Ein Kampf gegen Google, aber nicht nur....
...oder wie Kapitalismus, digitale Herrschaft, Alternativkultur und der geplante Start-up- Campus in Kreuzberg miteinander verknüpft sind.
Seit Google bekannt gegeben hat, dass sie in Berlin - Kreuzberg einen Start-up-Campus eröffnen wollen, gab es eine Fülle von Initiativen, die sich mit dem Technologiekonzern und was damit verbunden ist beschäftigt haben. Sprühereien, Plakate, Farbattacken, Veranstaltungen, Kundgebungen und Zeitungsprojekte zeugen davon, dass der Aufruf zum Kampf gegen Google auf offene Ohren gestoßen ist und in diesen Handlungen ein Echo fand. Genauso vielseitig wie die einzelnen Momente des bisherigen Widerstandes scheinen auch die AkteurInnen darin zu sein.
Von anarchistischer Seite kamen konkrete Vorstellungen welcher Mittel sich dieser Kampf bedienen könnte; ein informeller, selbst-organisierter und offensiver Kampf, ohne den Appell an Politik und jegliche Autorität[1]. Dieser Vorschlag bedeutet für uns die Notwendigkeit einer tiefergehenden Analyse der herrschenden Verhältnisse um ein weiterführendes, revolutionäres Projekt anhand dieses Kampfes zu diskutieren und in unsere Handlungen mit einfließen zu lassen. Es muss daher darum gehen die Verzahnung der digitalen Herrschaft und der fortdauernden Restrukturierung des Kapitalismus aufzuzeigen, um anhand dessen, die Dringlichkeit nach der Infragestellung des Bestehenden zu verstärken. Dabei gilt es anzuerkennen, dass Google zweifellos eine treibende Kraft in einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung ist, welche tief in unsere sozialen Beziehungen eingreift. Alleine deswegen ist es Wert sich ihm gegenüber in Stellung zu bringen. Letzten Endes aber ist dieser Konzern nur ein Beispiel von vielen aus dem Bereich der New Economy, die sich mit ihren technologischen Innovationen als Heilbringer aller Problemlösungen präsentieren, durch welche sich die kapitalistische Vorherrschaft noch weiter verfestigt. Deshalb scheint es angebracht, sich mit verschiedenen Aspekten dieses Kampfes zu beschäftigen, um Möglichkeiten zu skizzieren, wohin die Reise gehen könnte.
Die Bedingungen, die wir vorfinden
Die meisten von uns sehen sich verschiedensten ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Lohnarbeit, Schule, Ausbildung, Jobcenter, Miete zahlen usw. sind alles Dinge, die uns das Leben schwer machen und direkt miteinander verknüpft sind. Die bestehende soziale Ordnung basiert auf der Trennung in Besitzende und Ausgebeutete und baut darauf auf uns in diesem Abhängigkeitsverhältnis zu halten. So soll garantiert werden das die Kapitalanhäufung und das stetige Wirtschaftswachstum gewährleistet sind. Diese Notwendigkeit und die Logik des grenzenlosen Wachstums bringt das System aber immer wieder an seine Grenzen, was gemeinhin als „Krise“ bezeichnet wird. Diese wiederkehrenden Phasen der negativ Entwicklung führen dazu , dass sich der Kapitalismus permanent neu erfinden muss, um so weitere Märkte zu erschließen.
Dabei wird es immer schwieriger, die Prozesse der kapitalistischen Transformation nachzuvollziehen und die Linie der Trennung zu identifizieren. War seit der Industrialisierung bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, diese Trennung der Klassen, in diejenigen die im Besitz der Produktionsmittel waren und denjenigen die gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen, noch weitestgehend offensichtlich, hat sich dies mit der Auslagerung großer Teile der Produktion in die Zweit- und Drittweltländer und der Erweiterung des Dienstleistungssektors, schrittweise verändert. Damit ging auch das Bewusstsein der ArbeiterInnenüber ihre Klassenzugehörigkeit und die darüber definierten Auseinandersetzungen zunehmend verloren. Die aktuelle Veränderung hin zu einer Informationsgesellschaft, und die Bestrebungen unter dem Titel Industrie 4.0, verstärken diese Tendenzen noch weiter. Mit der fortschreitenden Automatisierung von Produktionsprozessen durch Roboter, künstlicher Intelligenz und digitalen Systemen, sowie dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien geht ein weiterer grundlegender Wandel einher.
Dies hat die Zerstreuung auf dem Arbeitsmarkt und die Vereinzelung der Individuen zur Folge. Die klassische Vollzeitbeschäftigung wird immer seltener und durch Teilzeit-, Minijobs und (Schein-) Selbstständigkeit ersetzt. Die Firmen suchen sich ihre Lohnsklaven nach Bedarf und sparen so einen Haufen Geld und Ärger. Auf der dadurch erzwungenen Flexibilität der Prekären baut ein ganzer Wirtschaftszweig auf, innerhalb dessen die On-Demand-Unternehmen wie Uber, Deliveroo usw. die Inwertsetzung alltäglicher Dinge auf die Spitze treiben. Es geht um die ökonomische Erschließung aller Lebensbereiche, wobei den Start-Ups hier eine tragende Rolle zukommt. Gleichzeitig verstehen es die ideologischen Strategen und Geldgeber der Tech-Konzerne den ökonomischen Zwängen einen Lifestyle überstülpen, der Freiheit und Selbstbestimmung verspricht, der als erstrebenswert gilt und an vermeintlich edle Ziele geknüpft ist. Man sieht sich moralisch auf der richtigen Seite, da unter dem Vorwand der Ökologie technologische Lösungen angeboten werden um die Probleme der Welt zu lösen. Dabei wird konsequent ignoriert, dass all diese Probleme von der Ressourcenknappheit bis hin zu den zugemüllten Weltmeeren, hausgemacht sind. Ihre Ursachen sind in der zerstörerischen Kraft des Kapitalismus zu finden. Manche mögen naiv sein, und wirklich denken, dass sie mit ihren Innovationen die Welt verbessern können, doch vieles ist knallhartes Kalkül um mit der selben Scheiße in Grün, neue Bereiche der Verwertung zuzuführen. Währenddessen scheinen sich die AkteurInnen und ZuarbeiterInnen der New Economy in ihren unzähligen Start-ups und Co-working-Büros ihrer Rolle innerhalb der kapitalistischen Verwertung immer weniger bewusst zu sein. Ihr Office ist Wohnzimmer und Lebensmittelpunkt zugleich und ihre Familie ist die „Community“. Das man sich dafür bis zum Umfallen an vermeintlich tollen Ideen abarbeitet, immer mit dem Blick auf den Durchbruch und das große Geld, wird dabei völlig selbstlos in Kauf genommen.
Es ist keineswegs so, dass sich die Ausbeutungsverhälnisse dadurch aufgelöst hätten, vielmehr sind sie feinmaschiger und weniger offensichtlich geworden, während gleichzeitig die Seelen der Ausgebeuteten mit dem Gift des Spektakel betäubt werden. Parallel zu diesen Entwicklungen hat sich auch in den urbanen Zentren der Metropolen eine massive Umwandlung vollzogen. In Berlin, waren und sind, die in großen Teilen der Innenstadt ehemaligen Arbeiterbezirke diesen Veränderungen, und dem damit einhergehenden sozialen Angriff, am Stärksten ausgesetzt. Durch Mieterhöhung, Luxussanierung, Rausschmiss und Räumungen wurden bereits viele der ärmeren BewohnerInnen aus ihrem gewohnten Umfeld vertrieben und gewachsene soziale Strukturen zerrissen, um der kapitalistischen Verwertung platz zu machen. Orte, die vor nicht all zu langer Zeit noch einfache Wohngegenden waren oder wegen Dreck und Kriminalität als unattraktiv galten sind die Goldgruben der InvestorInnen von heute.
Boutiquen, Galerien, hippe Bars und Bioläden schießen wie Pilze aus dem Boden und bedienen die Bedürfnisse der neuen Mittelschicht. Gleichzeitig wird von Seiten der Politik um die Ansiedlung der Kreativ-Wirtschaft und New-Economy gebuhlt, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüberanderen Metropolen in der Erneuerung der Stadt zur „Smart City“ zu verschaffen. Eine Stadt die mit Hilfe der neuen Technologien intelligent und effizienter werden soll. Dabei wird die Infrastruktur mit Hilfe von Big Data und dem Internet der Dinge allumfassend vernetzt, um den öffentlichen Raum durchgängig analysieren, vermessen und steuern zu können. All diese Entwicklungen bringen einen sozialen Konflikt mit sich, um deren Verwaltung sich die Autoritäten bemühen um einen reibungslosen Ablauf zu Gunsten des Kapitals zu ermöglichen. Vielseitige Techniken des Herrschens werden hier angewandt um die Ausgeschlossenen in Schach zu halten und eine Rebellion gegen die Verhältnisse bereits im Keim zu ersticken. Um widerständiges Potential zu integrieren wird bei Aufwertungsprozessen zunehmend eine vermeintliche Partizipation der BürgerInnen suggeriert. Auch wenn dadurch für die Gutgläubigen kaum realpolitische Erfolge zu verzeichnen sind, gelingt es den PolitikerInnen damit immer wieder den Protest zu spalten und sich ein demokratisches Antlitz zu verleihen, um danach guten Gewissens den InvestorInnen die Hände zu reichen. Gleichzeitig werden in den Quartiermanagments der verschiedenen Kieze Eingreiftruppen von SozialarbeiterInnen und Ordnungsämtern installiert, welche an den Brennpunkten, wo die sozialen Konflikte am deutlichsten zu Tage treten, den Unmut der Betroffenen zu beschwichtigen. Unangepasste Jugendliche und andere „Problemgruppen“ sollen assimiliert und unter Kontrolle gehalten werden, oder zumindest aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Immer mit dem Ziel, die Doktrin des sozialen Friedens auch unter denjenigen zu schüren, die das System schon längst ausgespuckt hat. Dabei ist allen klar, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung in den kommenden Jahren noch unzählige weitere Überflüssige, produzieren wird.
Um die herrschende Ordnung dabei langfristig aufrecht zu erhalten, wird ein allumfassendes System der sozialen Kontrolle errichtet. So sind Überwachungskameras und private Sicherheitsdienste neben der Präsenz der Polizei zu einem festen Bestandteil der städtischen Sicherheitsarchitektur geworden. Gegenden an denen offene Konflikte oder staatliche Kontrollverluste drohen werden zum Gefahrengebiet erklärt und wenn nötig unter Dauerbesatzung durch die Polizei gestellt, die dort nach Lust und Laune kontrolliert, schikaniert, zuschlägt und verhaftet. Der Ausnahmezustand wird zur Norm und die Militarisierung des Alltags zur Gewohnheit. Auch hier werden die herkömmlichen Methoden der Kontrolle durch die digitale Umstrukturierung erweitert. Intelligente Kameras sollen, wie aktuell am Bahnhof Südkreuz erprobt wird, Gesichter erkennen und Verhaltensmuster die auf mögliche kriminelle Absichten hindeuten von den Algorithmen erkannt werden. Polizeibehörden werden mit Predictive-Policing-Software, die Verbrechen bereits bevor sie geschehen Vorhersagen soll, ausgerüstet. Durch die Vernetzung von Allem und Jedem mit Chips und Sensoren werden neue Möglichkeiten für Kontroll- und Überwachungsinstrumente geschaffen. Gleichzeitig wird durch das Dauersenden von Informationen bei der Benutzung der technischen Errungenschaften im Alltag bereits jetzt ein fast lückenloses Bewegungsprofil der Nutzer erstellt. Daten, die es den Repressionbehörden ermöglichen ein totalitäres Überwachungssystem, wie aus einer dystopisch anmutenden Zukunftsvision, zu errichten.
Kreuzberg, eine Ressource für die Tech-Industrie
Es ist davon auszugehen, dass die Standortauswahl von Google für ihren Campus kein Zufall war. In Kreuzberg finden die Technologiekonzerne mittlerweile genau das Milieu einer jungen, kreativenund tech-affinen Szene, von deren Innovationen sie sich viel versprechen. Gleichzeitig gibt es hier eine starke Präsenz von Alternativkultur und in vielen Köpfen existiert noch immer der Mythos Kreuzberg aufgrund seiner Geschichte. Dies sorgt für eine gewisse Authentizität, die dabei nicht unbedeutend ist. Es sind ähnliche Bedingungen wie die Branche bei der Entstehung des Silicon Valleys bereits vor vielen Jahrzehnten in San Francisco vorgefunden hatte oder sogar aus ihnen hervorgingen.
Es wird wohl niemand bestreiten, dass die wilden Zeiten Kreuzbergs längst vorüber sind. Zeiten, in denen Hausbesetzungen und Straßenschlachten nicht selten waren und die Bullen sich nur in Mannschaftsstärke in die dunklen Ecken des ehemaligen Postbezirks SO36 verirrt haben. Die Entwicklungen, die wir heute in dem Bezirk erleben, lassen sich aber nicht losgelöst von seiner Geschichte betrachten. Mit den HausbesetzerInnen kamen auch neue Lebensentwürfe, Subkultur und Alternativszene. Menschen, die mit viel Kreativität ihren Alltag bestritten, fernab von klassischer Maloche, Familie und Zukunftsplanung. Es war eine Revolte gegen das Existierende, nicht aber ohne Widersprüchlichkeiten. Schnell war klar, das die erkämpften Freiheiten, welche umfassende Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und des Hedonismus mit sich brachten, gleichzeitig auch eine Lähmung der Kampfeslust zur Folge hatte. Während sich Einige der permanenten Konfliktulität verschrieben, verstanden es viele Andere, sich ihre Nischen und Wohlfühlzonen zu schaffen. Alternativszene und Kollektivbetriebe suchten sich ihre Wege eines anderen Lebens innerhalb der herrschenden Spielregeln und sind nicht selten schon bald wieder von der gnadenlosen Realität des Kapitalismus eingeholt worden. Nichts desto Trotz hat es zu einer materiellen Verankerung im Kiez in Form von Kneipen, Hausprojekten, Werkstätten usw. geführt, die den Stadtteil nachhaltig verändert haben und zum Teil bis heute fortbestehen.
Nur wenige dieser Orte konnten ihre rebellische Haltung über die Jahrzehnte bewahren. Die Mehrzahl jedoch wurde zum Teil des Problems mit dem wir heute konfrontiert sind. So sind die bunten Fassaden von damals oft nur noch ein Schatten seiner selbst und in gewisser Weise der Bodensatz auf dem die Aufwertungsspirale nach dem Mauerfall gewachsen ist, die bis heute anhält und in den letzten Jahren nochmal massiv an Tempo zugelegt hat.
Was geblieben ist, ist ein Image eines Stadtteils als Ort der Offenheit und Toleranz, wo alles geht und jeder darf wie er will. Ein Ort für Aufbruch und Kreativität, Innovation und Selbstverwirklichung. Der beste Nährboden für die ganzen Selfmade-Hipster von Facebook, Youtube und Instagram, die sich in ihrer so viel beschworenen Individualität gleicher nicht sein könnten. Gleichzeitig sind es genau diese Schlagworte, welche ihre Wurzeln in der Gegenkultur haben, die wir bei den ideologischen Strategen der Start-Up-Szene und Tech-Konzerne heute wieder finden. So wird der Mythos Kreuzberg zu seinem eigenen Untergang, denn die InvestorInnen haben verstanden, das sich aus diesem Image Profit machen lässt. Einem Image, das auf all dem aufbaut, was die AufwerterInnen danach restlos zu zerstören bereit sind.
So sind es aktuell nicht mehr nur diejenigen, die ihren ökonomischen Interessen einen alternativen Stempel aufdrücken oder sich vielleicht sogar einer alternativen Lebenswelt zugehörige fühlen, die die Aufwertungprozesse vorantreiben, sondern zunehmend auch Großkonzerne. Hier im Speziellen, diejenigen der Tech-Industrie wie Zalando und Google oder ein Zusammenschluss vieler wie in der Start-up-Factory am Rande Kreuzbergs, welche Europas größte dieser Art ist. Am Beispiel von Google zeigt sich, dass dabei der direkte Profit der daraus zu ziehen ist, für die Finanzstarken derBranche nicht das ausschlaggebende Kriterium für den Standort ist. Vielmehr geht es hier genau darum, das Image Kreuzbergs zu vereinnahmen, als Ressource in Form von Hippness und Lifestyle. Eine Adresse als Visitenkarte eines Konzerns, um die kreativen Köpfe die sich in diesem Milieu zu Hause fühlen zu ködern. Und nicht zuletzt, sind es die analogen Daten eines Kiezes am Puls der Zeit, die in die digitale Welt eingespeist werden sollen, um diese an anderer Stelle zu verwerten.
Der Sand im Getriebe sein
Die genannten Faktoren und Gesellschaftlichen Prozesse gilt es zu berücksichtigen wenn wir mit einem Kampf gegen ein konkretes Projekt, wie im Falle von Google mehr wollen, als dem geplanten Campus einen Strich durch die Rechnung zu machen. Es zeigt die Verstrickung von Kapitalismus, Aufwertung, Repression und Herrschaft im digitalen Zeitalter und verdeutlicht, dass dieser Campus nur als ein Fragment des technologischen Angriffs verstanden werden kann. All diese Entwicklungen sind Teil einer Welt, der wir nicht angehören wollen. Einer Welt der Verwertung und des Profits, wo selbst die letzten Freuden die uns bleiben, zur Ware werden. Es ist die kapitalistische Logik, die diese Welt durchdringt, den sozialen Raum besitzt und alles Lebendige überlagert. Dementsprechend ist unser Drang nach Autonomie und Freiheit und die Ausarbeitung einer anderen Idee des Lebens unmittelbar gekoppelt an das Bewusstsein darüber, diese Welt der Waren zerstören zu müssen. Dabei kann es nicht nur darum gehen der Schlange den Kopf abzuhacken oder der „Datenkrake“ die Tentakeln zu kürzen, denn dies ändert an den Grundbedingungen erst mal nichts. Vielmehr müssen wir den Kapitalismus als Gefüge der Macht, basierend auf sozialen Beziehungen und der Zirkulation von Waren und Informationen verstehen. Um selbst dann, wenn der Gegner wie im Falle von Google, vermeintlich klar ist, auch auf das zu zielen, was den ganzen Laden am laufen hält. Das heißt nicht, dass der Google-Campus selbst oder die Verantwortlichen dafür keine geeigneten Adressaten unserer Wut wären, ganz im Gegenteil, halten wir das für einen notwendigen Wirkungsbereich, aber wir sollten nicht dabei stehen bleiben.
Mit dieser Erkenntnis, wollen wir den Kampf gegen den Google-Campus führen. Der Kiez, die Nachbarschaft, als Basis zum Zusammenkommen, für diejenigen, die sich diesen Entwicklungen nicht unterwerfen wollen. Als Ausgangspunkt für einen Kampf durch die Betroffenheit der Beteiligten, anhand der drohenden Verdrängung. Was angesichts der oben beschriebenen Entwicklungen und dem Wissen über die Abwesenheit eines gemeinsamen sozialen Raumes und dem Fehlen von geteilter Erfahrung, als sinnvoll erscheint. Es geht darum Orte zu schaffen um sich auf Augenhöhe zu treffen und gemeinsame Räume der direkten Kommunikation ohne die Vermittlung durch Politik und Medien zu eröffnen, jenseits von Herrschaft und politischen Identitäten. Was aber nicht bedeutet, dass die eigene Betroffenheit sich hier nur anhand der Wohnraumproblematik finden lässt und an diesen Ort gebunden sein muss. Deshalb sehen wir eine Aufgabe auch darin ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Gentrifizierung, auch wenn wir hier möglicherweise darüber in Verbindung kommen, nur ein Teil des Problems darstellt. Der technologische Angriff aber betrifft uns alle, und zwar ganz konkret. Und genau darin sehen wir das Potenzial dieses Kampfes.
Das was hier gegen Google am Entstehen ist, können wir nutzen, um uns mit anderen, die sich gegen die digitalisierte Welt zu wehren beginnen, auszutauschen und Affinitäten zu finden. Wir schlagen vor, den Kampf auf andere Akteure und Bereiche auszudehnen, dabei die Logistik und Infrastruktur mitzudenken und die Waren- und Datenströme als Teil der Auseinandersetzung zubegreifen. Ein Kurzschluss oder der Blackout als Möglichkeit sich in der Enge des Bestehenden Luft zum Atmen zu verschaffen. Ein praktisches Beispiel dazu lieferte der Versuch einer Blockade des Amazon-Verteilzentrums in Berlin zum Black-Friday letzten Jahres. Mit dem Ziel, die Auslieferung der Pakete zu unterbrechen gab es eine Blockade vor Ort, aber auch handfeste Unterstützung von einigen die mit direkten Aktionen am Vorabend mehrere Amazon-Fahrzeuge fahruntauglich gemacht hatten. Gleichzeitig wurde an verschiedenen Standorten von Amazon gestreikt. Auch wenn die Resonanz relativ gering war und es an Kreativität und Eigeninitiative, die den vorgegebenen Rahmen verlassen, weitestgehend gefehlt hat, lässt sich diese Idee bestimmt weiter denken. Ebenso in dem Bereich der On-Demand-Ökonomie kommt es zunehmend zu Arbeitskämpfen der „SklavInnen“, wie die Streiks der KurierfahrerInnen von Deliveroo und Foodora zeigen. Aber auch die zum Teil militanten Kämpfe von TaxifahrerInnen gegen Uber, die sich rund um den Globus erstreckten, oder die Besetzung von Ferienwohnungen in Berlin, die über AirBnB vermittelt wurden, haben ihre Wurzeln in der Welt der Start-Ups und den neuen Technologien. Wir wissen und lesen von vielen anderen Städten in Deutschland und darüber hinaus, die sich in einem ähnlichen Konfliktfeld bewegen. Mit Freude verfolgen wir, sowohl hier wie weltweit, die Angriffe auf Funkmasten und Stromaggregate, auf Kabelschächte und Firmenzentralen die den kapitalistischen Betrieb am laufen halten. Google und Facebook in San Francisco mussten kürzlich ihre Shuttlebusse, welche die MitarbeiterInnen ins Silicon Valley fahren umleiten, weil es immer wieder zu Attacken auf diese kommt. All diese Beispiele zeigen, dass es an vielen Orten ein Bedürfnis gibt sich dem technologischen Wahnsinn in den Weg zu stellen. Aber auch, dass es neben Demonstrationen und Kundgebungen, Flyer verteilen und Plakate kleben noch eine Fülle an anderen Handlungsoptionen gibt um direkt und unvermittelt einzugreifen.
Der geplante Google-Campus in Kreuzberg kann dabei, für die unterschiedlichen Initiativen in Berlin als Kristallisationspunkt dienen, weil an diesem Beispiel alle Facetten der digitalen Welt, und die Verschmelzung mit den anderen Bereichen des Lebens so deutlich zum Ausdruck kommem. Wenn wir uns aber darauf beschränken, laufen wir Gefahr, dass dieser Kampf durch die Intervention von der Politik oder Google selbst zu einem Ende kommt, oder nach der Eröffnung des Campus sich der Widerstand nach einer Weile verläuft. Deswegen wollen wir keine klassische Kampagne, die sich an dem einen Objekt fest klammert, genauso finden wir Parolen, die Google auffordert nach Adlershof zu gehen, verkürzt und wenig zielführend. Vielmehr wollen wir mit diesem Kampf ein Bewusstsein über die Herrschaftsstrukturen in ihrer Gesamtheit vertiefen. Wir wollen Ideen und Wissen teilen und mit Möglichkeiten und Methoden eines selbstbestimmten Kampfes experimentieren. Wir wollen diesen Konflikt zuspitzen, mit allen Mitteln die uns zu Verfügung stehen und anhand dessen eine weitergehende Perspektive entwickeln. Wir wollen die Herrschaft der Technologie über unser Leben zurückweisen und dabei eine Revolte gegen das Bestehende und die Erschaffung der neuen, digitalen Welt, entfesseln. Lasst uns zusammenkommen und mit Kreativität und Intelligenz, direkten Aktionen, Wut und Leidenschaft diese Welt bekämpfen, immer mit dem Blick auf etwas besseres als das Jetzige.
Start-up Revolt
[1] Einladung zum Anti-Google-Cafe; https://kalabalik.blackblogs.org/anti-google-cafe/ weiterführend „Wie gegen den Google-Campus kämpfen?“ Shitstorm #2 Jan, 2018
Broschüre als PDF gibt es hier: https://anarchistischebibliothek.org/library/einige-anarchistinnen-ein-k...
Ergänzungen
Die Verkümmerung des Denkens- Eine Veranstaltung im Rahmen des t
english below
Die Verkümmerung des Denkens- Eine Veranstaltung im Rahmen des
technologie- und herrschaftskritischen Anti-Google-Kampfes.
Die (digitale) Restrukturierung der Herrschaft steht unserem Verlangen
nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben entgegen. Wir wollen uns
deshalb in dieser Veranstaltung mit den individuellen, sozialen und
emotionalen Auswirkungen durch den alltäglichen Gebrauch der neuen
digitalen Technologien (z.b. Smartphones, Apps etc.) befassen. Wie
können spieleähnliche Methoden (Gamification) vorgaukeln den Alltag zu
erleichtern und gleichzeitig das Selbstdenken, handwerklichen und
soziale Fähigkeiten verkümmern lassen? Wie wichtig sind die reellen
nicht-virtuellen Erfahrungen für unser Leben, für unsere Gefühle und
unserem Erleben? Wie entfremdet sind persönliche Gefühle, Träume und
Erlebnisse, die im digitalen Alltag minutiös dargestellt werden - oder
wie funktioniert emotionale Pornographie? Als Gegenkonzept wird eine
Hackerdidaktik vorgestellt. Dieses Konzept dient der digitalen
Selbstverteidigung. Dabei soll es nicht um eine Anwendung der Technik
gehen, sondern vielmehr um das Herausstellen unserer persönlichen
Verhaltensweisen. Unser Ansatz beginnt mit unser eigenen Verletzlichkeit
und den damit verbundenen Emotionen. Wie also begegnen wir der
Verkümmerung unseres Denkens, unser Gefühle und unseres selbstbestimmten
Lebens?
Am Montag 16. April um 19:30 Uhr im aquarium (Südblock) Skalitzer Str. 6
The stunting of thought
An event within the framework of the anti-Google fight, which is
critical of technology and of domination.
The (digital) restructuring of domination precludes our desire for
freedom and a self-determined life. That's why we want to focus on the
individual, social and emotional impact of everyday use of new digital
technologies (eg smartphones, apps, etc.). How can games-like methods
(gamification) fool you into making everyday life easier and at the same
time let self-thinking, craft and social skills stunt? How important are
the real non-virtual experiences for our lives, for our feelings and our
experiences? How alienated are personal feelings, dreams and experiences
that are minutely portrayed in digital life - or how does emotional
pornography work? As a counter concept a hackerdidactic is presented.
This concept is for digital self-defense. It should not be about an
application of technology, but rather about exposing our personal
behaviors. Our approach begins with our own vulnerability and the
emotions involved. So how do we encounter the degeneration of our
thinking, our feelings and our self-determined life?
this event will beheld in english with german translation.
at 16th of april in the aquarium (Südblock) Skalitzer Str. 6
--------------------------------------------------------------------
Workshop – im Zuge des herrschafts- und technologiekritischen Kampfes
gegen den Google Campus in Kreuzberg
Die (digitale) Restrukturierung der Herrschaft steht unserem Verlangen
nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben entgegen. Wir wollen uns
deshalb in diesem Workshop mit den individuellen, sozialen und
emotionalen Auswirkungen durch den alltäglichen Gebrauch der neuen
digitalen Technologien befassen.
Wer mag nicht spielen? Spielen macht Spaß, spielen gibt uns eine Auszeit
vom Alltag. Jedoch ist unser Alltag ein Spiel? Warum brauchen wir die
Auszeit, warum in der digitalen und nicht in der reellen Welt?
In dem Workshop sollen Skills erworben werden, um wiederholende,
abhängig machende, spieleähnliche Schemata im digitalen Alltag
wiederzuerkennen. Anhand von praktischen Beispielen werden wir vor allem
versteckte spieleähnliche Angebote in den sozialen Netzwerken von
Facebook, Google und anderen Apps und deren angebliche Erleichterungen
analysieren.
Dabei werden wir kurz in die Geschichte der Videospiele einführen und
etwas ausführlicher auf das menschliche Gehirn oder den Mensch als
kognitives Wesen eingehen: wie funktioniert unser Gehirn beim Lernen,
wie einfach funktioniert das operante Konditionieren (Wiederholung und
verstärkendes Verhalten durch Versuch und Irrtum), wie sehr generieren
spieleähnliche Anwendungen kurze Freude und damit Abhängigkeiten und
somit begrenzte Freude und damit verbundene Schmerzen?
Ein Ziel ist es mit Möglichkeiten zu experimentieren, die immer
umgreifendere digitale Herrschaft klarer zu erkennen, um sich besser zu
entziehen oder sie angreifen zu können.
Bringt euer Spielzeug mit!
Am Sonntag 15.April 11:30 Uhr in der Kalabal!k, Reichenberger Str. 63
Workshop - in the course of the power-critical and technology-critical
fight against the Google campus in Kreuzberg
The (digital) restructuring of domination precludes our desire for
freedom and a self-determined life. Therefore, in this workshop, we want
to look at the individual, social and emotional implications of the
everyday use of new digital technologies.
Who does not like to play? Playing is fun, playing gives us a break from
everyday life. But is our everyday life a game? Why do we need time off,
why in the digital and not in the real world?
Skills will be acquired in the workshop to recognize repetitive,
addictive, game-like schemes in everyday digital life. Using practical
examples, we will above all analyze hidden game-like offers in the
social networks of Facebook, Google and other apps and their alleged relief.
We'll briefly introduce you to the history of video games and go into
more detail about the human brain or the human being as a cognitive
entity: how does our brain function in learning, how does operant
conditioning (repetition and reinforcing behavior through trial and
error) work? how games generate short joy and therfore dependencies and
thus limited joy and pain associated with it?
One goal is to experiment with ways to more clearly recognize the
increasingly encompassing digital domain in order to better escape or
attack them.
This workshop will be hold in english and translated into german!
Bring your toys or games!
sunday 15th of april half past 11 am in kalabal!k, reichenbergerstr. 63
Die Verkümmerung des Denkens- Eine Veranstaltung im Rahmen des t
english below
Die Verkümmerung des Denkens- Eine Veranstaltung im Rahmen des
technologie- und herrschaftskritischen Anti-Google-Kampfes.
Die (digitale) Restrukturierung der Herrschaft steht unserem Verlangen
nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben entgegen. Wir wollen uns
deshalb in dieser Veranstaltung mit den individuellen, sozialen und
emotionalen Auswirkungen durch den alltäglichen Gebrauch der neuen
digitalen Technologien (z.b. Smartphones, Apps etc.) befassen. Wie
können spieleähnliche Methoden (Gamification) vorgaukeln den Alltag zu
erleichtern und gleichzeitig das Selbstdenken, handwerklichen und
soziale Fähigkeiten verkümmern lassen? Wie wichtig sind die reellen
nicht-virtuellen Erfahrungen für unser Leben, für unsere Gefühle und
unserem Erleben? Wie entfremdet sind persönliche Gefühle, Träume und
Erlebnisse, die im digitalen Alltag minutiös dargestellt werden - oder
wie funktioniert emotionale Pornographie? Als Gegenkonzept wird eine
Hackerdidaktik vorgestellt. Dieses Konzept dient der digitalen
Selbstverteidigung. Dabei soll es nicht um eine Anwendung der Technik
gehen, sondern vielmehr um das Herausstellen unserer persönlichen
Verhaltensweisen. Unser Ansatz beginnt mit unser eigenen Verletzlichkeit
und den damit verbundenen Emotionen. Wie also begegnen wir der
Verkümmerung unseres Denkens, unser Gefühle und unseres selbstbestimmten
Lebens?
Am Montag 16. April um 19:30 Uhr im aquarium (Südblock) Skalitzer Str. 6
The stunting of thought
An event within the framework of the anti-Google fight, which is
critical of technology and of domination.
The (digital) restructuring of domination precludes our desire for
freedom and a self-determined life. That's why we want to focus on the
individual, social and emotional impact of everyday use of new digital
technologies (eg smartphones, apps, etc.). How can games-like methods
(gamification) fool you into making everyday life easier and at the same
time let self-thinking, craft and social skills stunt? How important are
the real non-virtual experiences for our lives, for our feelings and our
experiences? How alienated are personal feelings, dreams and experiences
that are minutely portrayed in digital life - or how does emotional
pornography work? As a counter concept a hackerdidactic is presented.
This concept is for digital self-defense. It should not be about an
application of technology, but rather about exposing our personal
behaviors. Our approach begins with our own vulnerability and the
emotions involved. So how do we encounter the degeneration of our
thinking, our feelings and our self-determined life?
this event will beheld in english with german translation.
at 16th of april in the aquarium (Südblock) Skalitzer Str. 6
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Workshop – im Zuge des herrschafts- und technologiekritischen Kampfes
gegen den Google Campus in Kreuzberg
Die (digitale) Restrukturierung der Herrschaft steht unserem Verlangen
nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben entgegen. Wir wollen uns
deshalb in diesem Workshop mit den individuellen, sozialen und
emotionalen Auswirkungen durch den alltäglichen Gebrauch der neuen
digitalen Technologien befassen.
Wer mag nicht spielen? Spielen macht Spaß, spielen gibt uns eine Auszeit
vom Alltag. Jedoch ist unser Alltag ein Spiel? Warum brauchen wir die
Auszeit, warum in der digitalen und nicht in der reellen Welt?
In dem Workshop sollen Skills erworben werden, um wiederholende,
abhängig machende, spieleähnliche Schemata im digitalen Alltag
wiederzuerkennen. Anhand von praktischen Beispielen werden wir vor allem
versteckte spieleähnliche Angebote in den sozialen Netzwerken von
Facebook, Google und anderen Apps und deren angebliche Erleichterungen
analysieren.
Dabei werden wir kurz in die Geschichte der Videospiele einführen und
etwas ausführlicher auf das menschliche Gehirn oder den Mensch als
kognitives Wesen eingehen: wie funktioniert unser Gehirn beim Lernen,
wie einfach funktioniert das operante Konditionieren (Wiederholung und
verstärkendes Verhalten durch Versuch und Irrtum), wie sehr generieren
spieleähnliche Anwendungen kurze Freude und damit Abhängigkeiten und
somit begrenzte Freude und damit verbundene Schmerzen?
Ein Ziel ist es mit Möglichkeiten zu experimentieren, die immer
umgreifendere digitale Herrschaft klarer zu erkennen, um sich besser zu
entziehen oder sie angreifen zu können.
Bringt euer Spielzeug mit!
Am Sonntag 15.April 11:30 Uhr in der Kalabal!k, Reichenberger Str. 63
Workshop - in the course of the power-critical and technology-critical
fight against the Google campus in Kreuzberg
The (digital) restructuring of domination precludes our desire for
freedom and a self-determined life. Therefore, in this workshop, we want
to look at the individual, social and emotional implications of the
everyday use of new digital technologies.
Who does not like to play? Playing is fun, playing gives us a break from
everyday life. But is our everyday life a game? Why do we need time off,
why in the digital and not in the real world?
Skills will be acquired in the workshop to recognize repetitive,
addictive, game-like schemes in everyday digital life. Using practical
examples, we will above all analyze hidden game-like offers in the
social networks of Facebook, Google and other apps and their alleged relief.
We'll briefly introduce you to the history of video games and go into
more detail about the human brain or the human being as a cognitive
entity: how does our brain function in learning, how does operant
conditioning (repetition and reinforcing behavior through trial and
error) work? how games generate short joy and therfore dependencies and
thus limited joy and pain associated with it?
One goal is to experiment with ways to more clearly recognize the
increasingly encompassing digital domain in order to better escape or
attack them.
This workshop will be hold in english and translated into german!
Bring your toys or games!
sunday 15th of april half past 11 am in kalabal!k, reichenbergerstr. 63