Antifaschistisches Netz im Baskenland

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Die baskische Internet-Plattform ikusle.com (baskisch: Zuschauer/in) hat Sare Antifaxista interviewt, ein antifaschistisches Netzwerk aus Bilbao, das in mehr als 10 Jahren den Begriff Antifaschismus im Baskenland auf die Straße getragen hat und an der Aufarbeitung des spanischen Faschismus arbeitet. Mit seiner Arbeit ist Sare Antifaxista zu einem der wichtigsten Protagonisten der antifaschistischen Bewegung im Baskenland geworden. Baskinfo hat dieses Interview übersetzt. Only local images are allowed.

Ikusle: Was ist das Antifaschistische Netz „Sare Antifaxista“? Welche Personen oder Kollektive gehören dazu?

Sare Antifaxista: Sare Antifaxista wurde vor 12 Jahren gegründet von Einzelpersonen und Leuten, die gleichzeitig in Kollektiven arbeiteten. Ziel war es, klar und deutlich faschistische Aktivitäten zu benennen, die im Baskenland stattfanden und die immer mehr wurden.

 

In der Zeit danach haben wir Leute gesucht, die punktuell an verschiedenen Aktivitäten teilnehmen oder sie unterstützen. Die gegenwärtige Arbeit ist fokussiert auf die Historische Erinnerung, d.h. die Aufarbeitung von Krieg und Faschismus, auf Gegeninformation, wir geben Bücher heraus, arbeiten mit anderen Kollektiven aus der Volksbewegung zusammen, wir organisieren Informations-Veranstaltungen, Gedenk-Veranstaltungen, Mobilisierungen, wenn es ansteht, …

Eure Arbeit bezieht sich in erster Linie auf die Historische Erinnerung, also die Aufarbeitung des spanischen Faschismus. Dafür habt ihr verschiedene Kampagnen durchgeführt, um die im Baskenland verbleibenden faschistischen Symbole zu entfernen. Wieviele Symbole der Diktatur gibt es noch in unseren Straßen?

Richtig, von Beginn an war die antifaschistische Erinnerungsarbeit eines unserer wichtigsten Themen. Viele von uns oder aus unserem Umfeld hatten Freunde, Familienangehörige oder andere nahestehende Personen, die auf die eine oder andere Weise vom Faschismus betroffen waren.

Die Älteren, die den Krieg erlebt haben, erzählten was sie wussten, das hat unsere Erfahrung enorm bereichert, gleichzeitig haben wir erlebt, wie viele von ihnen nach und nach gestorben sind, die biologische Uhr steht nicht still. Die noch leben sind heute mehr als 95 Jahre alt und dennoch bleiben sie in Kontakt mit der baskischen Erinnerungs-Bewegung, wann immer wir sie darum bitten.

Andere, die das franquistische Regime erlebt haben, sind 50 Jahre oder älter, auch sie sind aktiv in der Bewegung, sie arbeiten in historischen Organisationen, Kollektiven, Parteien, Gewerkschaften … Viele haben Menschenrechts-Verletzungen erfahren: sie wurden festgenommen, eingesperrt, gefoltert, ihre Namen standen auf schwarzen Listen, manche mussten ins Exil …

Zusammen verteidigen wir die Historische Erinnerung im Baskenland, für uns ist das der Zeitraum von 1936 bis 2016. Denn wir gehen davon aus, dass die Motive, die zu Kriegsverbrechen und Menschenrechts-Verletzungen geführt haben, weiterhin Gültigkeit haben, deshalb gab und gibt es auch nach dem Tod des faschistischen Diktators 1975 Übergriffe, bis heute. Zum Beispiel gab es 1977 eine Amnestie für alle Kriegsverbrechen, die bis heute Gültigkeit hat.

Diese Straflosigkeit spiegelt sich auch in den Symbolen wieder, die nach wie vor in öffentlichen und privaten Räumen zu sehen sind, Symbole des faschistischen Regimes vom 18. Juli 1936. Seit dem Beginn unserer Aktivitäten haben wir – zusammen mit anderen antifaschistischen und Memoria-Gruppen – eine Bestandsaufnahme gemacht und sind zur Entfernung dieser Symbole übergegangen, zumindest jener, die für uns zugänglich waren.

Später sind Institutionen unseren Schritten gefolgt und haben eine ausführlichere Katalogisierung vorgenommen, das Dokument der baskischen Regierung ist ein Zeichen davon. Die navarrische Regierung ist im Begriff, ein ähnliches Dokument anzufertigen.

Vom baskischen Parlament habt ihr gefordert, dass die beiden Resolutionen umgesetzt werden, die von der Mehrheit des Parlaments beschlossen wurden, nämlich die endgültige Beseitigung dieser Symbole. Ihr stellt jedoch fest, dass es keinen politischen Willen gibt diesen Beschluss umzusetzen. Warum? Wer oder was steht dem entgegen?

Zwei Mal waren wir im Parlament von Vitoria-Gasteiz und haben zwei Beschlüsse erreicht, bei denen es um die Entfernung jener Symbole ging.

Doch hat die baskische Regierung nichts zur tatsächlichen Entfernung der Symbole unternommen. Die Volksbewegung, die Erinnerungs-Bewegung, die Antifaschistinnen und in einigen Fällen willige Stadtverwaltungen mussten die Sache in die Hand nehmen und in Anbetracht der Untätigkeit politischer Stellen die Zeichen entfernen. Jetzt wird uns gesagt, wir sollten bei der von der baskischen Regierung neu gegründeten Organisation Gogora (Erinnern) mitmachen, um die Entfernung umzusetzen. Wir warten weiter und reißen weiter in Eigeninitiative die Symbole ab.

In welcher baskischen Provinz gibt es die meisten Reste franquistischer Symbole?

Wenn wir dem Bericht folgen, dann ist es Bizkaia, sicher weil es die Provinz mit den meisten Einwohnerinnen ist. Was gibt es in den vier Südpropvinzen zu finden: die typischen Schilder vom falangistischen Wohnbau-Ministerium, Kreuze und Schilder für die Gefallenen „für Gott und Spanien“, imperiale Adler, Gräber von bekannten Faschisten, Gemälde von franquistischen Bürgermeistern, Verdienstmedaillen, Ehrentitel, usw.

Neben den Symbolen, was erinnert im Baskenland noch an den Franquismus?

Das ist zum einen der Schaden, der in der baskischen Sprache angerichtet wurde; es bleibt die Angst, vor allem bei älteren Leuten, über bestimmte Dinge zu sprechen; es bleiben die Privilegien, die der katholischen Kirche zugesprochen wurden. Ungeklärt ist das Thema der Massengräber und der Verschwundenen, das Thema der Beschlagnahmungen nach dem Krieg, die willkürlichen Urteile, die geraubten Kinder – alles Themen, die uns beschäftigen. Da liegt noch viel vor uns. Aber nach 80 Jahren und unserer täglichen Arbeit stehen die Themen sichtbar auf der Tagesordnung, das macht sich vor allem bei den neuen Generationen bemerkbar.

Sare Antifaxista hat sich sehr kritisch zu der sogenannten Transition, also dem “demokratischen Übergang” nach dem Franquismus im spanischen Staat geäußert. Steckt in diesem Prozess auch etwas Positives? Wie hätte eurer Vorstellung nach der Übergang vonstatten gehen müssen?

Allein das wäre ein Thema für ein ganzes Interview. Als der Caudillo (Führer) tot war, wurde die Maschinerie mit seinen letzten Wünschen in Gang gesetzt, die im Übrigen allen bekannt waren, denn alles war „vorbereitet und zwar gut vorbereitet“. An der Spitze des Staates wurde der Borbone gsetzt (der König), da gab es keinen Verhandlungs-Spielraum. An zweiter Stelle wurden die alten Köpfe aus dem Franquismus platziert, zum Dritten wurde per Amnestie Straflosigkeit garantiert für alle Kriegsverbrecher und jene, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, das gilt auch für Verbrechen danach; und viertens die Sicherung des kapitalistischen Systems.

War es ein Übergang? Nein, es war schlicht eine Fortsetzung dessen,w as am 18. Juli 1936 auf blutige Weise begonnen hatte. Die Änderungen, die später kamen waren nicht Ausdruck von politischem Willen, sondern von gesellschaftlichen Tsunamis, wir sprechen von den regionalen Autonomie-Statuten, vom Scheidungsrecht, von zivilen Trauungen, von der Abschaffung des allgemeinen Wehrdienstes, etc.

Die Generationen vor uns, antifaschistische Kämpferinnen und später Antifranquistinnen kämpften zuerst in den Schützengräben für die Freiheit und wurden danach von der Nationalpolizei mit Knüppeln verfolgt – sie forderten einen Neubeginn von Grund auf, das Ende des Genozid-Regimes. Sie wollten die Demontage des politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, militärischen, juristischen und polizeilichen Apparates – das wäre ein demokratischer Sprung gewesen, dafür war gekämpft worden und viele zahlten dafür mit dem Leben.

Dieser Übergang (Transición) war auch nicht beispielhaft, wie es gerne dargestellt wird, auch diesen Mythos stellen wir in Frage. Die unteren Klassen bezahlten mit Hunderten von Toten und Tausenden von Verletzten. Aus diesem postfranquistischen Schlamm entwickelten sich später Terror-Schwadrone wie Triple A, das Batallón Vasco-Español, der schmutzige Krieg, die GAL, die ultrarechte Gewalt … weitere zwanzig Jahre Terror, die noch nicht zu Ende sind.

Sprechen wir von Iparralde, dem nördlichen Baskenland auf französischer Seite. Geht ihr davon aus, dass die letzten islamistischen Attentate der Front National von Marine Le Pen mehr Wahlstimmen bescheren werden? Welche Rolle spielt diese ultrarechte Partei hinter der Bidasoa-Grenze?

Die Front National der Le Pen – Vater und Tochter – ist im französischen Staat mit der sog. Wirtschaftkrise und der sozialen Unzufriedenheit gewachsen. Ihr rassistischer und xenophober Charakter war bereits hinreichend bekannt. Der Höhenflug begann mit der Entwicklung im Rest Europas. Der Aufstieg der extremen Rechten, neonazistische Gruppen, Ultranationalisten, etc. … und die Islamophobie als Flaggschiff. Die Front National hat von dieser Tendenz profitiert, es kamen die Wahlerfolge im Europäischen Parlament, sowie bei kommunalen, regionalen und nationalen Wahlen.

Das hat sich auch in Iparralde bemerkbar gemacht. Es hat alle kalt und unvorbereitet erwischt. Dabei gab es Anzeichen, aber sie sind durch die Hintertür einmarschiert, ohne viel Aufruhr. Beunruhigend ist, dass es nach wie vor keine Gegenreaktion gibt.

Ist es denkbar, dass die Front National bei den nächsten Wahlen im Departement Pirinées Atlantiques zum ersten Mal eine parlamentarische Vertretung erreicht?

Aufgrund des Wahlmodus ist es im französischen Staat relativ schwierig, eine parlamentarische Vertretung zu erreichen. Das haben verschiedene Wahlen deutlich gemacht, nur eine politische Überraschung, die Passivität der Rechten oder der aktuellen liberalen Sozialdemokratie könnte einem solchen politischen Desaster den Weg ebnen. Möglich? Ja, nach dem was wir schon erlebt haben und wohl noch zu erleben haben.

Existiert ein Risiko, dass ultrarechte Parteien im südbaskischen Wahlpanorama zu Erfolgen kommen? Um welche Parteien könnte es sich handeln?

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir erlebt, wie faschistische Parteien, Neonazis, Populisten und sogar politische Sekten bei verschiedenen Wahlterminen auf den Stimmzetteln aufgetaucht sind. Die Mehrheit dieses Wahlpotentials wurde in der ehemaligen postfranquistischen Alianza Popoular aufgenommen, heute ist es die regierende PP (Volks-Partei). In Navarra ist die UPN für dieses Spektrum zuständig. Nur die neue Vox-Partei könnte eine Konkurrenz darstellen beim Buhlen um diese Ultra-Stimmen.

Bei einigen Wahlen nehmen sie teil, bei anderen nicht, manchmal holen sie ein paar Hundert, manchmal Tausende von Stimmen, aber glücklicherweise ist in diesem Spektrum die Zersplitterung groß, zu unserem Glück existiert kein Führer, der sie vereint. Das heißt, nichts Nennenswertes im Wahlpanorama, Besorgnis erregend ist das, was sich auf der Straße abspielt.

Denn all das ist nur der Ausdruck einer Krankheit, die Ideologie basiert auf dem Hass des Anderen. Auf einem krankhaften Sexismus, Rassismus, Xenophobie, LGTB-Phobie, Armenfeindlichkeit, das macht sie gefährlich. Der Diskurs, die Graffitis, dieser nazi-faschistische Müll stört uns natürlich, aber wenn sie einen Schritt weiter gehen und Leute umbringen … wir haben die Fälle von Alejo Aznar, Yolanda Gonzalez, Aitor Zabaleta, Carlos Palomino, Josu Muguruza und anderen vor Augen.

Es ist gar nicht nötig, dass wir das feststellen: in den vergangenen 5 Jahren sind die Hass-Delikte sowohl im Baskenland wie in Navarra, und natürlich im spanischen Staat kräftig angestiegen – das stellen die spanische und die baskische Regierung in ihren jährlichen Berichten fest.

Wie bewertet ihr die aktuelle Situation in Europa? Gibt es mittel- und langfristig ein Wachstums-Potential für die extreme Rechte, wie verschiedene Soziologen sagen, oder handelt es sich um eine vorübergehende Reaktion auf Probleme wie die Wirtschafts- und die Flüchtlings-Krise.

Die Gefahr ist bereits Wirklichkeit. Wirtschaftskrise, Islam, Migration, Flüchtlinge waren ihre trojanische Pferde, die den unterschiedlichen Gesellschaften Angst und Hass auf das Andere eingeimpft haben, vorgeschoben werden Argumente von Sicherheit, Wirtschaft, Rasse und Religion.

Frankreich, Italien, Griechenland, Ungarn, Polen, Holland, Dänemark, Finnland, Deutschland, Österreich, Ukraine … überall erzielt die Ultrarechte nicht nur gute Ergebnisse auf nationaler Ebene, sie haben längst den Sprung gemacht ins Europäische Parlament, über verschiedene Allianzen haben sie eine eigene Gruppe erreicht, verfügen über große finanzielle Unterstützung und politischen Einfluss. Das beeinflusst die europäische Politik und die der verschiedenen Länder. In Bündnissen wie der NATO wird die Gefahr sichtbar, wir müssen nur einen Blick werfen auf die Haltung in Konflikten wie der Ukraine.

Die Linke im Allgemeinen und die Sozialdemokratie im Besonderen sind nicht mehr immun gegen die von faschistischen Parteien und Organisationen verursachten Tendenzen, die haben längst einen Teil jener alten linken Wählerschaft erobert. Aus Mangel an Aufmerksamkeit wird manches Fußball-Spiel verloren. Genau das ist auch hier passiert. Zum Beispiel wurden die Banlieus von Paris und anderen großen Städten, Arbeiter- und Migranten-Viertel der zweiten, dritten oder vierten Generation komplett von der Front National übernommen, die Linke ist ausgewandert und die Ultrarechte besetzt diesen Raum.

Was sollte die Antwort der Bevölkerung sein, angesichts des Aufschwungs der Ultrarechten?

Mobilisierung und sozial-politische Zuverlässigkeit, die Forderung nach sozialer Politik, mehr Erziehung, Null Toleranz gegen Faschismus, Sexismus, Fremden-Feindlichkeit, Armen-Feindlichkeit und gegen LGTB-Feindlichkeit. Soziale Bewegungen, antifaschistische und antirassistische Organisationen in Europa organisieren sich gegen rassistisch-faschistische Bewegungen wie die Pegida oder die englische Defense League, die Unterstützungs-Bewegung für die Flüchtlinge war sehr stark in den vergangenen Monaten. In jedem Viertel, in jedem Dorf, jeder Stadt und in jedem Land: Kampf, Beständigkeit und Engagement sind der Weg, heute und in der Zukunft.

QUELLE:

 

* http://www.ikusle.com/politica/14/08/2016/entrevista-sare-antifaxista-para-combatir-a-la-ultraderecha-hacen-falta-lucha-compromiso-y-militancia/

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