[B] Offline Bytes Against Amazon

Regionen: 

Mit Angriffen gegen den Amazon-Fuhrpark, einem Angriff auf das Amazon Development Center Germany in Berlin-Mitte und einer Drohgebärde gegen dessen Chef in Falkensee, Brandenburg, in den vergangenen Nächten wollen wir ein weiteres Zeichen setzen und uns in die bestehenden Kämpfe einreihen.

Wir grüßen hiermit die Protestierenden am wohl zukünftigen Standort des Amazon Headquaters 2 in Queens, New York, wo sich Amazon nach einem krassen Städtewettbewerb Ende letzten Jahres für West Queens entschieden hatte, nachdem der Staat dem Konzern $2.8 Milliarden Steuererleichterungen zugesichert hatte.
Solidarische Grüße auch an alle Anderen die sich gegen den Technologischen Angriff verteidigen! So also auch an die Arbeiter*innen, die direkt oder indirekt für den Konzern tätig sind und die in den letzten Jahren vielerorts (bummel-)streikten, Werkstore blockierten und demonstrierten.

 
Arbeit im disruptiven Kapitalismus
Die miserablen Arbeitsbedingungen und Amazons „Innovationen“ auf dem Gebiet der prekären Arbeitsverhältnisse sind bekannt. In den Logistikzentren, vom Konzern Fullfillment-Center genannt, gibt es permanente Kontrolle und „Optimierung“ der Abläufe. Von der Überwachung der Handscanner bis zur gegenseitigen Bewertung und dem bewussten Ignorieren von Sicherheitsstandards lastet auf den Arbeiter*innen ein enormer Druck. So lohnt es sich oft nicht mal in den Pausenzeiten den Weg zum Pausenraum zurückzulegen und Pausen zu verlängern kommt für  Picker*innen und Packer*innen meist auch nicht in Frage. Jeder Handgriff und jeder Schritt im Lager wird haargenau überwacht. 
Auch die meisten der 200 000 Paketzusteller*innen in Deutschland arbeiten unter miesen Bedingungen für diverse (Sub-)Unternehmen mehr oder weniger indirekt, aber auf jeden Fall sehr flexibel, für Amazon. Amazon Flex, heißt die App, mit der man sich als Scheinselbstständige*r den hoffentlich nächsten Lieferauftrag ans Land zieht. Die Route zur Zieladresse wird dann vorgegeben.
Bei Amazon Mechanical Turk, der ersten Klickworking Plattform, wurden sämtliche Arbeitsrechte umgangen. Auf der Plattform werden sogenannte Mikroaufgaben à z.B. 10 Cent vergeben. Beim stupiden Aussortieren unangemessener Inhalte oder beim Produktbewertungen schreiben werden dann Screenshots und Arbeitstempo aufgenommen. 

 
(Arbeits-)kampf gegen die vierte Industrielle Revolution
Die Gewerkschaft ver.di führt derweil für die 14 000 Arbeiter*innen aus 12 Logistikzentren einen bisher erfolglosen Tarifstreit.
Trotz „Union-Busting“, immensen Organisierungshindernissen und hoher Fluktuation der Belegschaft in den Lagern haben am Schnäppchentag „Black Friday“ 2017, nach ver.di Angaben, ca. 10% der Arbeiter*innen an sieben deutschen Lagerstandorten und jeweils an einem in Italien und Polen einen Streik organisiert. Dazu haben solidarische Leute und Gruppe versucht das Amazon-Prime-Logistikzentrum am Kurfürstendamm in der Berliner Innenstadt zeitgleich zu blockieren, leider ohne nennenswerte Verzögerungen zu verursachen.
Ralf Kleber, Amazon-Deutschland Chef, behauptete mal: „Wenn Glatteis ist, juckt uns das weit mehr, als wenn ver.di zum Arbeitskampf aufruft“.
Er hatte Recht, doch wieso können (lokale) Streiks nicht mehr den gewünschten Druck ausüben? Die Automatisierung der Lastenverteilung zwischen den Warenlagern über Landesgrenzen hinaus ermöglicht es Unterbrechungen, wie z.B. durch Streiks, so weit aufzufangen, dass die Lieferzeiten wie gewünscht sehr kurz gehalten werden und in der Öffentlichkeit jede Auswirkung des Streiks fast unsichtbar bleibt. Das Stören des reibungslosen Betriebs wird hier durch „intelligente“ Algorithmen erschwert bis unmöglich gemacht. Amazon ist Vorreiter auf dem Feld dieser Automatisierung, welche hier einen direkten Angriff auf die Arbeiter*innen und ihre Möglichkeiten des regulierten Arbeitskampfes darstellt. Doch trotz und gerade wegen dieser besorgniserregenden Entwicklungen ist es wichtig die Initiative zu ergreifen. Dass bisherige Streiks solchen Konzernen keinen ernstzunehmenden Schaden zugefügt haben, macht sie nicht überflüssig. Es zeigt eher, dass es notwendig ist mit größerer Vehemenz und „radikaleren“ Mitteln zu kämpfen, das könnte beispielsweise mehr direkte Aktionen heißen, wilde internationale Streiks und dafür eine internationale Vernetzung weiter voranzubringen. Sabotage und militante Interventionen (von außen) oder die Idee eines europäischen Generalstreiks wie es die Spanischen Genoss*innen vorschlagen (https://makeamazonpay.org/2018/05/17/675/) könnten da genauso andocken, wie Ideen für die Sabotage an den Algorithmen bzw. an dem Internet of Things durch falsch einsortierte Pakete oder ähnliches. Eine Kombination aus traditionellen und neuen Mitteln gegen die neue digitalisierte Arbeitswelt ist wahrscheinlich am vielversprechendsten im (Arbeits-)Kampf gegen ein disruptives Technologie-Unternehmen wie Amazon.

 
Die Amazonisierung der Welt
Amazon und Co stehen nicht nur für eine smarte Welt der Leiharbeit und Dienstleistungsgesellschaft in der immer mehr vormals dem Staat vorbehaltene Aufgaben von Konzernen übernommen werden, sie sind viel mehr.
Zum Einen ist Amazon natürlich ein Online-Marktplatz auf dem Amazon der größte Händler sowie auch dessen Besitzer ist und dann Produkte, die sich gut verkaufen, selber herstellt. Ein cleverer Teil der Strategie vom ehemaligen Banker Jeff Bezos, der schon seit Anfang der 90er jeglichen Gewinn wieder ins Unternehmen steckte, somit Steuerabgaben vermied, auch in Krisenzeiten das Vertrauen an den Börsen weiterhin behielt und eine Umsatzsteigerung von 1,3 Milliarden in 2000 auf 48,7 Milliarden in 2017 allein im Onlinehandel erreichte.
Zum Andern ist Amazon im besonderen auch ein Kontrolleur und Alleswisser.
Es gehört zum Geschäftsmodell ausgewertete Daten von hunderten Millionen User-Profilen dafür zu nutzen Menschen (Produkt-)Wünsche zu implantieren und somit ein Stück weit das Denken zu bestimmen. Gemäß dem Prinzip: analysieren was du machst damit du dann das machst was du machst.

 
Berlin will sie haben!
Senat und Bundesregierung geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem Feld der Forschung zur Künstlicher Intelligenz (KI) konkurrenzfähig zu machen – natürlich mit dem Adjektiv ethisch vor KI. Dazu gehören Pläne des deutschen Forschungszentrums für KI für einen unternehmensübergreifenden KI-Campus in Berlin, um die Stadt zu einem „weltweiten Hub für KI“ zu machen. Seit kurzem gibt es u.a. ein KI-Zentrum von Rolls-Royce in Dahlewitz und auch im neuen Google-Standort Tucholskystraße soll ein Zentrum für KI gebildet werden.
Die grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop schwatzt von einem „einzigartigen Innovations-Ökosystem“ aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dafür sollen vom Staat weitere Milliarden an Fördergeldern locker gemacht werden, damit Deutschland in diesem Konkurrenzlauf nicht den Anschluss verpasst.
In der Krausenstraße, einer Parallelstraße der Leipziger Straße, gibt es auch so eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Das Amazon Development Center Germany an dem rund 500 Programmierer*innen schwerpunktmäßig an KI/maschinellem Lernen forschen, künstlichen neuronalen Netzen die so was wie Erfahrungswissen haben. Man kann auch von mit Massendaten gefütterten KI-Algorithmen sprechen. Denkende oder gar mit Bewusstsein ausgestattete Künstliche Intelligenz ist das aber zum Glück nicht.
Genauer wird dort der Kunden-die-sich-für-dieses-Produkt-interessierten-kauften-auch-Algorithmus und die KI für den Sprachassistenten Alexa, die weltweit von allen Nutzer*innen ständig unbezahlt weiter trainiert wird, betreut.
Auch wird, wie oben beschrieben, das Logistiksystem weiter gegen Störungen immunisiert.
“Amazon arbeitet mit Algorithmen, die bei der Prognose für zukünftige Nachfragen helfen“, so würden auch Lagerbestand und die Personalausstattung gesteuert, wird der Chef in einem Interview zietiert. Wer aus der Reservearmee der Überflüssigen dann nach welchen Berwerber*innen-Eigenschaften eingestellt wird, wird dann selbstverständlich auch (sexistisch) von einem von Amazon entwickeltem Algorithmus geklärt.

 
Intelligenter Kapitalismus
Die Forschung an KI und das Vorantreiben und Vermarkten von Alexa zielt auch auf verbliebene, bisher private, Lebensbereiche ab. Autos oder Lautsprecher, die nicht ständig zuhören und keine eingebaute Spracherkennung haben, dürften schon in ein paar Jahren rar sein. Der Alltag der Nutzer*innen solcher Sprachsteuerungen wird schon heute vermessen und die Eingaben auf unbestimmte Zeit gespeichert. Wer im Internet auf kleinen Bildern Straßenschilder oder Fahrzeuge identifizieren soll (sogenannte „Captchas“), trainiert KI für selbstfahrende Autos von Google.
Von welchem der Tech-Giganten diese Technologie auch immer vorangetrieben wird, im Kapitalismus sind die Vorzeichen klar: So wird die Leistung der trainierten Software schon jetzt an alle zahlende Kunden verkauft. Amazon bewirbt hier unter anderem die Zusammenarbeit mit dem US-Department of Defense, dem neben Software zur Gesichts- und Gegenstandserkennung auch unter der Marke Amazon-Web-Services Rechenkapazität und Speicher verkauft werden.
Dabei wird KI in den bestehenden Verhältnissen immer auch zur Unterdrückung des Widerstandes genutzt. Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware nach den Ausschreitungen beim G20 in Hamburg ist dabei wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack.
Zukünftig droht eine von wenigen Konzernen gestaltete und gesteuerte Welt, denn wer einmal mit Hilfe unzähliger Sensoren in der Lage ist, jeden Winkel der Erde zu vermessen und jede Bewegung zu analysiert hat, hat auch die Macht die weitere Entwicklung der Gesamtgesellschaft zu beeinflussen.

Bei allen Ohnmachtsgefühlen bleibt klar, dass militante Aktionen weiterhin funktionieren werden, auch wenn die neuen Technologien es schwieriger machen. Es verkleinern sich die Spielräume. Diejenigen, die dies vorantreiben, können sich nicht der Mitverantwortung für Ausbeutung, Unterdrückung sowie totaler Kontrolle und Überwachung entziehen. Die Farbe an seinem Wohnhaus in Falkensee soll ihn daran erinnern.

Lasst uns dafür Streiten, die Zukunft offen zu halten!

Checkt capulcu.blackblogs.org!

 

Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.

Bilder: 
webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen

In den Berliner Ortsteilen Gesundbrunnen (Mitte) und Karlshorst (Lichtenberg) haben in der Nacht zum Freitag mehrere Transporter des Versandhändlers Amazon gebrannt. Um kurz nach 2.00 Uhr habe ein Zeuge Flammen in einem Lieferwagen in der Wallensteinstraße in Berlin-Karlshorst bemerkt, teilte die Polizei am Freitag mit. Diese griffen auf einen zweiten Lieferwagen über. Gegen 2.30 Uhr habe dann eine Zeugin Flammen in einem Transporter in der Eulerstraße im Stadtteil Gesundbrunnen gesehen, hieß es weiter.

via rbb24.de

 

Bereits am Donnerstagmorgen hatten mindestens drei Vermummte das Amazon-Büro in der Krausenstraße im Bezirk Mitte angegriffen. In dem Gebäude befindet sich ein Amazon-Entwicklungszentrum.Gegen 3.00 Uhr morgens verrammelten die Täter die Eingangstür des Gebäudes von außen mit einem Fahrradschloss und sperrten die Wachleute ein. Die Täter bewarfen das Gebäude mit Pflastersteinen und beschmierten es mit schwarzer Farbe. Über die Motivation der Tat ist noch nichts bekannt. Auch in diesem Fall ermitteln Polizei und Staatsschutz.

via heise.de

 

Im Internet kursiert ein anonymes Bekennerschreiben, in dem unter anderem die Arbeitsbedingungen bei dem Onlinehändler, aber auch dessen Zusammenarbeit mit dem US-Verteidigungsministerium kritisiert werden. „Mit Angriffen gegen den Amazon-Fuhrpark, einem Angriff auf das Amazon Development Center Germany in Berlin-Mitte und einer Drohgebärde gegen dessen Chef [...], in den vergangenen Nächten wollen wir ein weiteres Zeichen setzen und uns in die bestehenden Kämpfe einreihen“, heißt es in dem Dokument. Ob die Autoren des Textes tatsächlich für die Brände verantwortlich sind, lässt sich allerdings nicht mit Sicherheit sagen.

via t3n.de

 

In einem am Freitagmittag auf der linken Internetplattform Indymedia veröffentlichten Bekennerschreiben teilen die offenbar für die Angriffe Verantwortlichen mit, man habe auch den Chef des Amazon Development Center Germany »bedroht«. In dem Schreiben solidarisieren sich die Angreifer mit den Protesten gegen Amazon in New York. Außerdem kritisierten die Verfasser die Arbeitsbedingungen bei dem Onlinehändler und das Sammeln von Kundendaten.

via neues-deutschland.de

 

Amazon selbst will sich zu den Attacken gegen das Haus und die Autos nicht äußern.

via berliner-zeitung.de

 

Das ND und t3n.de haben nach einigen Stunden den Namen des Chefs aus ihren Artikeln entfernt. Bisher trat er öffentlich als Chefforscher auf.

.

Bilder: