Auswertung der Take Back The Night Demo 2023 in Berlin + Nachtrag zur Presse
Die Take Back The Night Demo liegt nun einige Monate hinter uns. Wir haben uns die Zeit genommen, um die diesjährige Demo und Mobilisierung zu evaluieren und einen Ausblick für das nächste Jahr zu wagen.
FÜR DIE ZERSTÖRUNG DES PATRIARCHATS
Zusammenfassung des Ablaufs
Am 30.4.2023 kamen wir am Mariannenplatz zusammen, um uns ohne Cis-Männers die Nacht zurückzuholen. Wir begannen mit einer Anfangskundgebung, die mit Redebeiträgen und einem musikalischen Rap-Act eingeleitet wurde. Schließlich liefen wir (nach einigen technischen Schwierigkeiten) los in Richtung Köpenicker Straße. Im Laufe der Nacht wuchs die Demo auf über 3000 FLINTA* an. Dies ist bis jetzt die mobilisierungsstärkste Take Back The Night – Demo der letzten Jahre in Berlin.
Schon direkt zu Beginn zeigten wir, dass wir Bock und Wut in unseren Bäuchen hatten. Böller flogen, Pyro wurde gezündet und auch einige Karren wurden eingeschmissen. Allerdings konnten die Bullen sehr schnell zu ziehen und begannen nach den ersten Minuten der widerständigen Stimmung einen Spalier und schließlich einen Wanderkessel zu bilden.
Ab dann machten es uns die Bullen sehr schwer und die Demo war gezeichnet von Stop and Go und vielen Prügelangriffen der Bullen auf den Frontblock. Liebe geht raus an die stabilen Menschen im Frontblock, die sich nicht haben unterkriegen lassen und auch in diesen Moment klare Kante gezeigt haben! Im Laufe der Demo bzw. nach der Auflösung wurden drei Menschen festgenommen, die allerdings im Laufe der nächsten Stunden wieder freigelassen wurden. Die Festnahmen blieben nicht unkommentiert und Menschen blieben solidarisch stehen.
Es gab verschiedenen Dachaktionen auf der Route und an der Kottiwache, war die Demo laut und wiederständig.
Am Spreewaldplatz wurde die Demo schließlich vorzeitig aufgelöst. Dies war eine selbstbestimmte Entscheidung. Denn eine Demo, die von einem Wanderkessel begleitet wird und alle drei Minuten zum stehen gebracht wird, ist eine Farce. Trotz dieser Schikanen und Versuche uns zum Schweigen zu Bringen, blieben wir laut und wütend. Keine Sekunde ohne Rufe und gemeinsamer Momente verging.
Reflektion
Die Anfangskundgebung war voll von PMS und einigen unsolidarischen Journalist:innen, die teilweise ungestört die Menschen abgefilmt haben.
Die Bullen haben es uns schwer gemacht. Einerseits, weil die großen Straßen Doppelspaliere der Bullen zugelassen haben und andererseits, weil Kreuzberg seit Jahrzehnten geübtes Gebiet ist.
Wir wissen, dass die Polizei eine Form der institutionalisierten, kolonialen und patriarchalen Gewalt ist. Die Repression der Bullen war groß. Am Kotti haben sie mit Flutlichtern gewartet und generell war das Bild dieser Demo mehr geprägt von Bullenhelmen, als Demotranspis. Es war von außen nicht mehr ersichtlich, worum es eigentlicht geht und wer wir sind.
Es ist davon auszugehen, dass die Bullen in den nächsten Jahren weiter so repressiv und aggressiv gegen uns vorgehen werden. Dennoch, wollen wir diese Wut weiterhin am 30.04. rauslassen, auch wenn wir uns gefragt haben, ob die Repression auch mit der Wahl des Datums vor dem 1. Mai zu tun hat. Bullen aus ganz Deutschland werden dafür angekarrt und können sich dann am Abend davor bei uns austoben. Aber wir werden an dem Datum festhalten. Es ist und bleibt die antipatriachale Walpurgisnacht am 30.4., bei der wir denen gedenken, die in den Jahrhunderten der Unterdrückung Widerstand leisteten. We’re the witches you couldn’t burn. Wir ermächtigen uns gegen die Gewalt, die auch wir alltäglich erleben.
Aber wir müssen uns die Frage stellen, wie wir mit der Repression umgehen, ohne den Charakter der Demo zu verlieren. Wir bleiben im Prozess, denn eins ist klar, unter solchen Bedingungen wollen wir nicht den 30.04. begehen.
Es wurde uns auch mitgeteilt, dass Menschen immer noch der Demo verwiesen wurden, weil ihnen ein Geschlecht zugedichtet wurde. Wir hatten immer wieder versucht am Anfang und in unseren Texten darauf hinzuweisen, dass Geschlecht nicht von außen festzumachen ist. Es ist traurig zu sehen, dass es immer noch Realität ist, dass Menschen Angst haben müssen, dass ihnen das passieren könnte.
Kritik
Im Laufe der Organisierung der Demo und im Nachklang gab es Kritik die uns mitgeteilt wurde. Diese wollen wir hier transparent machen.
– Mobivideo: Eine internationalistische Praxis ist leider noch nicht Realität in vielen feministischen Kreisen in Berlin und das Mobivideo hat das aber so dargestellt.
– Schutzkonzept hat gefehlt
– Demosprüche können reflektiert werden. “Kein Gott, kein Staat”. “Whose street”.
Liebe an unsere Gefährt:innen
Wie die Jahre zuvor, war die Demo trotzdem überwältigend. Diese Demo ist ein Raum der wunderschönen Kollektivität, in der wir aufeinander aufpassen und ausprobieren gefährlich zu sein. In diesem Momenten vernetzen wir uns als (queer)feministische Gruppen und bauen Netwerke für die Zukunft, die bleiben, da wir sehen, dass wir auch unter widrigen Bedingungen füreinander einstehen. Trotz des Aufkommens von Modellen von neoliberalen Feminismen (feministische Außenpolitik wtf?) lassen wir uns nicht auf Kompromisse ein. Wir haben gezeigt, dass wir Hass auf Staat, Ausbeutung und Cops in uns tragen und haben das den Bullen in ihre behelmten Fressen geschrien. Das wird so bleiben, denn wir sind gefährlich und lassen uns nicht einschüchtern.
Bis zur nächsten Walpurgisnacht! Wir holen uns jede verdammte Nacht zurück bis Kapitalismus, Patriarchat und Kolonialismus abgeschafft ist!
Nachtrag:
(Un-)Solidarische Presse?!
Journalismus ist und war noch nie unpolitisch.
Gerne wird von der Neutralität der Presse gesprochen, aber: Jedes Medium und jede*r Journalist*in hat eine politische Position. Wir haben keinen Bock auf bürgerliche Presse mit ihrer Scheinneutralität und keinen Bock auf linksliberale Presse mit ihrer Scheinsolidarität! Wir haben keinen Bock auf Presse, die die Lügen der Bullerei verbreitet oder Material mit dem Staat und seinen Repressionsbehörden teilt. Presse, die kein Interesse an den politischen Inhalten unserer Demonstration hat, sondern sich lediglich an der vermeintlichen Sensation bedient und mit Bullen kooperiert, kann niemals behaupten objektiv zu sein! Das eigentlich kritische Potential von Presse geht verloren und wird stattdessen zur Hilfestellung für Staat und Herrschaft, um ihre Gewalt über uns aufrecht zu erhalten. Wer im Namen von Pressefreiheit politische Strukturen offenlegt und Personen Repressionen aussetzt, sollte sich nicht wundern, auf Ablehnung zu stoßen und dass Menschen nicht von ihnen abgefilmt werden wollen. Das Zuhalten einer Kamera ist kein Angriff auf die Pressefreiheit, sondern ein Nein zu der Frage, die nicht gestellt wurde und zwar: Darf ich dich/euch fotografieren?
Keine Toleranz für Journalist*innen, die Kamerabulle spielen und mit dem Staat kooperieren! Keine Toleranz für unverpixelte Aufnahmen von Personen und unfreiwillige Aufnahmen!
Wir stehen mit unseren Freund:innen und Gefährt:innen, die infolge der Demo von Repression betroffen sind!
Ergänzungen
Alle Tage: Sabotage
Danke für die öffentliche Auswertung. Wir stimmen zu, was über den gewöhnlichen Journalismus gesagt wird. Wir haben noch eine Zeit erlebt, in der es üblicherweise "Kameramann - Arschloch!" hieß. Ein bekannter denunziatorischer Fotojournalist fand sich damals auch im Krankenhaus wieder, als er trotz Ansage wieder Porträtaufnahmen machte. Das war damals kein Anlass für eine Diskussion. Wir finden es noch immer richtig, Fotojournalisten, die mit Repressionsbehörden zusammenarbeiten, klar zu verdeutlichen, dass wir mit dieser Praxis nicht einverstanden und gewillt sind, dies zu unterbinden, Es muss wieder die Regel werden, dass Journalist*innen sich akkreditieren. Wir arbeiten mit linken Journalistinnen zusammen und geben Interviews, wenn sie bereit sind, diese akkreditieren zu lassen.
Wir werden am 30.4. von Jahr zu Jahr mehr. Das ist gut und vielversprechend. Die Demo war 2023 kraftvoll und stark. Wir regen an, 2024 wieder zu mobilisieren, aber auch an anderen Tagen des Jahres sichtbar zu werden - beispielsweise schon mit einem Block auf der abendlichen revolutionären Demo am kommenden Tag.
der unterschied zwischen der
der unterschied zwischen der anarchaqueerfeministischen bewegung und linksliberalen ist die unversöhnlichkeit mit staat und patriarchat. keine liebe fürs terfs und antifeministische pseudojournalisten.