backlash of the press against women* who don’t behave and adapt to their role is disgusting. The case is unfortunately not new and hit the women of the armed groups in the 70′ and 80′ particularly hard. From Gudrun Ensslin as “Baader’s girlfriend” to Nathalie Ménigon and Joelle Aubron, members of the Action Directe, about whom the French press went nuts for years.

This double punishment becomes a triple punishment when radical women* are sexualized or fetishized by their own movement, are not taken seriously or exploited by cis-men to validate themselves.

Times are hard, but we are determined, solidary and resourceful. Neither patriarchal dynamics in the scene, nor the general patriarchal rollback, nor violent fascists or fascists in uniform will stop us to protect ourselves, to defend ourselves, and to act offensively and self-determined against any authority and against the existing. Because every anti-fascism, every anti-authoritarian struggle has to be feminist, and vice versa.

For an offensive and militant feminism and a door crushing antifascism.

Very warm, angry greetings to Lina, the Feministische Aktions Zellen, the Liebig34 collective, Migrantifa, the Alliance of Internationalist Feminists and every person who fights in intersectional stuggles.

 

Let us turn every day into a day of feminist counter-violence!

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