Die Hinrichtung von Rodney Reed wackelt...
Rondey Reed ist ein Gefangener im Todestrakt des US Bundesstaates Texas. Er ist seit 1996 in Haft und wurde 1998 für einen Mord zum Tod verurteilt, den er nicht begangen hat. Sein Fall löst seit Jahren Kontroversen aus, da der tatsächliche Mörder, ein verurteilter Vergewaltiger und Polizist namens Jimmy Fennell massive Unterstützung von Polizei und Justiz erhält. Rodney Reed ist der offensichtlkiche "Token Black Man", der für diesen Mord gelyncht werden soll.
Texas hatte seine Hinrichtung für den 5. März 2015 angekündigt, nach dem die Justiz ihm zuvor jegliche Widerspruchsrechte verweigerte. Massiver Protest der Angehörigen und Todesstrafengegner*innen weltweit zeigt nun erste Erfolge - ein texanisches Berufungsgericht setzte am Montag dieser Woche den Hinrichtungsbefehl vorerst aus.
Fraglich bleibt allerdings, ob das lediglich geschieht, um dem öffentlichen Druck temporär nachzugeben, oder ob sie tatsächlich neue Untersuchungen der Tatumstände zulassen, wie es Rodney Reed und seine Verteidigung fordern.
1996 war Stacey Stites brutal vergewaltigt und ermordet worden. Sie und Rodney Reed hatten eine versteckte Beziehung. Stites lebte damals in einer Partnerschaft mit dem Polizisten Jimmy Fennell nahe der texanischen Kleinstadt Bastrop. Fennell hatte ihr unter Zeugen gedroht, sie umzubringen, falls sie die Beziehung zu Reed nicht beende. Er hatte sogar die Art und Weise beschrieben, wie sie kurze Zeit später tatsächlich starb. Jahre nach der Tat wurde Fennell überführt und verurteilt, eine andere Vergewaltigung im Amt verübt zu haben und erhielt dafür eine zehn-jährige Gefängnisstrafe, die er noch bis 2018 absitzt. Mehrere weitere Klagen wg. Vergewaltigung sind gegen ihn anhängig.
Die juristischen Kontroversen des Falls sind so zahlreich, dass hier nur einige wieder gegeben werden können. Eine detailliere Darstellung des Falles befindet sich in einem Artikel aus "Intercept", der in deutscher Übersetzung auch auf Indymedia erschien (1).
Es folgen einige der Umstände, die zumindest zur temporären Aussetzung der Hinrichtung von Rodney Reed führten:
Es gibt von der Spurensicherung des Tatortes DNA Funde, die eindeutig belegen, dass Polizisten zur offiziellen Tatzeit (3:00 nachts) anwesend waren. Einer dieser Beamten wurde in späteren Verfahren als Komplize des ex-Polizisten und Vergewaltigers Fennell überführt . Von Rodney Reed befanden sich keine DNA Spuren am offiziellen Tatort. Der Staatsanwaltschaft waren diese Tatsachen bereits während des Prozesses bekannt. Sie verschwiegen sie jedoch vor Jury und Verteidigung. Diese DNA Funde haben also bis heute keinen Einzug in ein Gerichtsverfahren gefunden, was mit einem Todesurteil ("ohne den geringsten Zweifel") der Jury gegen den Angeklagten endete.
Rodney Reeds Verteidigung konnte außerdem feststellen lassen, dass der gesamte gerichtspathologische Vorgang der Tatzeitbestimmung im ursprünglichen Verfahren fachlich falsch war, was inzwischen auch von den Behörden eingeräumt wird. Der Tod der Ermordeten sei wesentlich früher eingetreten. Aber auch diese Tatsache wurde nie juristisch gewürdigt. Das verwundert, da es durch Zeugen und Jimmy Fennell selbst als unstrittig belegt gilt, dass Stacey Stites sich vor 3 Uhr nachts in ihrer gemeinsamen Wohnung mit dem Polizisten aufhielt.
In den ersten Ermittlungen der Mordkomission hatte Fennell zunächst als Hauptverdächtiger gegolten. Dem Chefermittler wurde der Auftrag jedoch bereits nach kurzer Zeit entzogen. Die gemeinsame Wohnung von Stacey Stites und Jimmy Fennell wurde nie von der Polizei durchsucht, obwohl es der letzte bekannte Aufenthaltsort der Ermordeten war. Das Auto, in dem sie angeblich selbst zum Tatort ihrer Ermordung gefahren sein soll, gehörte ebenfalls Fennell. Die Polizei übergab es ihm wenige Tage nach dem Mord ohne weitere Spurensicherung, woraufhin er es sofort an einen Unbekannten verkaufte. Als die Verteidigung von Rodney Reed im Verfahren beantragte, das Auto zu untersuchen, war es nicht mehr zu finden. Die Staatsanwaltschaft sagte der Jury, Rodney Reed hätte seine Spuren "höchstwahrscheinlich" mit einem Tuch entfernt. Überraschenderweise aber nur seine, den die von Stacey Stites und Jimmy Fennell seien massenhaft in dem Auto zu finden gewesen...
Es erscheint aus auswärtiger Sicht verstörend, dass eine derartige Form der "Beweisführung" ausreichen kann, um einen Angeklagten zum Tod zu verurteilen. Dieses Verhalten bildet jedoch keine Ausnahme sondern erscheint eher als traurige Regel in us-amerikanischen Gerichtssäalen, in denen People of Color für Mord angeklagt werden.
Allen diesen Fragen (und vielen weiteren mehr) würden Rodney Reed und seine Verteidigung gerne in einem neuen Verfahren nachgehen. Allerdings verhinderte Chorpsgeist von Polizei und Justiz das bis jetzt. Rassismus und vor allem die Art und Weise der Pflichtverteigung taten 1998 ein übriges, dass Rodney Reed keine Chance auf Verteidigung hatte (2). Dieses Schicksal teilt er mit der überwiegenden Mehrheit aller Todestraktinsass*innen in den USA.
Ob sich das nun ändert, hängt vor allem von dem öffentlichen Druck ab, den die Anti-Todesstrafen Bewegung entwickeln kann. Dass es aber gerade in Texas möglich ist, überhaupt erst einmal eine angesetzte Hinrichtung anzuhalten, ist ein ermutigendes Zeichen.
In den kommenden Tagen werden auch außerhalb der USA Proteste zur Unterstützung von Rodney Reed und zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe stattfinden:
So. 1 März 2015 - Berlin - US Botschaft - 15 Uhr
Aufruf und weitere Informationen: www.mumia-hoerbuch.de
Pariser Platz / Brandenburger Tor
Mi. 4. März - Paris - US Botschaft - 18 Uhr
Place De La Concorde
Schuld oder Unschuld spielen keine Rolle - kein Staat hat das Recht, Gefangene zu ermorden.
Abschaffung der Todesstrafe - überall!
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(1) Wird Texas einen Unschuldigen hinrichten? - ein Dossier der Campaign to End the Death Penalty https://linksunten.indymedia.org/en/node/128341
(2) Todesstrafe - Terrorinstrument des Staates (21.02.2015) https://linksunten.indymedia.org/de/node/135449
weitere Links zum Thema:
(Guardian) Rodney Reed: Texas appeals court grants stay of execution (Feb 24, 2015) http://www.theguardian.com/world/2015/feb/24/rodney-reed-texas-appeals-c...
(NY Times) Court in Texas Stays Execution (Feb 23, 2015) http://www.nytimes.com/2015/02/24/us/court-in-texas-stays-execution.html...
(jW) »Dass diese Verfahren unfair sind, ist kein Versehen« (17.02.2015) http://www.jungewelt.de/2015/02-17/024.php?sstr=Rodney
Rodney Reed: get the facts http://nodeathpenalty.org/get-the-facts/rodney-reed-innocent-death-row
dt. Übersetzung: Faktenblatt über Rodney Reed http://mumia-hoerbuch.de/rodneyreed/GerechtigkeitfuerRodneyReed.doc
Blog zur Unterstützung von Rodney Reed: Termine, Begnadigungsbriefe etc. http://justice4rodneyreed.org/
Ergänzungen
Rodney Reed aus dem Knast holen
In Bastrop und Austin fordern manche die Freilassung von Rodney Reed - sie haben Recht!
US Artikel mit Zitaten von Angehörigen & Unterstützer*innen
Rodney Reed wins a reprieve
Supporters see the Texas high court's decision to stay the execution of Rodney Reed as a first step in the fight to ultimately win his freedom, reports Elizabeth Schulte.
Socialistworker.org
February 25, 2015
Supporters gathered outside the courthouse holding out hope for justice for Rodney Reed A WEEK before his scheduled execution on March 5, Texas death row prisoner Rodney Reed won a stay of execution from the Texas Court of Criminal Appeals.
Reed, his family and his supporters have maintained Rodney's innocence ever since his 1998 conviction for the murder of Stacy Stites in Bastrop, Texas. Reed's lawyers have long argued that if evidence uncovered in the years since then was properly heard in court, he would be exonerated and freed.
Law enforcement and prosecutors ignored the original suspect in the murder--Stites' fiancé, a local police officer with a violent history--and instead built a case against Reed. The all-white Texas jury easily voted to convict a Black man accused of killing a white woman.
The stay could provide an opportunity for a court to hear new evidence, including the conclusions of forensic experts that Reed didn't sexually assault the 19-year-old Stites, as prosecutors claimed, as well as evidence that Reed was nowhere near the victim at the time of her murder. Reed's lawyers also hope the courts will finally allow DNA testing on all the material in the case, which they have fought for, but have been denied before.
As Lily Hughes of the Campaign to End the Death Penalty said:
The stay of execution from the Texas Court of Criminal Appeals is excellent news and is just what we were hoping for at this stage. Now we are waiting for some indication from the court about how much of a hearing they will give the new claims that were raised in this appeal. We are looking for a full review of the explosive new medical findings, and we'd also like to see all the evidence tested for DNA that we have been asking for.
Whether it's through evidentiary hearings--or, even better, a new trial--we want a chance for all the evidence to be heard. Then we think the courts can have but one conclusion--Rodney Reed is innocent of this crime and must be freed from death row!
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THERE IS nothing the Texas justice system would have like more than for Rodney's case to be swept under the rug. But his family and supporters in the anti-death penalty movement have done their best to keep this injustice in the spotlight, where it belongs.
As Rodney's brother Rodrick told reporters at a press conference after the announcement of the stay, "Without people supporting us, backing us, getting out there and raising their voices, screaming at the top of their lungs, we may never have got this attention. They may have never even looked into it like they're doing."
On February 21, hundreds of people rallied in Austin at the state Capitol building to let Texas know that they're watching. Family members, exonerated death row prisoners and death penalty opponents gathered to show their support.
"We've been fighting tirelessly," Rodney's mother Sandra Reed told the crowd that day. "I will not give up this fight. I will not, regardless of what the outcome will be...There are too many innocent men that have gone, that are waiting, and that will go if we don't stop this murder--this murdering machine, the death penalty."
Supporters see the Texas high court's decision as a step in the direction of a bigger demand--freedom for an innocent man.
"Look into this case," Rodrick Reed told reporters after the announcement of the stay. "This man is innocent. Do the right thing. The lieutenant governor said, 'It's a new day in Texas.' I want to see that new day. I want to see justice done in this case, not just for Rodney, but for everybody."
Aufschub gewährt
Nach Meldung des Guardian wurde der Aufschub gewährt:
http://www.theguardian.com/world/2015/feb/24/rodney-reed-texas-appeals-c...
Rodney Reed aus dem Todestrakt holen
Das ist der allererste Beitrag, in dem von Morden die Rede ist und nicht von Hinrichten oder Exekutieren.
Leider hat die Menschheit immer noch nicht begriffen, dass jede Exekution oder Hinrichtung auch nur
ein Mord ist. Ein Mord im Namen aller Bürger eines Staates.
Mit welchem Recht setzt sich ein Staat über die eigenen Gesetze hinweg?
Das gilt es immer und immer wieder zu hinterfragen.
Deshalb gefällt mir der Artikel sehr gut.
Danke, so ein Beitrag war schon lange fällig.