HoGeSa, Pegida, Legida: Rassistische Mobilisierungen neuen Typs

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Pegida-Auflauf am 1. Dezember 2014 in Dresden. Foto: caruso.pinguin, flickr.

Nach dem Vorbild von HoGeSa in Köln und Hannover sowie Pegida in Dresden soll voraussichtlich am 12. Januar ein ähnlicher Aufmarsch in Leipzig stattfinden. Er reiht sich ein in eine rassistische Serienmobilisierung, die unerwartete Ausmaße angenommen hat.

Beipackzettel

Der Text – Stand: 4. Dezember 2014 – kommt vom Antifa-Komitee Leipzig (AK). Ziel ist, aus einer groben Bestandsaufnahme die drängendsten Fragen herauszuarbeiten und Antworten zu wagen, die eine gezielte(re) Auseinandersetzung ermöglichen. Nicht alle Antworten sind Gruppenpositionen – aber die Zeit drängt!

Deshalb erfolgt die Veröffentlichung des Textes auf leipzig.antifa.de als das, was er ist: ein Diskussionspapier mit vielen offenen Enden.

Sachdienliche Hinweise und Erwiderungen sind erwünscht.

 


► Informationen zum Legida-Aufmarsch im Januar 2015 und Gegenaktionen gibts demnächst auf leipzig.antifa.de
► Einige Überlegungen für die Praxis findet ihr im letzten Abschnitt des nachfolgendes Textes.

 

„Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa)

…ist das Label eines vergleichsweise erfolgreichen Mobilisierungsversuches, der sich vordergründig gegen Islamismus wendet und insbesondere den Auftrieb des „Islamischen Staates“ (IS) als Anlass für Aktionen nutzt. Die Implikationen der Selbstbezeichnung („Hooligans“) und der Fremdzuschreibung („Salafisten“) wird noch zu hinterfragen sein. Fakt ist: Aus den Aktionen sind Massenversammlungen geworden.

 

Zurück ins Jahr 2012 reichen ähnlich gelagerte Vernetzungen von Hools und Neonazis wie die „GnuHonnters“, auch das Label HoGeSa ist schon länger in Verwendung. Weithin bekannt wurde es durch eine seit September aktive Facebook-Gruppe: Hauptsächlich von dort aus wurde zunächst zu mehreren so genannten „Kennenlerntreffen“ geladen, unter anderem am 21. September in Essen sowie am 28. September in Dortmund. Nach Essen waren etwa 90 Personen gekommen, sie marschierten ohne Anmeldung durch die Stadt und wurden durch die Polizei aufgerieben. Bei der Kundgebung in Dortmund waren es dann schon 300 Teilnehmende, bereits deutlich geprägt von Anhängern der örtlichen Neonaziszene.

 

Frühe Ausbreitungsversuche 

Unter dem Motto „Salafisten raus aus Deutschland“ kamen am 11. Oktober nochmals 50 Personen zusammen, die virtuelle Gruppierung „La Familia Süd“ hatte eingeladen. Das war ein noch wenig erfolgreicher Versuch der regionalen Ausweitung. Einem weiteren Versuch, der wenige Tage später in Dresden unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) begann und Startpunkt einer eigenständigen Aktionsreihe wurde, war weit mehr Erfolg beschieden.

 

Früh war absehbar, dass die HoGeSa-Veranstaltungen auf eine Eskalation ausgehen. So trafen sich bereits am 8. Februar in Mönchengladbach etwa 200 Personen, um gegen eine Salafisten-Kundgebung vorzurücken. Hier kam es, wie auch zu einem ähnlichen Anlass am 23. März in Mannheim, zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nahtlos wieder aufgegriffen wurden die Konfrontationsversuche – es waren jeweils Mitglieder der antimuslimisch-rassistischen „German Defence League“ (GDL) beteiligt – unmittelbar nach Etablierung des HoGeSa-Labels. So trafen sich am 27. September etwa 200 Anhänger erneut in der Mannheimer Innenstadt, griffen Infostände an und bedrohten PassantInnen.

 

Eskalation in Köln 

Die Erwartungshaltung eines gewichtigen Teils jener 4.800 (laut HoGeSa: 6.000) Personen, die schließlich am 26. Oktober zum HoGeSa-Marsch in Köln erschienen, mag klar auf der Hand gelegen haben. Die Medienaufmerksamkeit galt denn auch den tatsächlich eingetretenen Ausschreitungen, wobei es unter anderem zu Angriffen auf JournalistInnen kam. Augenfällig war weiter, welche Klientel sich hier versammelt hatte: Hessische Neonazis präsentierten sich ebenso mit einem Transparent („Ein Block – ein Weg“) wie die Anhänger der Identitären Bewegung („Heimat, Freiheit, Tradition“), abermals wehten GDL-Fahnen, massiv war die Werbung für das rassistische Portal „PI News“. Als Redner begrüßte der Neonazi Hannes Ostendorf die Masse, es folgte eine Darbietung des Liedes „Hooligans gegen Salafisten“ seiner Rechtsrock-Gruppe „Kategorie C“.

 

Für viele BeobachterInnen ergab sich im Auftreten zunächst kein wesentlicher Unterschied zu einem Neonaziaufmarsch; die Verwendung von Parolen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ lässt auch kaum einen anderen Schluss zu. Allerdings rangierte die Zahl der Teilnehmenden weit über dem gewohnten und auch über dem vorab erwarteten Maß. Dem HoGeSa-Aufmarsch schlossen sich etliche Personen an, die bisher keineswegs der rechten Szene zuzuordnen waren. Allerdings dürfte das Potential eben dieser Szene für einen gehörigen Teil der bundesweiten Anreisebewegungen verantwortlich sein.

 

Kundgebung in Hannover 

Nach mehreren Um- und Abmeldungen folgte am 15. November bereits die vorerst letzte HoGeSa-Veranstaltung – nunmehr in Hannover, ohne Marschstrecke und ohne musikalischen Beitrag von „Kategorie C“. Mit knapp 3.000 Personen blieb die Zahl der Teilnehmenden diesmal hinter den Erwartungen zurück. Aufmerken ließ dafür ein Redebeitrag des Leipziger Neonazis Nils Larisch: In zielgruppengerechter Vulgärsprache sinnierte er darüber, „wie scheiße alles hier ist“ und dass „viele Städte völlig überfremdet“ seien. Der unter anderem wegen vielfachen Betruges, Hausfriedensbruchs und räuberischer Erpressung gerichtserfahrene Larisch war bei der nunmehr aufgelösten NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag eingestellt.

 

Dazu berichtete er in Hannover nichts, vielmehr suchte er den populären Vergleich zum DDR-Wendeherbst 1989. Damals will er gar persönlich an der Initiierung der Leipziger Montagsdemos beteiligt gewesen sein. Allerdings war Larisch damals gerade erst zwölf Jahre alt. Neben ihm hatte sich eine an solchen Details sicherlich nicht interessierte, etwa 40-köpfige Reisegruppe sächsischer Neonazis auf den Weg nach Hannover gemacht, die schwerpunktmäßig im Leipziger Umland und dem Muldental zu verorten ist und teils der Lok-Fanszene zuzuordnen ist. Unter ihnen befand sich beispielsweise der Grimmaer Neonazi Marcel Kauerauf.

 

Einschlägige HoGeSa-Teilnehmer fielen auch bei der Rückreise von ihren Veranstaltungen auf, einige randalierten in Zügen. Im Anschluss an die Kundgebung in Hannover zog eine mehr als 60 Personen umfassende Reisegruppe durch den Bahnhof in Halle und skandierte Parolen wie „Wir wollen keine Asylantenschweine“ und „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“

 

Februar 2015: Rückkehr „im Raum Osten“ 

Viel spricht dafür, dass HoGeSa bereits in Köln einen Höhepunkt erreicht hat. Damit ist nicht gesagt, dass die „Bewegung“ wieder rasch in sich zusammenfallen wird, aber die Messlatte liegt denkbar hoch. Dass in Hannover bereits deutlich weniger Personen erschienen waren, dürfte den Umständen geschuldet gewesen sein: Kritische Berichterstattung und die Gefahr eines Verbots zum einen, mehr aber noch die Aussicht, Köln eben nicht wiederholen zu können, sondern auf eine Kundgebung beschränkt zu bleiben.

 

Zuletzt wurde angekündigt, die HoGeSa-Versammlungen ab Februar 2015 fortzusetzen: zunächst „im Raum Osten“, im April dann „im Süden“. Die verlängerte Vorlaufzeit könnte für einen erhöhten Organisationsaufwand sprechen, dürfte aber auch dem Bestreben geschuldet sein, das eigene Treiben zu institutionalisieren. So wurde mittlerweile angekündigt, einen eingetragenen Verein zu gründen; ein Schritt, der eventuell für eine eher abflauende Dynamik spricht.

 

Geschützte Marke 

Bereits vor wenigen Tagen ist übrigens die Wortmarke „HoGeSa“ beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert worden. Markeninhaber ist Niclas Römer aus dem mittelfränkischen Kammerstein nahe Nürnberg. Er vertreibt unter dem Label „FanXwear“, das offiziell nur über ein Postfach erreichbar ist, neben HoGeSa- auch Anti-RB-Motive. Auf der HoGeSa-Website wird „FanXwear“ wiederum als „Partnershop“ ausgewiesen, beide Websites nutzen denselben Hoster.

 

Bei der Registrierung der Marke ließ sich Römer von der Leipziger Kanzlei „BHTO“ vertreten, die in der Leipziger Südvorstadt residiert und in Szenekreisen nicht unbekannt ist. Beteiligt sind die Rechtsanwälte Mark Braeske, Arndt Hohnstädter, Mario Thomas und Torsten Otto. Insbesondere Hohnstädter und Thomas haben bereits etliche Neonazis juristisch vertreten. Zur Mandantschaft gehörte erst kürzlich auch Nils Larisch.

 

 „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida)

 

…ist die Bezeichnung eines Dresdner Protestbündnisses. Es ist in einem auffällig engen zeitlichen Zusammenhang mit den ersten öffentlichkeitswirksamen HoGeSa-Treffen entstanden. Auch wenn es sich augenscheinlich nicht um eine direkte Ausgründung handelt, ist die inhaltliche Orientierung sehr deutlich von HoGeSa inspiriert worden. Die Dresdner Variante ist allerdings von höherer Kontinuität geprägt und hat sich zuletzt auch als mobilisierungsstärker erwiesen.

 

Bereits seit 20. Oktober gibt es montägliche „Spaziergänge“ in der Dresdner Innenstadt. Was mit etwa 350 Personen begann, war bereits nach zwei Wochen (3. November) bei der Tausendermarke angelangt und verdoppelte sich jeweils in den beiden darauffolgenden Wochen. Am 24. November erschienen 5.500 Teilnehmende und am vergangenen Montag (1. Dezember) bis zu 7.500. Die zuletzt erwartete Zahl von 10.000 Leuten wurde damit (noch) verfehlt. Dagegen gelang mittels einer antirassistischen Demonstration erstmals eine wirksame Gegenmobilisierung. Aufgrund einer Blockade musste der Aufmarsch umkehren. Von weiterem Zulauf ist dennoch auszugehen.

 

Ähnlichkeiten und Unterschiede 

Zwischen HoGeSa und Pegida besteht eine Verwechslungsgefahr: Neben der vordergründigen Schwerpunktsetzung („Salafismus“, „Islamisierung“) liegt das am Auftreten. Auch wenn die Pegida-Veranstaltungen streckenweise einem Schweigemarsch gleichkommen, entsprechen die genutzten Parolen – „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ – einander genau so wie die obligatorische verbale Selbstermächtigung („Wir sind das Volk“). Doch schon aufgrund der höheren Zahl an Teilnehmenden wird in Dresden eine zunehmende Ausdifferenzierung des beteiligten Spektrums sichtbar.

 

Anfangs handelte es sich um eine – danach auch optisch noch unterscheidbare – Mischung aus Teilen der Fußballfan- und Neonaziszene, von „Wutbürgern“ bis hin zu einzelnen Anhängern von Rockerclubs, darunter des verbotenen und seit je rechtslastigen Dresdner Chapters des Gremium MC. Mittlerweile aber sind die auf der Straße repräsentierten Spektren, die sich unter dem Label Pegida zusammenfinden, sozial und altersmäßig entgrenzt. Der inhaltliche Kitt – eine gemeinsame rassistische Überzeugung im Rahmen des mittlerweile gesellschaftlich Akzeptierten – ist zwar keineswegs neu. Doch aus der bisher vor allem ideellen Koalition ist ein Realbündnis bisher nicht gekannter Größenordnung geworden. Das ist das Neue. Es entspricht wohl dem, was als Möglichkeit einer „bad civil society“ die längste Zeit nur ein theoretisches Problem war und insoweit kaum ernst genommen worden ist. Jetzt steht sie als „Bewegung“ auf der Straße.

 „Für Heimatschutz“ 

Wofür steht Pegida? Frontmann Lutz Bachmann – ein Intensivtäter aus dem Rotlichtmilieu – erzählt es jeden Montag in verschiedenen Variationen aufs Neue: Man wolle „keine Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden“, keinen Islamismus und, freilich, „keine Gewalt“. In einer seiner ersten Reden hieß es:

 

  • „Wir sind heute zusammengekommen aus Sorge und Furcht um die Zukunft unseres Vaterlandes. Bei allem Verständnis für das Elend und den Schrecken der kriegerischen Auseinandersetzungen in allen Kriegsgebieten der Erde können wir Deutschen und Europäer nicht das Auffanglager der Welt sein und damit diese Kriege auf unsere Straßen holen […]Die fanatische, radikalreligiöse Unterwanderung unseres Landes und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur ist in vollem Gange. Dem müssen wir Einhalt gebieten. Wer unsere Gastfreundschaft und unser Sozialgefüge missbraucht, muss ausgewiesen werden.“

 

Die beiden Absätze enthalten bereits die vollständige Programmatik, die Pegida offen vorträgt: Zuwanderung bedeute Unterwanderung und dadurch Beschädigung der vaterländischen Gemeinschaft, die Entfesselung eines Kriegszustandes anhand ethnischer Linien und, letztlich, den Untergang des Abendlandes. Die unterstellte Dramaturgie, klassischerweise nachzulesen nicht nur bei Oswald Spengler, ist ein ausgesprochen konventionelles Denkmodell der politischen Rechten in Deutschland – hier übertragen auf eine aktuelle Situation, zugespitzt auf ein klares Feindbild, flankiert von bereits militaristischer Rhetorik. „Sorge und Furcht“ sind nicht Folge, sondern Ausgangspunkt dieses Denkens, als dessen Konsequenz sich nicht nur schiere Abneigung, sondern eine aggressive Abwehrbereitschaft ergibt.

 

„Mohammedanern“ entgegentreten 

Nur so und nicht anders können und sollen Schilder mit der Aufschrift „Gegen Islamisierung – für Heimatschutz“ verstanden werden. Daran ändert der positive Bezug auf die „christlich-jüdische Abendlandkultur“ nichts. Genau diesen turn haben rechtspopulistische Strömungen – im Einzelnen: FPÖ, Schwedendemokraten, Vlaams Belang und die personell zu einem Teil in der AfD aufgegangene Kleinpartei „Die Freiheit“ – bereits vor vier Jahren mit ihrer philosemitischen „Jerusalemer Erklärung“ vollzogen, ganz und gar gemünzt auf die Etablierung ihres gemeinsamen Feindbildes „Islam“. Vor diesem Hintergrund wird erklärbar, warum und auf welche spezielle Weise sich Pegida-Mitorganisator Siegfried Däbritz zu Israel bekennt:

 

  • „…nicht, weil mich das schlechte Gewissen aufgrund des Schuldkultes bezogen auf die Jahre 1933-1945 plagt“, sondern weil Israel „dem weltweiten heiligen Krieg der Mohammedaner entgegentritt.“

 

Es ist am Rande einer Erwähnung wert, dass dieses universale Feindbild empirisch unhaltbar ist. Zum kurdischen Widerstandskampf gegen den „Islamischen Staat“ bemerkte Däbritz allen Ernstes, die Kurden seien „genauso eine große Gefahr für das zivilisierte Europa/Deutschland wie alle anderen Strömungen innerhalb der Mohammedaner.“ Gefragt nach den Gründen für sein Engagement erläuterte Pegida-Tribun Bachmann in einem Presseinterview gleichfalls: „Nach einer Aktion von PKK-Anhängern auf der Prager Straße wollten wir etwas tun.“ Der Ableger KAGIDA, der das Dresdner Vorbild in Kassel nachahmen will, erläutert auf seiner Facebook-Seite, dass man die „salafistischen Tätigkeiten“ und „Gotteskriegern“ bekämpfen wolle. Als Beispiele werden aufgeführt: al-Qaida, „Islamischer Staat“ sowie – die PKK.

 

Die radikale Uninformiertheit zeugt nicht etwa davon, dass die Protagonisten das lauthals propagierte Feindbild gar nicht ernst meinen würden, sondern dass sie es als universale, abstrakte Chiffre gebrauchen: Der empirische Gegner ist der „Fremde“ schlechthin, ausgemalt mit Hilfe der weithin verbreiteten Ressentiments gegen Muslime. Diese Illustration ist an sich beliebig gegenüber der ideologischen Funktion, die sie erfüllen soll. Aber dass die Chiffre „verstanden“ und massenhaft aufgegriffen wird, ist unverkennbar die Frucht eines antimuslimischen Rassismus, der sich in den vergangenen Jahren Bahn gebrochen hat und nun in einem bisher nicht gehabten Ausmaß mobilisierungsfähig geworden ist.

 

Weitere Ausbreitung? 

Von Pegida ging mittlerweile der Aufruf aus, ähnliche Märsche in weiteren Orten zu veranstalten: „Jede Stadt sollte ihre Demos selber auf die Beine stellen“. Hierin liegt ein Unterschied zu dem mehr zentralistischen HoGeSa-Ansatz. Tatsächlich sind nun in rascher Folge bundesweit etliche – bisher aber kleinere – „Lookalikes“ entstanden, auch kam es zu Resonanzaktionen unter anderem Namen. Hierzu zählte etwa die „Bürgerdemonstration Chemnitz wehrt sich“ am 22. November, die sich gegen „Asylwahnsinn, Überfremdung und Islamisierung Deutschlands“ richtete. Es erschienen 400 Personen, etliche davon aus dem Neonazi-Spektrum. Auch sind unter dem Eindruck der jüngsten Massenaufläufe in Dresden die von der NPD initiierten Schneeberger „Lichtelläufe“ (jetzt unter dem Titel „Freigeist“) reaktiviert worden.

 

Schon in Anbetracht der in Dresden erreichten Größenordnungen kommt es auf dieses Neonazispektrum nicht zwingend an. Gleichfalls besteht – so auch im Falle „Legida“ in Leipzig – der begründete Verdacht, dass einige Pegida-Ausgründungen auf Neonazis zurückgehen. Unterdessen bereitet auch das Dresdner „Original“, das sich nach eigenen Angaben auf ein „Orgateam“ von zwölf Personen stützt, eine Vereinsgründung vor.

 

 „Mutmaßlich rechtsmotiviert“

 

In der Presseberichterstattung fallen zum Teil erhebliche Unsicherheiten auf, wie HoGeSa, Pegida und ähnliche Initiativen politisch zu verorten sind. In der in Dresden erscheinenden Sächsischen Zeitung war Ende Oktober noch zu lesen, man demonstriere in der Landeshauptstadt ganz schlicht „gegen Glaubenskriege“. Mittlerweile ist zu lesen, diese Aufmärsche seien „mutmaßlich rechtsmotiviert“ oder „zuwanderungskritisch“. Es handelt sich dabei noch immer um grundlose Verniedlichungen, die den Kern ebenso verfehlen – wie wohl auch manche Statements linker Gruppierungen, die einen undefinierbaren „Mob“ am Werke sehen.

 

Festgehalten werden kann, dass es sich bei den Inhalten, die hier wie da breitgetragen werden, um das aktuelle thematische Inventar der extremen Rechten handelt: „Islamisierung“ und „Überfremdung“ sind die wesentlichen Stichwörter, aber auch die geradezu paranoide Annahme, einem „Vorbürgerkrieg“ ausgesetzt zu sein, der durch das bedrohte „Volk“ nicht mehr auszuhalten, sondern gegen „die Fremden“ auszutragen sein. Das ist die kulturkämpferische, seit Jahren insbesondere durch das Spektrum der Neuen Rechten vorgetragene und im Bereich des so genannten Rechtspopulismus gehegte Variante dessen, was die Neonaziszene bisher mit ihrer vergleichsweise weniger durchschlagenden „Volkstod-Kampagne“ vorgetragen hat.

 

Stellungswechsel in der extremen Rechten? 

Im Gegensatz zu dieser Kampagne ist die jüngste Entwicklung von einer weit größeren Mobilisierungsfähigkeit geprägt und – das ist Wesentlich – gerade kein originäres Projekt der Neonaziszene. HoGeSa und Pegida haben in vergleichsweise kurzer Zeit das erreicht, womit Nazis (jedenfalls auf der Straße) meist weitgehend unter sich blieben; und sie haben das umgesetzt, was Gruppierungen wie die „German Defence League“ und die Identitäre Bewegung alleine nicht erreichen konnten. Faktor des Erfolgs dürfte ein bedeutender Stellungswechsel sein: Zwar beziehen sich auch HoGeSa und Pegida auf ein rigides Volks- und Weltfeinddenken; aber die Rollen sind anders besetzt als im konservierten deutschen Neofaschismus, der sich aus eigenen Stücken kaum zu einem Lob „christlich-jüdischen Abendlandkultur“ hinreißen lassen würde – die Ablehnung der „Israel-Connection“ bedingt bisher eine dehn-, aber auch haltbare Trennlinie zwischen Neonazis und dem Spektrum des so genannten Rechtspopulismus.

 

Die bestehende Unsicherheit in der politischen Einordnung der aktuellen „Bewegungen“, die diese Trennung nicht aufweisen, dürfte auch einem zu engen antifaschistischen Interpretationsrahmen geschuldet sein. Die Akteure der extremen Rechten, die gemeinhin Anlass und Ziel der Auseinandersetzung sind und sich durch Aufmärsche hervortun, sind hierzulande – und speziell in Sachsen – üblicherweise Neonazis. Nun zeigt sich, dass die Neonazis eine zwar bedeutende, aber längst nicht die einzige und derzeit auch nicht bestimmende Fraktion der extremen Rechten sind. Die Märsche in Dresden sind mit Sicherheit Veranstaltungen der extremen Rechten. Sie sind mit ebenso großer Sicherheit keine Naziaufmärsche. Das macht sie keinen Deut besser.

 

Nazistische Radikalisierungslinien 

Im Rückblick zeigt sich, dass die Naziszene die Erfolge von HoGeSa und Pegida überhaupt nicht erwartet hat. Gerade deshalb werden die Ereignisse in Köln als außerordentliches Erfolgserlebnis („Wunder von Köln“) und teils als Verpflichtung wahrgenommen, auch in Dresden – schon vorher „Frontstadt“ – dabei zu sein. Die große Zahl der Teilnehmenden, die Dominanz auf der Straße, die gewaltgeladene Bestimmung des Geschehens, die offene Machtprobe, unbehelligte Übergriffe – all diese Eigenschaften, die in Köln unerwartet präsent waren, hatte die Neonaziszene in den vergangenen Jahren weitgehend eingebüßt. Die teils stark emotionalisierten „Erlebnisberichte“ von Teilnehmenden weisen darauf hin, dass Köln wahrgenommen wurde als „erhebendes“ Massenerlebnis, das es so noch nie oder jedenfalls ähnlich seit langem nicht mehr gegeben hat.

 

Die übliche Erfahrung mit Neonaziaufmärschen sowie weiteren Versuchen der extremen Rechten, Großevents zu etablieren waren in den vergangenen Jahren geprägt von einem Mangel an Anlässen, zu denen in vergleichbarem Ausmaß hätte mobilisiert und agiert werden können. Auch fehlten bei Aufmärschen der Neonaziszene zuletzt sowohl sehr junge wie auch gehobene Altersgruppen, die nun bei HoGeSa und Pegida in Erscheinung treten. Neonazis haben ein vitales Interesse daran, diese Plattformem zu nutzen, derem Anschlussfähigkeit auch nicht infrage steht. Ebenso darf als gesichert gelten, dass die vornehmlich zu offenem Rassismus zurückgekehrte neonazistische Agitation der vergangenen Jahre eine erhebliche Wirkung auf ein kaum zu ermessendes Meinungsvorfeld entfaltet und jetzt beschrittene Radikalisierungslinien vorgezeichnet hat.

 

Einschüchterung migrantischer Communities 

Dennoch darf vermutet werden, dass für die Normalisierung rassistischer Positionen – insbesondere deren antimuslimische Variante – in „bürgerlichen“ Spektren andere Diskurse bedeutender waren, die mit symptomatischen Namen wie Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci sowie der Etablierung der AfD zusammenhängen. Insoweit ist, wenn nach der aktuellen Rolle der Neonazis gefragt wird, die Ursache-Wirkungs-Beziehung in einer anderen, zukünftigen Hinsicht relevant: Wie wird die Neonaziszene strategisch auf die Entwicklung reagieren, die sie aktuell nicht anführen oder steuern kann, von der sie aber profitieren möchte?

 

Auf der Hand liegt zunächst die Gunst der Situation und die Ausnutzung der Strahlkraft der HoGeSa- und Pegida-Aktionen, die ihrerseits auf einer gesteigerten Akzeptanz von Aktionsformen beruhen, die bisher eine Domäne von Neonazis waren und nun, da ihr Modell aufgegriffen wird, an Selbstbewusstsein gewinnen: Sie sind nicht selbst Masse geworden, aber sie haben die Masse an ihrer Seite und können Teil von ihr sein, ohne zurückgewiesen zu werden. Wie ein klassischer Naziaufmarsch, vielleicht aber noch viel stärker, schaffen Pegida-Märsche wenigstens temporär „national-befreite Zonen“. Die entstehende Bedrohungs- und Einschüchterungswirkung gegenüber migrantischen Communities ist noch gar nicht zu ermessen.

 

Ein Beispiel dafür geben auch die so genannten „Bürgerbewegungen“ ab – weithin Neonazimobilisierungen, die in Berlin auf aggressive Weise gegen Unterkünfte für Asylsuchende vorgehen, gleichfalls zu „Montagsdemonstrationen“ laden und gewiss Leute mitreißen, die „Sorge und Furcht“ teilen wie in Dresden. Dabei bleibt es nicht: Auf der Facebook-Seite der „Bürgerbewegung Marzahn“ ist der Lageplan einer künftigen Containerunterkunft veröffentlicht worden; eigens eingetragen wurden Zugangswege zum Gelände, Eingänge zu den Wohneinheiten, Standorte von Containern, Spielflächen und des Wachschutzes¬. Über der Zweck so einer Veröffentlichung kann nur gemutmaßt werden, ergibt sich womöglich aber schon aus dem Kommentar eines Nutzers:

  • „Krieg bis sich das dreckspack von alleine verpissen tut“.

 EDL als Vorbild 

Es folgt aus alledem die Frage, welche Konsequenzen sich aus den erfolgreichen rassistischen Mobilisierungen für die ideologische und organisatorische Orientierung der extremen Rechten und insbesondere des Neonazispektrums ergeben werden. Die ideologische Frage stellt sich angesichts der Konjunktur des dezidiert antimuslimischen Rassismus, der durch Neonazis bereits verstärkt bedient wird – für den sie aber aktuell nicht über die überzeugendsten Angebotsstrukturen verfügen und den sie allein und für sich nicht (oder: noch nicht) in vergleichbarer Weise mobilisieren können wie HoGeSa und Pegida. Es bleibt bis auf Weiteres offen, inwieweit aus dem Neonazibereich eine Anpassung an die Trägerschichten des antimuslimischen Rassismus – und daher womöglich auch eine Revision eigener ideologischer Grundlagen – gelingen wird.

 

Unwahrscheinlich ist das nicht. Vielmehr ist der Neofaschismus in Deutschland in dieser Hinsicht und im Vergleich zu anderen Ländern ein Nachzügler. Denn was hier mit HoGeSa und Pegida vorgeblich „neu“ entsteht, erscheint inhaltlich, organisatorisch und habituell – bis hin zur Selbstzuschreibung als „Hooligans“ – als Wiedergänger von Gruppierungen wie der „English Defence League“ (EDL). Folgerichtig bezeichnet Pegida-Mitorganisator Däbritz ausdrücklich die antimuslimisch-rassistische EDL als direktes Vorbild für die weitere Entwicklung seiner „Bewegung“.

 

 Die Vernetzung

 

Kennzeichen von HoGeSa und Pegida ist ihre außerordentliche Dynamik: Sie sind in vergleichsweise kurzer Zeit aufgekommen, erlangen große mediale Reichweite und erzielen weitgehende Akzeptanz und Zulauf in verschiedensten Spektren. Die Tatsache, dass sich die zugehörigen Mobilisierungen insbesondere bei „Facebook“ abspielen, darf aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass die gesamte Entwicklung „spontan“ wäre. Hinter den HoGeSa-Aktionen steht, ganz im Gegenteil, eine mehrgliedrige Kommunikationsstruktur: Zu den ersten Facebook-Seiten kamen spätestens im September auch interne Gruppen, in denen sich auch die führenden Köpfe offenbarten, die sich als Hooligans und als „Speerspitze“ der Bewegung verstehen.

 

Diese verschworene Gemeinschaft mochte sich nicht in die Karten schauen lassen: Wenn es um „die Sache“ ging, war vorsichtshalber nur die Rede vom „Stricken“ und „Häkeln“. Eine hohe dreistellige Zahl von HoGeSa-Anhängern war unter diesem Vorwand bis zu den Ereignissen in Köln vernetzt und putschte sich dort gegenseitig mit rassistischen Parolen und nicht besseren Herrenwitzen auf, durchzogen von Gewaltphantasien. Auch ein Äquivalent für „den Osten“ wurde aufgebaut, mit einem ebenfalls beachtlichen Mitgliederstamm von mehr als 500 Personen.

 

Verbindung über Fanszenen 

Unter den Ostlern (fast ausschließlich Männer), die da kommunizieren, sind viele Nazis, aber nur wenige namhafte Kader. In die Sparte fällt Benedikt Bandura, er war Mitglied der inzwischen verbotenen Kameradschaft „Nationale Sozialisten Chemnitz“. Mehrere Anhänger des ostdeutschen Ablegers der „Weißen Wölfe Terrorcrew“ lassen sich als Diskutanten identifizieren, etwa Oliver Mende aus Wittstock. Auch fallen Personen auf, die Anfang 2014 versucht hatten, südlich von Leipzig eine gegen Asylsuchende gerichtete „Bürgerinitiative Groitzsch“ aufzubauen.

 

Verbindendes Element der ostdeutschen Häkel-Community war aber in erster Linie – und so ist es vermutlich bis heute – die Verankerung in verschiedenen Fußballfanszenen. Administratoren mussten immer wieder auffordern, Vereinsnamen bitteschön rauszulassen – es stachen Leipzig, Magdeburg, Rostock und vor allem Dresden klar hervor. Von dort her kommen einige Diskutanten, die als „Althools“ tituliert werden, beispielsweise Uwe Nähse. Der ist nicht nur virtuell befreundet mit Frank Rennicke, sondern hat einen Sohn der handgreiflichen Sorte: Stanley Nähse, zu mehreren Jahren Haft verurteilt wegen eines Brandanschlages auf ein linkes Wohn- und Kulturprojekt in Dresden vor gut vier Jahren. Er ist wieder auf freiem Fuß. Sein Rechtsbeistand war der schon erwähnte Leipziger Anwalt Mario Thomas (siehe oben).

 

„Gleichgesinnte“ Rassisten 

Die virtuelle Ost-Häkelgruppe war auch nicht zimperlich bei der Auswahl gegenseitig geteilter Nachrichten. Sie entstammen oft dem rassistischen Portal „PI-News“ sowie dem AfD-freundlichen Onlinemagazin „blu news“. Ein Peter Kupke – augenscheinlich ein engagierter Anhänger der extrem rechten „Bürgerbewegung Marzahn“ – verbreitete etwa die Abbildung einer angeblich in einer McDonald’s-Filiale aufgehangenen Information, nach der „Kunden mit südländischem Aussehen“ bei Bestellungen eine zusätzliche „Versicherungsgebühr“ entrichten müssen. Darauf reagiert Siegfried Däbritz: „Leider ein Fake. Aber gut.“

 

Däbritz, ein zuvor unbeachtlicher Geert-Wilders-Fan aus Meißen, zählt zu den Organisatoren der Dresdner Pegida-Märsche, und er hat weitere aufschlussreiche Kommentare hinterlassen. Zu Presseberichten über die durch (zunächst) Unbekannte inszenierte Nachstellung von IS-Hinrichtungen in der Leipziger Innenstadt gab er sich wohlinformiert: Das seien „Gleichgesinnte“ gewesen. Er meint die NPD-Jugend, die in Wirklichkeit hinter den Masken steckte.

 

„…keinen Schuldkomplex der Deutschen an den Schuhen kleben“ 

Weiter bewarb Däbritz den „Tag der Patrioten“ am 3. Oktober 2014 in Berlin, einer Kundgebung, zu der die „German Defence League“ (GDL) eingeladen hatte, deren Anhänger wiederum sich besonders zeitig das HoGeSa-Label zunutze machten. Nicht weiter verwunderlich sind daher die Selbstzuordnungen, die manche HoGeSa-Anhänger zu erkennen geben und die neben der GDL auch auf PRO-Parteien und die „Identitäre Bewegung“ verweisen. Für Däbritz etwa sind die Unterschiede sowieso zweitrangig, denn

  • „…die ‚Grenzen’ sind fließend, in Frankreich und England (EDL) ist die ‚Szene’ schon weiter, haben die ja nicht diesen Schuldkomplex der Deutschen an den Schuhen kleben.“

Und so spricht er aus, was viele denken: Muslime seien „bärtige Ziegenwämser“, und er empfiehlt sogleich das weitere Vorgehen:

  • „Übrigens, bei Koranverteilungen Schweinefüße in die rausgerissenen Seiten einwickeln kommt hervorragend an, die Füße gibts 6 Stück in einem Beutel in der Metro für kleines Geld, hat aber auch jeder Fleischer.“

Diese Worte machen Däbritz’ Mitteilungen zu einem gerade mal durchschnittlichen Beispiel für Ton und Inhalt der ostdeutschen „Häkelgruppe“, die im übrigen gepusht wurde durch westdeutsche HoGeSa-Planer, etwa den „Leiter West“ Andreas Kraul, den „Regionalleiter Süd“ namens Ben Müller sowie Dominik Roeseler, zwischenzeitlich „stellvertretender Regionalleiter West“. Roeseler ist Vizevorsitzender von „Pro NRW“ und Stadtrat in Gladbach. Breitere Bekanntheit erlangte er zuletzt als Mitorganisator des HoGeSa-Marsches in Köln. Auf Druck seiner Partei hatte er seine federführende Rolle daran kurzfristig an Kraul abgegeben.

 

„Gemeinsam gegen den Islam kämpfen“ 

Hinter den Kulissen aktiv und auch am Köln-Marsch mitbeteiligt war der „Leiter von HoGeSa-Ost“, Mario Pecher, der sich privat mit „Ultras Dynamo“- und „K-Block“-Logo schmückt. Er war es insbesondere, der seinen virtuellen Häkelfreunden riet, Aufforderungen zur Koranverbrennung zu unterlassen. Man wolle sich schließlich nicht in die „rechte Ecke“ stellen lassen.

 

Ein anderes Mal, bei der HoGeSa-Kundgebung in Hannover, hielt Pecher in tiefstem Sächsisch eine Rede von fragwürdiger Ehrlichkeit. Mehrfach zur Gewaltlosigkeit mahnend, gipfelte sein Vortrag in diesem schlichten Satz: „Lasst uns gemeinsam gegen den Islam kämpfen, alle!“ Dazu stimmte er – erklärtermaßen „kein Hooligan“ – abwechselnd die Sprechchöre „Wir sind das Volk“ und „Ahu, ahu, ahu“ an. Einen Gruß entrichtete Pecher übrigens an die Pegida-Demonstrationen in Dresden: Das seien „unsere“ Veranstaltungen, etwa ein Drittel der Teilnehmenden dort seien eigentlich HoGeSa-Anhänger. So rechnet es jedenfalls ihr „Leiter Ost“ vor, der es wissen muss.

 

Hate Speech pur 

Offenbar verfängt, was unter dem Label HoGeSa massenhaft verbreitet wird: Es ist Hate Speech pur. Beim Nachlesen fallen zwei weitere Aspekte auf: Zum einen schießt – bisher – der Aktivismus der „Bewegung“ über die organisatorischen Kapazitäten hinaus. Immer wieder wurde diskutiert, HoGeSa-Veranstaltungen schnellstmöglich in verschiedensten Städten anzusetzen, Leipzig wurde häufiger genannt. Woran es lange Zeit mangelte, waren Personen, die sich als Anmelder und Versammlungsleiter zur Verfügung stellen. Man kann diesen Umstand als zusätzlichen Hinweis darauf verstehen, dass eine professionelle Kuratierung des „Häkelns“ durch versammlungserfahrene Neonazis zunächst keine große Rolle spielte.

 

Das ist aber nicht als unübertretbare Grenze zu verstehen: Intern beworben wurden darüber hinaus Aufmärsche der Neonazi-„Bürgerinitiativen“ in Berlin. Weitgehend gleichgültig scheint den Protagonisten sowieso zu sein, unter welchem Motto und zu welchem Anlass mobilisiert wird. In dieser Hinsicht – und auch bei der engen Vernetzung der Protagonisten untereinander – sind HoGeSa und Pegida tatsächlich nicht zu unterscheiden. Sie leisten für eine bestimmte Klientel funktional das Gleiche.

 

Als „Erfolgs“-Labels dürften beide weiter hoch im Kurs stehen, wobei die Dresdner Variante noch stärker und an anhaltenderer Bedeutung gewinnen könnte: Sie zieht im Vergleich die meisten Menschen auf die Straße, zudem ist das Konzept zur beliebigen Adaption unter leicht zu verwechselnden Bezeichnungen in verschiedenen Städten freigegeben. Im Gegensatz dazu wird für den Begriff HoGeSa einen weit exklusiverer, mithin elitärer Anspruch geltend gemacht.

 

 Mythos Hooligan

 

Die zahlreiche Präsenz – teils auch die einflussreiche Rolle – von Personen, die sich für Hooligans halten oder dafür gehalten werden, ist bei HoGeSa-Versammlungen nicht von der Hand zu weisen. Ein vergleichbarer Eindruck ergab sich zumindest bei den früheren Pegida-Demonstrationen. Dennoch wird die Bedeutung von Hools überbewertet: Weite Teile dessen, was als Hoolszene wahrgenommen wird, hat mit solchen Veranstaltungen nichts zu tun. Daran wird sich vermutlich auch in Zukunft nichts ändern. Ganz ungeachtet der absehbaren Entwicklung, dass die bereits erheblichen Schnittmenge einiger Fußballfanszenen zur extremen Rechten sich weiter vergrößern könnte – oder seit je größer als angenommen ist –, sind politische Demonstrationen kein übliches, teils auch kein akzeptiertes Ausdrucksmittel dieser Szenen.

 

Fanszenen verschiedener Vereine, so weit sie über zahlreiche Kategorie-C-Fans verfügen und im Hooligan-Spektrum eine Rolle spielen, verhalten sich desweiteren unterschiedlich, oft aber indifferent zu der Frage, wie die Anreise der „eigenen Leute“ zu HoGeSa- und ähnlichen Veranstaltungen zu bewerten ist. Bedauerlich ist, dass die Fälle, in denen sich eine Beteiligung aus den eigenen Reihen ausdrücklich verbeten wird (und sei es nur aus taktischen Gründen), keine Vorbildwirkung erzielen können, da sie offenbar nicht öffentlich gemacht werden sollen. Das durch einige Vereine ausgesprochene Verbot von HoGeSa-Bekleidung dagegen hat nur symbolische Bedeutung.

 

Trotz der einnehmenden Selbstbezeichnung „Hooligans“ und der Medienberichte, die das für wahr nehmen, ist HoGeSa jedenfalls kein Projekt „der“ Hooligan-Szene. Es fällt etwa auf, dass die so genannte „Ackerfraktion“ sich zurückhält, weil sie mediale und repressive Aufmerksamkeit für ihre Aktivitäten meiden und daher die Publizität von HoGeSa-Aktionen scheuen muss. Umgekehrt spielen die „Borussenfront“ samt Siegfried Borchert („SS-Siggi“), die von ihrem Mythos so viel zehren können, dass sie in der Berichterstattung als Paradebeispiel organisierter Hooligan-Gruppen bei HoGeSa angeführt werden, keine bundesweit beachtsame Rolle in der Hoolszene. Das zeigte sich deutlich zwei Wochen nach der HoGeSa-Kundgebung in Hannover, als „Die Rechte“ zu einer Spinoff-Kundgebung in die Stadt einlud und statt der erwarteten 500 nur etwa 80 Personen erschienen. Auch das „Die Rechte“-Maskottchen Borchert beeindruckt außerhalb des eigenen Naziklüngels kaum jemanden.

 

„Hooligan“ als Identitätsangebot 

Für die eigentliche Zielgruppe der HoGeSa-Aktionen bleibt auch offen, inwieweit die davon begeisterten „Hooligans“ tatsächlich zur Hoolszene gerechnet werden können. Statt die Selbstbezeichnung für bare Münze zu nehmen, sollte sie eher nach ihrem Identitätswert hinterfragt werden: Der popkulturell geformte und in der Alltagsvorstellung verankerte Idealtyp „des“ Hooligans ist ein Underdog, der die Regeln selbst in die Hand nimmt, den Kampf sucht und ihn „ehrenhaft“ führt (oder was immer man jeweils dafür halten will). Der Kampf soll entscheiden über die eigene Scholle, wer nämlich „Herr im Haus“ oder auf der Straße, im Block, wo auch immer sein darf. Wer aber den Kampf führt, muss sich gegen besondere Widrigkeiten durchsetzen, gegen die Normen des Establishment und die Staatsmacht.

 

Kurzum: Dieses ganze Identitätsangebot lebt vom Gewaltfetisch, praktiziert unter Männerbünden, die sich wechselseitig als Feindbild dienen. Es liegt auf der Hand, dass viele, die sich mit dieser Kinofiktion des Hooligans identifizieren, mit realtypischen Hools nicht unbedingt etwas zu tun haben müssen. Der Punkt ist, dass das von ihnen abgelöste Rollenbild an sich eine Attraktionswirkung hat – man muss ihm nur ein anderes Feindbild unterschieben, der künftig mit den Mitteln des Hooliganismus bekämpft werden soll.

 

Mainstream-Feindbild 

Es kann gut sein, dass nicht wenige „echte“ Hools das für ein nachvollziehbares Angebot halten und das Feindbild zu übernehmen bereit sind. Bedeutsamer ist hier aber neben der Attraktion des „Hooliganismus“ die Konstruktion und Behandlung des Feindbildes – die Salafisten. Dieses Feindbild hat den aktuell unschlagbaren Vorteil, nicht gegen andere behauptet werden zu müssen, sondern bereits durchgesetzt und auf geradehin weltpolitischer Ebene massenmedial präsent zu sein. Islamisten, IS-Anhänger insbesondere, finden dagegen in der öffentlichen Meinung hierzulande keine Fürsprache. So bedarf auch die Feindschaftserklärung keiner weiteren Begründung, und zwar selbst dann nicht, wenn es sich nachher bei den empirischen Gegnern um Moslems („Islamisierung“), Asylsuchende („Schmarotzer“) oder MigrantInnen („Überfremdung“) handelt. Dass es aber genau darum geht, zeigen beispielsweise die eindeutigen Redebeiträge bei der HoGeSa-Kundgebung in Hannover. Das gleiche zeigt sich bei Pegida in derzeit sogar zunehmendem Maße auf mitgeführten Losungen oder bei den einschlägigen Statements vor Fernsehkameras.

 

Das zu problematisieren steht in der öffentlichen Auseinandersetzung jedoch weit zurück hinter der Skandalisierung der gewaltsamen Ausschreitungen in Köln. Zu Unrecht, denn für das Verständnis von HoGeSa könnte sich die namensgebende Zuordnung „Hooligans“ als weniger bedeutsam erweisen als die gegen den Islamismus gezogene Frontlinie. Von ihr aus ableiten zu können auf Fragen der Zuwanderung bis hin zu Fragen ethnischer Identität ist durch Debatten im Anschluss an Sarrazin und Pirinçci, sowie den Aufschwung der rechten Kulturkampf-Partei AfD, zu einem rassistischen common sense geworden. HoGeSa und Pegida sagen nicht das, „was alle denken“, aber sie sagen so ziemlich alles, worin ihnen nur wenige energisch genug widersprechen wollen oder was man ihnen als „berechtigte“ Überlegung sogar politisch zubilligt.

 

Kollektive rassistische Gewaltphantasie 

Dieser common sense ist vielleicht die entscheidendste Voraussetzung für die schiere Möglichkeit und die weite Akteptanz des Massenbündnisses, das sich unter den Namen HoGeSa und Pegida zusammengefunden hat. Und er ist gewissermaßen die „Regel“, die sich, will man ihr folgen und sie durchgesetzt wissen, mittels Begriff und Figur des Hooligans entsprechend aggressiv bebildern lässt. Der HoGeSa-Unterstützer und Pro-NRW-Politiker Dominik Roeseler bringt dieses instrumentelle Verhältnis auf den Punkt:

  • „Wenn es aber einen solchen Namen braucht, um ein deutliches Zeichen an die etablierte Politik zu senden, dann ist das so.“

„Der“ Hooligan nimmt in dieser Vorstellung die Regeln in die eigene Hand, er ermächtigt sich selbst. Dadurch ist die wichtigste Funktion der Hooligan-Figur für HoGeSa symbolischer Art: er repräsentiert eine konsequenten Vollstreckung des common sense und steht damit für eine rassistische Gewaltphantasie. Diese ist eben nicht an das Mitmischen „echter“ Hools (oder „echter“ Nazis) gebunden. Es können eben auch, wie bei Pegida, irgendwelche „Patrioten“ einspringen: Die vage Selbstbezeichnung vergrößert den Kreis der Kombattanten („europäisch“), entgrenzt das Schlachtfeld („Abendland“) und postuliert die universale Gefährlichkeit des Gegners („Islamisierung“). Damit wird nicht etwa die gewaltfetischistische Konnotation der Hooliganfigur zurückgewiesen, sondern ganz im Gegenteil die Dringlichkeit einer Vollstreckung betont.

 

„Unsicherheiten und Sorgen“ 

Dieser Punkt ist nicht nur von „theoretischer“ Relevanz, sondern hat praktische Konsequenzen. Wenn der Dresdner CDU-Stadtrat Georg Böhme-Korn das Bündnis „Dresden Nazifrei“ schon wegen Blockadeversuchen („Rechtsbruch“) gegen Pegida-Veranstaltungen kritisiert, da so eine legitime Meinungsäußerung („Artikulation“ von „Unsicherheiten und Sorgen“) beeinträchtigt werde, dann verteidigt er diesen common sense. Dessen Verbreitung bedingt, dass eine antifaschistische Gegenmobilisierung per se unter einen erhöhten Rechtfertigungsdruck gestellt wird, der auch deutlich größer ist, als es bei einem „klassischen“ Naziaufmarsch der Fall wäre.

 

Wenigstens, so der Tenor von der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung über die CDU bis zur AfD, solle man doch die „Unsicherheiten und Sorgen“ der Marschierenden ernstnehmen. Unnötig zu sagen, dass dieses „Ernstnehmen“ in der Landeshauptstadt ein Hofieren ist und dass, beispielsweise, die Pegida-Aufmärsche trotz der restriktiven Möglichkeiten des Versammlungsgesetzes, das gerade diesen Fall unterbinden helfen soll, vor die Frauenkirche ziehen können. Es ist nicht zuletzt diese offene Akzeptanz – bis hinauf zum Innenminister Ulbig –, die es ermöglicht und teils befördert, dass aus der Idealkoalition, die sich um den antimuslimischen Rassismus gruppiert, ein Realbündnis wird, in dem verschiedenste Spektren in einer bislang ungewöhnlichen Zusammensetzung gemeinsam auf der Straße stehen.

 

 Wie die Antifabewegung in Leipzig (nicht) reagieren sollte

 

Nach dem Vorbild von Pegida soll voraussichtlich am 12. Januar ein Aufmarsch unter dem Namen Legida in Leipzig stattfinden. Die Agitation ist dem Dresdner Original nachempfunden und zu erwarten ist, dass nach dem „Montagsdemo“-Vorbild und zur gleichen Uhrzeit wie in Dresden ein Marsch durch die Innenstadt angestrebt wird. Die Ereignisse der vergangenen Wochen sollten hinreichend darüber belehrt haben, dass es keinen Grund gibt, diesem Treiben zuzusehen. Beim Umgang mit Legida gilt es aber auch, Fehler zu vermeiden, die sich Gegenmobilisierungen in anderen Städten und wir selbst uns in der Vergangenheit geleistet haben. Was tun? Ganz oben stehen die nachfolgenden Überlegungen.

 

Erstens: 

Die antifaschistische Bewegung sollte Phänomene wie HoGeSa und Pegida nicht nur aufmerksam beobachten, sondern sich auch den Mühen einer inhaltlichen Analyse hingeben. Das ist nicht nur bedeutsam zum Verständnis der neuen – bis vor kurzem auch nicht erwarteten – Quantitäten, die mit diesen Mobilisierungen erreicht werden, sondern auch angesichts der inhaltlichen Qualität.

 

Hier ist Selbstkritik angezeigt. Ein Teil der antifaschistischen Linken hat es jahrelang versäumt, das Problem des antimuslimischen Rassismus überhaupt ernst zu nehmen. Nicht nur haben einige Fraktionen (zumal in Leipzig) die Bedeutung oder gar die Existenz dieser Ideologie geleugnet, sondern sie haben sich deren Bestandteile mitunter zueigen gemacht. Das darf sich nicht wiederholen. Es geht hier nicht um die Behauptung, dass die antifaschistische Linke mitschuldig wäre an der Entwicklung, die jetzt nicht mehr abzustreiten ist. Aber der Blick darauf war so lange verstellt, dass die Interventionsfähigkeit in dem Moment, in dem es darauf ankommen würde, nur eingeschränkt vorhanden ist. Das ist ein massives Problem.

 

Zweitens: 

Die Analyse dadurch abzukürzen, dass die neuen rassistischen Bewegungen auf den Begriff „Mob“ oder „Querfront“ gebracht werden, ist so bequem wie verkehrt. Hier genauer zu differenzieren hat natürlich nicht zum Ziel, die Leute mit ihren „Unsicherheiten und Sorgen“ in Schutz zu nehmen. In der akuten Situation muss es aber nicht zuerst darum gehen, verbalradikal die in der Gesellschaft weithin verbreitete Idealkoalition zu denunzieren. Sondern es geht jetzt konkret darum, die Übergänge zum Realbündnis zu stören. Nötigenfalls dadurch, dass die Kosten dieses Übergangs nach oben getrieben werden.

 

Besser umgekehrt. Wenn sich Leute, mit denen wir aus guten Gründen nichts tun haben wollen, dafür entscheiden, nicht an Legida teilzunehmen, dann ist das ein greifbarer Fortschritt bei dem Versuch, die Kontinuität der rassistischen Mobilisierung zu brechen. Das zerstört nicht die Grundlagen rassistischer Ideologie schlechthin – aber es nimmt seinen Trägern den begehrten Handlungsraum und setzt ihrer Selbstermächtigung eine Grenze.

 

Drittens: 

Aus der keineswegs abgeschlossenen Antifa/Antira-Debatte müssen endlich praktische Konsequenzen gezogen werden. Weite Teile des Antifaschismus können und müssen nach wie vor vom Antirassismus lernen, dass es auch bei der Auseinandersetzung mit dem Rassismus nicht nur um Nazis geht, dass das Spektrum der extremen Rechten weiter bemessen ist, dass das Meinungsvorfeld in verschiedenste politische Spektren übergreift und sich dort Diskurse vollziehen, in denen eine Intervention überfällig ist.

 

Was sich zudem in den jüngsten linken Debatten wiederholt hat, waren Warnungen vor einem Rückfall in die frühen 1990er Jahre mit einer rassistischen Pogrompraxis und einer gelähmten linken Bewegung, die auf die Schnelle keine Gegenstrategien fand. Wir brauchen diese Gegenstrategien doch auch heute unbedingt. Es ist dabei klar, dass ein Vorgehen gegen rassistische Aktionen sich nicht auf Symbolpolitik beschränken kann. Wenn richtigerweise bemerkt wird, dass Menschen, die an rassistischen Aktionen teilnehmen, nun einmal Rassisten sind – dann muss es ihnen auch unmissverständlich mitgeteilt werden, selbst wenn es ihnen gewisse „Unsicherheiten und Sorgen“ bereiten könnte.

 

Viertens: 

Der jetzige Entwicklungsstand ist nicht der Endpunkt. In der Vergangenheit hat sich mitunter (im Falle der NPD-„Lichtelläufe“, aber auch der unsäglichen „Friedensmahnwachen“) gezeigt, dass manche Mobilisierungen ihre Dynamik schon dann einbüßen, sobald sie durch Winter- oder Sommerpausen unterbrochen wird. Darauf ist jetzt aber nicht zu zählen, ohnehin sollen die Leipziger Legida-Aktionen erst im Januar beginnen. Selbst wenn die „Bewegung“ bis dahin ihre Mobilisierungskraft einbüßen sollte, von der Legida dann nicht mehr profitieren könnte, bleibt in Leipzig ein „einfacher“ Naziaufmarsch mit einem Potential von – vielleicht – immer noch mehreren hundert Teilnehmenden übrig.

 

Die Möglichkeit, nach längerer Zeit wieder in Leipzig zu marschieren und dabei eine Innenstadtroute nutzen zu können, wird sich die Neonaziszene nicht entgehen lassen. Mit diesem Szenario sollte mindestens gerechnet werden. Im bestmöglichen Ausgang dieses Szenarios kann Legida dann gar nicht erst eine Kontinuität entwickeln, in deren Verlauf sie weiteren Zulauf verzeichnen könnte.

 

Ausgehend vom jetzigen Zwischenstand sind auch mögliche Endpunkte des Entwicklungsprozesses zu bedenken. Wenn sich tatsächlich ein Organisationsmodell anbahnen sollte, das dem erklärten Vorbild der „English Defence League“ ähnelt (die „German Defence League“ tut es nur dem Namen nach), dann sind von deren bekannter Praxis her Gegenstrategien zu entwickeln. Die EDL ist eine militante rassistische Straßengang. Was immer ihr in Deutschland nacheifert, wird sich „auf der Straße“ durchsetzen wollen – eben dort braucht es Widerstand.

 

Fünftens: 

Die Themen der Rechten sind nicht unsere Themen und es gibt keinen guten Grund für inhaltliche Konzessionen. Dass die Rechten über Islam und Islamismus reden ist kein guter Anlass für einen Überbietungswettbewerb, wer die glaubwürdigere Ablehnung des Islamismus oder die ausgefeiltere Religionskritik oder die überzeugendste Einschätzung der Situation im Nahen Ostens aufbieten kann. Es darf nie vergessen werden, dass es sich bei diesen Themen, die HoGeSa und Pegida zu setzen und auszubeuten versuchen, um ein ihnen nützliches Schlagwort, damit also um einen Vorwand handelt.

 

Die antifaschistische Bewegung sollte nicht darauf hereinfallen. Sie sollte nicht dafür sorgen, dass der Vorwand als irgendwie berechtigt stehen bleibt und dass sich ausgerechnet von ihm aus Stichworte für öffentliche Debatten ergeben. Sie darf auch nicht akzeptieren, dass sich die Rechten als legitime Interessenträger artikulieren können, indem man sich auf ihre Schlagwörter einlässt.

 

Wenn, dann verhandeln wir um die Themen, die wir selber setzen – in erster Linie: die Konjunktur des Rassismus in Deutschland und die Notwendigkeit, ihn zurückzudrängen. AntifaschistInnen sollten sich angesichts dessen sich auf das konzentrieren, was sie gut können: rassistische Aufmärsche verhindern. In der konkreten Lage, wie sie sich jetzt darstellt, geht es genau darum und nicht etwa „ums Ganze“, nicht um das „Heil des Abendlandes“ und nicht um irgendeinen Gott.

 

Sechstens: 

Es bedarf endlich einer ernsthaften Debatte um Strategie und Organisation. Der Bedarf folgt zunächst aus einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Schon die Ausmaße von Pegida zeigen, dass eine Intervention allein im lokalen oder regionalen Rahmen nicht genügt, dass allerdings auch die bundesweiten linken Bündnisse und Großgruppen es offensichtlich nicht vermögen, hier einzuspringen. Im Moment muss daher genau erwogen werden, wie eine kurzfristige Intervention aus einer Defensivposition heraus dennoch etwas bewirken kann. Wenn Legida erst einmal Ausmaße annehmen sollte wie das Dresdner Original, wird unsere Position noch prekärer sein. Merke: Legida muss vorher erledigt werden – und damit ist jetzt zu beginnen. Das gilt für alle weiteren Mobilisierungen dieser Art.

 

Ein zweiter, beunruhigender Aspekt kommt dazu. Es geht nämlich nicht nur um HoGeSa und Pegida, sondern um eine zunehmende reaktionäre Formierung in der Gesellschaft, die in der Gleichzeitigkeit rechter Protestereignisse Ausdruck findet: In Sachsen gibt es etliche rassistische Versammlungen neben und teils zeitgleich zu den Pegida-Märschen. Es gibt – neulich auch in Dresden – Proteste gegen Sexualerziehung in Schulen. Es gibt einen Backlash gegen feministische Positionen, gegen selbstbestimmtes Leben und Lieben, gegen erkämpfte Grundrechte, auch das Grundrecht auf Asyl, auch die Religionsfreiheit. Es gibt mit der AfD eine Partei, die all diese Tendenzen in sich vereint und in drei Landesparlamente einziehen konnte.

 

Für linke Bewegungen stellt sich die Frage, wie angesichts dessen dauerhaft Widerstand geleistet, wie eine subversiv wirkende Politik konzipiert werden kann. Von einer staatstragenden Zivilgesellschaft – eine andere ist jedenfalls in Sachsen nicht wahrzunehmen – ist all das nicht zu erwarten.

 Zum tausendsten Mal: Zusammen gegen Rassismus kämpfen!

 

Lesetipps

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Ergänzungen

Es bedarf endlich einer ernsthaften Debatte um Strategie und Organisation. Der Bedarf folgt zunächst aus einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse. Schon die Ausmaße von Pegida zeigen, dass eine Intervention allein im lokalen oder regionalen Rahmen nicht genügt, dass allerdings auch die bundesweiten linken Bündnisse und Großgruppen es offensichtlich nicht vermögen, hier einzuspringen. Im Moment muss daher genau erwogen werden, wie eine kurzfristige Intervention aus einer Defensivposition heraus dennoch etwas bewirken kann.

Ich brauche keine Debatte um Strategie und Organisation, um gegen RWSMG (Rassistische WortSpiele Mit Großbuchstaben) zu sein. Genau dieses strategische Palaber, der diesem innewohnende elitäre Charakter, schreckt genügend Menschen ab. Dazu kommt dieses ständige Antifa in der Krise, dass die Hälfte der Leute als "oh nein mein Freundeskreis bricht zusammen" statt, wie verhält sich Antifaschismus in Krisenzeiten versteht. Fangt an Weihnachten an mit euren Omas und Opas darüber zu diskutieren oder euren Eltern...