Heraus zur Revolutionären 1. Mai-Diskussion 2020!
Hier ein Repost des Debattenbeitrags zum 1. Mai. Von der Moderation wurde das erste Posting derart verschoben, dass es quasi nicht mehr auffindbar ist. Daher nun hier nochmal für den Openposting-Bereich.
Ein Debattenbeitrag des Vorbereitungskreis der Berliner Revolutionären 1. Mai Demo zu den derzeitigen Planungen
Wir, vorbereitende Gruppen der diesjährigen Demonstration zum 1. Mai in Friedrichshain, rufen hiermit zum Revolutionären 1. Mai 2020 in Berlin auf. Gerade in den aktuellen Zeiten gibt es aus unserer Sicht mehr als genug Gründe, um auf die Straße zu gehen. Stichpunktartig seien hier nur die faschistischen Morde der letzten Monate, der immer weiter um sich greifende Rassismus, die sich immer weiter verschärfende Situation am Wohnungsmarkt, die Räumungsdrohungen gegen eine Vielzahl von alternativen Projekten, die Klimakrise und nicht zuletzt die menschenunwürdige Situation der vielen Tausend Menschen an den EU-Außengrenzen genannt. Im Bündnis gab es bereits mehrere Treffen und wir wollen jetzt mit euch gemeinsam über den Sinn, Charakter und die Verantwortbarkeit von Aufrufen zu diesem Datum diskutieren.
Auf der einen Seite nehmen wir das Risiko der Ansteckungsgefahr und die Folgen, sowie Schutzmaßnahmen dagegen sehr ernst. Aber nicht weil es irgendein autoritärer Staat anordnet, sondern als Notwendigkeit. Weil wir wissen, dass solche Pandemien und Krisen uns hier unten, die Unterschicht und die Marginalisierten am stärksten treffen. Uns ist bewusst, dass bei einer Demonstration dieser Größe die Gefahr einer Ansteckung mit dem Corona Virus besteht.
Andererseits ist grundsätzlich im Alltag, beim Einkaufen oder bei der Arbeit keine Garantie gegeben, sich nicht anzustecken. Im Gegenteil belegt der bisherige Verlauf der Pandemie, dass ein Verzicht auf Demonstrationen keinen Einfluss darauf hat. Wenn wir am 1. Mai gemeinsam auf die Straße gehen sollten, werden wir uns so gut es geht schützen, das heißt wir werden Schutzmasken und Handschuhe tragen.
Aber auch bei uns im Vorbereitungskreis gibt es unterschiedliche Einschätzungen, ob und unter welchen Vorzeichen eine gemeinsame Demo diesen 1. Mai stattfinden sollte.
Wir wollen deshalb eine breite Diskussionen, damit wir gemeinsam zum Revolutionären 1. Mai aufrufen können, egal wie die Welt vor oder nach dem 20. April aussieht und welche Formen des Protestes dann adäquat sein werden. Denn niemand von uns kann die weiteren Entwicklungen absehen.
Für den 1. Mai 2020 sind für uns viele Ebenen vorstellbar: Demos, Dezentrales, Aktionen und Balkonien – im Idealfall alles im gemeinsamen Bezug. Das war auch schon »vor Corona« so: der 1. Mai lebt vom aktiven Mitmachen und war immer eingebettet in solidarischen Balkon- oder Dachaktionen. Aber auch mobilisierend, vermittelnd und begleitend online. Und auch wenn die Herrschenden immer neue Methoden ausprobierten um den antagonistischen 1. Mai in Berlin zu Fall zu bringen, konnte sich dieser bis heute durch seine Anpassung an neue Erfordernisse oft wieder neu aufstellen.
Der DGB hat in dieser Krise – wo Millionen Lohnabhängige durch Kurzarbeit bis zu 40% ihres Gehaltes einbüßen, Hunderttausende Prekarisierte von Arbeitsplatzverlust bedroht sind, Marginalisierte nach den Armutsgesetzen (Hartz IV) noch weiter an den Rand gedrängt werden – vorauseilend alle 1. Mai Demos abgesagt. Das macht erneut deutlich, wie wichtig die Aufrechterhaltung eines antagonistischen 1. Mai aktuell sein kann. Auch um den Unzufriedenen der Krise des Kapitalismus eine Plattform anzubieten, ihren berechtigten Protest und Widerstand zum Ausdruck zu bringen.
Die zur Zeit praktizierte Form des Notstands ist eine Herausforderung an alle antagonistischen Strukturen und widerständigen Individuen, einen Umgang damit zu finden, der über das Aussitzen hinausgeht. Da kein Ende der aktuellen Beschränkungen in Sicht ist und diese weltweit von den Regimes perfektioniert werden, muss eine Positionierung dazu über das Verbreiten von Texten im Internet hinausgehen. In Zukunft wird nicht nur eine elektronische Prothese wie das Smartphone zwischen dir und mir stehen, sondern auch der medizinische Rat, soziale Kontakte einzustellen. Ab einem gewissen Punkt der Akzeptanz in der Bevölkerung, wird kein Staat mehr die jetzt implementierten Mechanismen zurücknehmen. Einspeisung von Fotos der Quarantänepflichtigen in die Gesichtserkennungskameras der Städte, Ansprechen von abweichendem Verhalten durch Drohnen, Ausgangssperren, Selektion der Bevölkerung in welche mit systemrelevanten Funktionen und weniger wichtige Menschen.
Je weiter sich unsere Blicke über Deutschland hinaus richten, desto sichtbarer werden weitere humanitäre Katastrophen. Im Geflüchtetenlager Moria auf der griechischen Insel Lesbos müssen 19.000 Menschen eingepfercht ohne Strom und ausreichend Wasser leben, 40% davon sind Kinder, – während in ganz Europa Hotels leerstehen.
»Krisen sind in gewisser Weise demokratiefreie Zonen…«, »Die Anhänger der Schock-Strategie sind davon überzeugt, dass nur ein großer Umbruch – eine Überschwemmung, ein Krieg, ein Terroranschlag – ihnen die riesige saubere Leinwand liefern kann, nach der sie sich sehnen. In diesen gestaltbaren Augenblicken, wenn wir alle psychisch hilflos und physisch entwurzelt sind, krempeln diese Künstler des Realen die Ärmel hoch und beginnen mit ihrem Neuaufbau der Welt.« (Naomi Klein, »Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus.«, 2007)
Die Welt nach Covid-19 kann die Welt von Covid-20 sein oder die weitere Faschisierung Europas. Forderungen wie zum Beispiel Migrant*innen ins Land zu lassen, könnten künftig mit Verweis auf angeblichen Gesundheitsschutz abgelehnt werden. Wenn wir das Drama sehen, welches sich gerade an den EU-Außengrenzen abspielt, lässt sich erahnen, was Geflüchteten künftig droht. Inzwischen hat ein Wirtschaftsberater der Bundesregierung empfohlen, ab Mai die Geschäfte wieder zu öffnen und nur noch Infizierte und Risikopersonen, also nicht Infizierte aber unwichtige Menschen, in Quarantäne zu halten. Dem Kapitalismus geht es nie um die Gesundheit all seiner Bürger, sondern immer nur um die Aufrechterhaltung der eigenen Funktion. Und um die Aufrechterhaltung eines Gesundheitssystems, dass den Pharma- und Krankenhauskonzernen möglichst viel Profit verspricht.
Gleichzeitig bietet eine Krise auch immer eine Chance. Wenn wir sehen, wie viel Solidarität in den letzten Wochen gezeigt wurde, sei es Hilfe beim Einkaufen, Betreuungsangebote, finanzielle Unterstützung für bedrohte Projekte usw. kann das auch Mut machen. In vielen Häusern ist erstmals so etwas wie eine Gemeinschaft entstanden, die Menschen helfen sich und versuchen gemeinsam die Krise zu überstehen. Darauf lässt sich aufbauen, hier lassen sich Vernetzungen von unten aufbauen und damit eine Form von gesellschaftlicher Gegenmacht. In der aktuellen Situation ist jedem klar, dass ein Gesundheitssystem nicht nach Profitkriterien organisiert sein darf und dass dies einer der Hauptgründe ist, warum diese Krise jetzt mit einer solchen Macht zuschlägt und es zum Beispiel in Italien und Spanien eine derartig hohe Todeszahl gibt. Es liegt auch ein Stück an uns, was wir aus dieser Krise lernen und wie wir unsere kollektiven Erfahrungen nutzbar machen können.
Wir lassen uns die Erfordernisse für den diesjährigen 1. Mai weder per autoritärer Verordnung vom Staat diktieren, noch werden wir sämtliche Schutzmaßnahmen fallen lassen, nur weil skrupellose Wirtschaftsbosse es fordern, damit der Profit auf Kosten der Menschen weitergeht. Denn die Freiheit des Neoliberalismus ist nicht die Freiheit, die wir fordern.
Was wären die Alternativen, wenn wir dieses Jahr auf eine große Demonstration zum 1. Mai in Berlin verzichten? Da es dann auch kaum vorstellbar ist, zu anderen Konflikten Demonstrationen zu organisieren, würde der Staat in der komfortablen Lage sein, dass er nicht nur ohne parlamentarische Opposition regieren kann, sondern zusätzlich auch keiner Kritik auf der Straße ausgesetzt ist, von Widerstand ganz zu Schweigen. Nachdem inzwischen auch der Aufenthalt außerhalb der Wohnung eingeschränkt wurde, ist für viele von uns der Alltag, der schon vorher nicht als „frei“ empfunden wurde, per Verordnung »illegal« geworden. Nicht die Polizei, nicht der Senat von Berlin und auch nicht die Bundesregierung entscheidet, ob der 1. Mai in Berlin stattfindet, sondern wir selbst.
Gleichzeitig ist eine gemeinsame große Demonstration am 1. Mai für uns nur vorstellbar, wenn es einen entsprechenden Rückhalt für die Demo gibt. Eine Demo um ihrer selbst Willen ist für uns keine Option.
Wir wollen daher als Vorbereitungskreis mit euch, die einen Bezug zum antagonistischen 1. Mai haben, diskutieren. Über Strategie, Formen und Inhalte. Wie stellt ihr euch den diesjährigen 1. Mai vor? Nicht in Form von Kommentaren auf Indymedia oder Twitter, sondern mittels eigenständiger Resonanzen und Texte. Verfasst, verbreitet und mailt uns eigene Beiträge, Stellungnahmen, Kommuniqués etc. Und nicht nur via Twitter, Instagram oder Facebook. Redet und diskutiert mit euren Kolleg*innen, via Homeoffice oder direkt am Arbeitsplatz, mit euren Mitbewohner*innen, mit eurer Familie, mit euren Freund*innen. Und auch auf der Straße!
Achtet auf weitere Ankündigungen! Bringt euch in die Diskussion ein! Der 1. Mai sind wir alle!
Ergänzungen
mein kommentar
Find ick jut. :-)
Corona-Splitter: Warum wir am 1. Mai auf die Straße gehen müssen
Wir können es noch immer nicht ganz fassen, trotz unserer Kenntnis von George Orwells Roman und unserer Erfahrungen mit Wolfgang Schäubles Politik. Wir fragen uns derzeit häufig, ob wir uns in einem Traum befinden, aus dem wir gleich erwachen. Wenn wir uns dann körperlich nahe kommen, um uns gegenseitig zu zwicken, kommt auch die Gewissheit: Nein, der ganze Spuk wird nicht so schnell vorbei sein.
Isoliert und allein zuhause wird jede*r einzelne von uns blöd. Wenn wir kaum noch Menschen treffen, fehlt uns der Austausch. Wir werden mit all den Schreckensmeldungen allein gelassen. Wir hören und lesen von steigenden Infiziertenzahlen, von Hausarrest in anderen Ländern, von Überlegungen nach schärferen Einschneidungen hierzulande. Die Polizei setzt diese durch, einzelne Städte rufen bereits die Bundeswehr zur Hilfe, die sich für ihren Inlandseinsatz bereit macht. Die Mobilfunkanbieter haben längst unsere Bewegungsdaten an staatliche Stellen weitergereicht. Und alles das ohne rechtliche Grundlage, aber für die vermeintlich gute Sache. Sie wissen, was sie tun.
Wir wissen sehr wenig. Wie ansteckend und gefährlich ist das Virus? Wie lange werden die beschlossenen Maßnahmen noch andauern? Weil es noch keine Antworten gibt, wird in Italien und anderen Ländern an Erkrankten mit einem Malaria-Mittel und einer Hochdosis Interferone experimentiert. Weil die Antworten fehlen, gibt es präventive Vorsichtsmaßnahmen mit gravierenden Auswirkungen. Wir leben alle in einem großen Versuchslabor.
Die herrschenden Zustände fördern Unsicherheit, Verzweiflung und oft irrationale Angst. Auch damit ist das große Kommunikationsbedürfnis der Menschen zu erklären, denen wir auf Straßen und Plätzen begegnen. Die Nachrichten tun ihr übriges, angefangen von den Bildern leerer Supermarktregale bis zu den Bildern der Särge in Norditalien, die sich dort stapeln, weil ebenfalls ängstliche Bestatter*innen ihre Arbeit eingestellt haben. Der Tod ist allgegenwärtig.
Und der Tod geht auch an uns nicht vorüber. Man kann an Corona sterben, auch wenn man sich nicht infiziert hat. Depressionen treiben Menschen in den Suizid. Als wir jetzt die Todesanzeige eines Freundes lesen mussten, ist Wut und Traurigkeit in uns hochgekocht. Als Linke hatten wir offensichtlich auch kein rettendes Angebot mehr. In der aktuellen Totenstatistik der Systemkrise wird der Freund nicht auftauchen.
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*Bedrückende Zeiten*
Die Menschen müssen sich weiter zur Lohnarbeit schleppen und es gibt keine Partys mehr. Die Not der Hedonist*innen ist groß. Während wir von Stimmen hören, das Essen sei das einzige in diesen Zeiten, was man noch genießen könne (und hoffentlich gibt es bald Spargel!), machen sich andere Sorgen, wie sie ihren Hunger stillen können. Am Ende werden viele verarmen.
In der aktuellen Debatte regiert die Sicht des globalen Nordens. Hier dreht es sich noch mehr als sonst um das eigene Land, teilweise auch um Europa und seine Nachbarn, aber allerhöchstens und äußert selten reicht es bis Gaza oder Rojava. Der Internationalismus ist der große Verlierer dieser Zeit.
Der Blick auf andere Kontinente, wo der Postkolonialismus niemals flächendeckend Gesundheitssysteme ermöglicht hat, wo es kaum Coronatests und deshalb keine beängstigenden Zahlen gibt, wo seit Jahrzehnten tagtäglich massenhaft Menschen sterben, dieser Blick macht uns klar, dass wir hier in der Metropole trotz allem an Luxusproblemen leiden.
Und doch droht auch hier die gesellschaftliche Katastrophe. Es ist nicht das Virus, das die Verhältnisse, die Gesellschaft und die Individuen verändert, sondern der Umgang mit Corona (und wie wir darauf reagieren) sowie die staatlichen Maßnahmen (und wie wir uns dazu verhalten). „Im Zweifel ist auf vieles verzichtbar“, hören wir von verschiedenen Seiten. Widerspruch scheint unmöglich. Sowohl soziale Kontakte als auch Menschenrechte sind jedoch unverzichtbar. Der Mensch ist ein soziales Wesen und darauf angewiesen, anderen zu begegnen, sich mit ihnen auszutauschen und auseinanderzusetzen. Wie könnten wir sonst solidarisch sein? Menschenrechte werden trotzdem außer Kraft gesetzt, wie beispielsweise das auf Asyl, während andernorts zeitgleich Flüchtlingslager brennen.
Gegen die katastrophale Situation in den Lagern auf den griechischen Inseln gehen Menschen auf die Straße und hinterlassen Spuren; einer der wenigen Inhalte, an dem sich derzeit Protest organisiert. Eine solidarische und internationalistische Stimme, eine Stimme für die ökonomisch Ausgebeuteten und politisch Unterdrückten, die der Revolutionäre 1. Mai immer war, ist heute nötiger denn je.
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*Große Teile der Linken waren dabei*
Viele von uns zählen zu der hierzulande existierenden großen Mehrheit, die die Maßnahmen so bereitwillig hingenommen bzw. noch schärfere Maßnahmen gefordert hat. Die Linke war sogar Vorreiterin. Autoritäre Vorschläge nach Isolation der Kranken, nach Registrierung und einer Kontrolle von oben sind aus unseren Reihen gekommen. Bis heute verhalten sich Freund*innen wie Regierungssprecher*innen, eine eigene Meinung oder gar Kritik an der herrschenden Politik sind Mangelware.
Wir haben sie noch gut im Ohr, ihre Worte der Ablehnung des Abstimmungsmarathons im Olympiastation. Heute äußern sich die gleichen Leute plötzlich euphorisch über die Erfolgschancen von Online-Petitionen. Wir erinnern uns noch an ihre sympathische Fundamentalkritik an den Bullen. Jetzt sprechen sich dieselben Freund*innen für Ausgangssperren aus - wegen der „Unvernünftigen“, die noch auf den Straßen und Plätzen unterwegs sind. In dieser Logik ist auch klar, wer für die Kontaktverbote und das harte Durchgreifen der Ordnungsmacht verantwortlich ist: Nicht Politik und Staat, sondern wir selbst. Wir sind die Gefahr und werden bestraft. Die Migrant*innen tragen eigenhändig die Schuld für erlittene Polizeigewalt, wenn sie noch auf den Straßen waren, ihre Kinder auf Plätzen spielen ließen statt sich in der engen Wohnung einzusperren. Und wir waren nicht vor Ort dabei, haben nicht gegen die Schlägerbullen eingegriffen und den staatlichen Angriff nicht auf eine politische Ebene gebracht. So wie alles derzeit läuft, kann es sich die AfD zum Vorbild nehmen.
Wenn wir unsicher und vorsichtig (hinter)fragen, wenn wir unsere kritischen Meinungen oder Vorschläge formulieren, werden wir oft harsch zurechtgewiesen oder erhalten einfach nur „Nein“ oder „Schwachsinn“ als Antwort. Ein Argument braucht es dafür gar nicht mehr. Wer mit der großen Mehrheit einig ist, muss nicht weiter begründen. Dieses autoritäre Verhalten schüchtert ein. Damit werden wir alle noch lange zu kämpfen haben. Und die Auswirkungen lassen sich nicht mehr zurückdrehen. Wie werden wir diesen heute tonangebenden Menschen nach Corona begegnen?
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*Nicht systemrelevant sondern systemsprengend*
Die Grundlage linksradikaler Politik, der fundamentale Widerspruch zum Hier und Jetzt, hat in den vergangenen Wochen ebenfalls großen Schaden genommen. Aus der linken virtuellen Welt hören wir aktuell viele radikale und realpolitische Forderungen an staatliche Stellen. Leider hören wir nur selten Vorschläge, was wir tun können und müssen, um die Umsetzung der aufgestellten Forderungen Realität werden zu lassen. Ist das überhaupt möglich, wenn wir in unseren vier Wänden sitzen?
Wir sind nicht so optimistisch wie einige moderate Freund*innen. Wir sind überzeugt: Es wird nichts vergesellschaftet werden. Wer seine Miete nicht zahlt, wird aktuell nicht gekündigt. Aber die Miete wird nachträglich gezahlt werden, sonst werden die Vermieter*innen knallhart sein, keine Frage. Die Zwangsräumungen sind ausgesetzt. Aber die Räumungen sind nur verschoben, sie werden alle noch stattfinden, keine Frage. Und es wird schlimmer kommen, mit mehr Räumungen, mehr Hartz-IV-Sanktionen, mehr Repression als zuvor, wir werden die kommenden Jahre für die Krise zahlen müssen, wenn wir jetzt nicht aktiv werden.
Wenn Krankenhäuser als Wirtschaftsunternehmen geführt werden, wundern wir uns nicht über ein miserables Gesundheitssystem. Wir wollen die Ursache beheben und das kapitalistische System überwinden. Vielleicht bieten diese Zeiten die Ruhe und Gelegenheit, sich zu verständigen, was in naher und ferner Zukunft dafür zu tun ist. Die radikale Linke liefert dazu kluge theoretische Texte. Andere hoffnunggebende Gefährt*innen sind mit Transparenten und Graffiti an Häuserwänden, mit Kundgebungen im öffentlichen Raum sichtbar. Sie besetzen sogar Häuser. Diese Versammlungen (alle nennen sie pleonastisch „verantwortungsvoll“) stehen für ein befreiendes Handeln gegen die Isolation, für ein mutmachendes Wiedersehen mit Freund*innen, und für ein kollektives Erlebnis, das in diesen Zeiten so notwendig ist.
Ja, wir müssen mutiger sein und uns der autoritären Formierung widersetzen. Ja, wir müssen für Demokratie, Menschenrechte und Versammlungsfreiheit streiten. Ja, wir müssen unsere Räume zum sozialen Austausch erhalten und notfalls mühevoll neue organisieren. Ja, wir müssen unter Notstandsverordnungen politisch handlungsfähig bleiben. Und ja, wir müssen Klandestinität üben und praktizieren bevor es zu spät dafür sein wird. Denn letztlich geht es uns in allen Zeiten um nichts weniger als den gewaltsamen Umsturz der herrschenden Verhältnisse. Der Revolutionäre 1. Mai war und ist dafür immer ein geeigneter Anlass.
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*Weitere Texte zur Diskussion*
https://1mai.blackblogs.org
https://erstermai.nostate.net
statt Kollateralschäden
Wie wäre es mit konstruktiven Vorschlägen anstatt widerständige Positionen weg zu kontrollieren?
Protest und Widerstand wird von Tag zu Tag dringender und kollektive Freiheit muss jetzt für Alle geschaffen werden. Der mörderische Normalzustand hat schon viel zu lange Bestand und die Ausbeutungs- und Zerstörungsmaschinerie ist täglich tödlicher als Corona.
https://www.tagesschau.de/ausland/indien-proteste-107.html
Aufruf zu dezentralen Aktionen am 30.4. und 1.Mai 2020 in Berlin
"Für grenzenlose Solidarität – Gegen Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat!" lautet der Aufruf, der in voller Länge hier nachzulesen ist: https://1mai.blackblogs.org/?p=780
Weitere Diskussionsbeiträge sind hier dokumentiert: https://erstermai.nostate.net
Ein weiterer Aufruf zum Revolutionären 1. Mai in Berlin ist da
Never relinquish the streets!
Am 1. Mai auf die Straße!
Aufruf zu einer Demonstration der besonderen Art am 1. Mai ab 18 Uhr in Berlin:
https://interventionistische-linke.org/beitrag/never-relinquish-streets-...