DIE FORDERUNGEN DER KOLLEKTIVEN SCHWARZEN STIMMEN VOM FREIEN CAPITOL HILL AN DIE REGIERUNG VON SEATTLE

In Reaktion auf den Mord an George Floyd haben die Bewohner_innen von Capitol Hill die autonome Selbstverwaltung ihrer Nachbarschaft erklärt. Die Polizei von Seattle hat sich am 8. Juni aus dem Bereich der Capitol Hill Autonomous Zone zurückgezogen. Der folgende Text ist die Übersetzung eines kleinen Ausschnitts aus diesem Kampf (gefunden auf medium.com via twitter)

Gewidmet den Menschen, die Capitol Hill befreit haben, ist diese Liste von Forderungen weder kurz noch simpel. Dies ist keine einfache Aufforderung, die Brutalität der Polizei zu beenden. Wir fordern, dass der Stadtrat und der Bürgermeister, wer auch immer das sein mag, diese politischen Änderungen umsetzen, um den kulturellen und historischen Fortschritt der Stadt Seattle zu fördern und die Kämpfe ihrer Bevölkerung zu erleichtern. Dieses Dokument soll die schwarzen Stimmen darstellen, die nach 9 Tagen friedlichen Protests unter ständigen nächtlichen Angriffen des Seattle Police Departments als Sieger an der Spitze von 12th & Pine [Straßenname, A. d.Ü.] sprachen. Dies sind Worte aus dieser Nacht, dem 8. Juni 2020.

„Willkommen in Free Capitol Hill“ – Veröffentlicht am 8. Juni 2020

Zur Vereinfachung der Betrachtung haben wir diese Forderungen in vier Kategorien unterteilt: Justiz, Gesundheits- und Sozialwesen, Wirtschaft und Bildung.
Angesichts des historischen Moments beginnen wir mit unseren Forderungen in Bezug auf das Justizsystem.

1. Das Seattle Police Department und das angeschlossene Gerichtssystem sind nicht mehr zu reformieren. Wir fordern keine Reform, wir fordern die Abschaffung. Wir fordern, dass Stadtrat und Bürgermeister dem Seattle Police Department und dem angeschlossenen Justiz-Apparat die Finanzierung entziehen und beide Institutionen abschaffen. Dies bedeutet 100% der Finanzierung, einschließlich der bestehenden Renten für die Polizei von Seattle. Bei gleicher Priorität fordern wir auch, dass die Stadt die Arbeit von ICE in der Stadt Seattle untersagt [ICE ist eine Bundesstaatliche Agentur die in den gesammten Vereinigten Staaten u.a. gegen sogenannte „Illegale Migration“ vorgeht, A.d.Ü.].

2. In der Übergangszeit zwischen jetzt und der Abwicklung des Seattle Police Department fordern wir, dass die Anwendung von Waffengewalt vollständig verboten wird. Keine Waffen, keine Schlagstöcke, keine Schutzschilde, keine chemischen Waffen, insbesondere nicht gegen diejenigen, die ihr verfassungsmäßiges Recht als Amerikaner ausüben, um zu protestieren.

3. Wir fordern ein Ende der Schul-Gefängnis-Pipeline und die Abschaffung der Jugendgefängnisse. Holen Sie Kinder aus dem Gefängnis, holen Sie Polizisten aus den Schulen. Wir fordern auch, dass das neue Jugendgefängnis, das derzeit in Seattle gebaut wird, für etwas anderes genutzt wird.

4. Wir fordern, dass weder die Stadtregierung noch die Landesregierung, sondern dass die Bundesregierung eine umfassende Untersuchung früherer und aktueller Fälle von Polizeibrutalität in Seattle und Washington einleitet[Washington State, A.d.Ü.]. Außer dem fordern wir die Wiedereröffnung aller dem Office of Police Accountability gemeldeten und abgeschlossenen Fälle [Das Office of Police Accountability ist eine unabhängige Stelle innerhalb der Polizei von Seattle, deren Aufgabe es ist Fehlverhalten der Polizei zu untersuchen]. Insbesondere fordern wir die Wiedereröffnung von für Seattle und Washington wichtigen Fällen, in denen Gerechtigkeit nicht erreicht worden ist, nämlich die Fälle von Iosia Faletogo, Damarius Butts, Jesaja Obet, Tommy Le, Shaun Fuhr und Charleena Lyles.

5. Wir fordern Wiedergutmachung für Opfer von Polizeibrutalität in einer noch festzulegenden Form.

6. Wir fordern die Stadt Seattle auf, die Namen von Beamten, die an Polizeiübergriffen beteiligt sind, öffentlich bekannt zu machen. Anonymität sollte im öffentlichen Dienst nicht einmal ein Privileg sein.

7. Wir fordern eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen alle People in Color, die derzeit wegen Gewaltverbrechen zu einer Haftstrafe verurteilt werden, und zwar durch eine [Gerichts-]Jury aus Gleichaltrigen in ihrer Gemeinde.

8. Wir fordern die Entkriminalisierung der Protestakte und eine Amnestie für Protestierende im Allgemeinen. Insbesondere aber für diejenigen, die an der sogenannten „George Floyd-Rebellion“ gegen die Terrorzelle beteiligt sind, die zuvor dieses Territorium besetzt hielt und die unter dem Namen Seattle Police Department agiert. Diese Forderung schließt die sofortige Freilassung aller Demonstranten ein, die derzeit nach den Verhaftungen an der Ecke 11th und Pine und am Sonntagabend und am frühen Samstagmorgen, dem 7. und 8. Juni, im Gefängnis festgehalten werden, sowie aller anderen Demonstranten, die in den letzten zwei Wochen des Aufstands verhaftet wurden, der Name Evan Hreha fällt uns ein, der die Polizei von Seattle gefilmt hat, während sie ein junges Mädchen gepffeffert haben und dafür jetzt im Gefängnis sitzt.

9. Wir fordern die Stadt Seattle und die Landesregierung auf, jeden Gefangenen, der derzeit wegen einer Straftat im Zusammenhang mit Marihuana im Gefängnis ist, freizulassen und die damit verbundene Verurteilung aufzuheben.

10. Wir fordern die Stadt Seattle und die Regierung des Bundesstaates auf, alle derzeit inhaftierten Gefangenen freizulassen, die nur aus dem Grund inhaftiert sind, weil sie Widerstand gegen Polizeiliche Maßnahmen geleistet haben.

11. Wir fordern, dass den derzeit inhaftierten Gefangenen das volle und uneingeschränkte Wahlrecht eingeräumt wird und dass der Staat Washington Gesetze verabschiedet, die explizit gegen das Bundesgesetz verstoßen welches verhindert, dass Straftäter wählen können.

12. Wir fordern ein Ende der Immunität der Polizeibeamten in der Zwischenzeit bis zur Auflösung des Seatlle Police Department und des bestehenden Justizsystems.

13. Wir fordern die Abschaffung der Haft im Allgemeinen, insbesondere aber die Abschaffung sowohl von Jugendgefängnissen als auch von privaten, gewinnorientierten Gefängnissen.

14. Wir fordern als Ersatz für das derzeitige Strafrechtssystem die Schaffung von Programmen zur Wiederherstellung / Transformation der Verantwortlichkeit [restorative/transformative accountability programs – https://incite-national.org/community-accountability/] als Ersatz für die Inhaftierung.

15. Wir fordern, dass den Menschen Autonomie eingeräumt wird, um lokale Systeme zur Verbrechensbekämpfung zu schaffen.

16. Wir fordern, dass die Polizeibehörde von Seattle bis zu ihrer baldigen Abschaffung in naher Zukunft ihr „Fundbüro“ leert und Eigentum zurückgibt, das den Bewohnern der Stadt gehört.

17. Wir fordern Gerechtigkeit für Wir fordern Gerechtigkeit für diejenigen, die vom Seattle Police Department oder den Gefängniswärtern im Bundesstaat Washington sexuell belästigt oder missbraucht wurden.

18. Wir fordern, dass bis zur Abschaffung des SPD jeder einzelne SPD-Beamte seine Bodycam einschaltet und dass das Bodycam-Video aller Polizisten in Seattle eine leicht zugängliche öffentliche Aufzeichnung wird.

19. Wir fordern, dass die zuvor für die Polizei von Seattle verwendeten Mittel umgeleitet werden in: A) Sozialisierte Gesundheit und Medizin für die Stadt Seattle. B) Freien öffentlichen Wohnraum, denn Wohnen ist ein Recht, kein Privileg. C) Öffentliche Bildung, um die durchschnittliche Klassengröße in städtischen Schulen zu verringern und das Lehrergehalt zu erhöhen. D) Einbürgerungsdienste für Einwanderer in die Vereinigten Staaten, die hier ohne Papiere leben. (Wir fordern, dass sie als „undokumentiert“ bezeichnet werden, da keine Person illegal ist.) E) Allgemeine Entwicklung der Gemeinschaft, Parks usw.

Only local images are allowed.

Wir haben auch wirtschaftliche Forderungen, die angegangen werden müssen.

1. Wir fordern die De-Gentrifizierung von Seattle, beginnend mit der Mietkontrolle.

2. Wir fordern die Wiederherstellung der stättischen Finanzierung für Kunst und Kultur, um die einst reiche lokale kulturelle Identität von Seattle wiederherzustellen.

3. Wir fordern ein freies College für die Bevölkerung des Bundesstaates Washington aufgrund der überwältigenden Auswirkung der Bildung auf den wirtschaftlichen Erfolg und den damit in Zusammenhang stehenden überwältigenden Auswirkungen der Armut auf People of Color, als eine Form der Wiedergutmachung für die Behandlung der Schwarzen in diesem Staat und Land.

4. Wir fordern, dass der Polizei von Seattle bis zur Abschaffung des Police Department verboten wird, „Obdachlosen-Reinigungen“ durchzuführen, die unsere obdachlosen Nachbarn verdrängen und stören, und fordern gleichberechtigt ein Ende aller Räumungen.

5. Wir fordern einen dezentralen Wahlprozess, um den Bürgern von Seattle eine bessere Möglichkeit zu geben, Kandidaten für ein öffentliches Amt auszuwählen, so dass wir bei der Abstimmung nicht gezwungen sind, zwischen gleichermaßen unerwünschten Optionen zu wählen. Es gibt mehrere Systeme und Richtlinien, die es für die Arbeiterklasse bestenfalls unpraktisch machen, sich für ein öffentliches Amt zu bewerben. Alle diese Hindernisse müssen beseitigt werden, beginnend mit den Gebühren, die mit der Aufstellung zur Wahl zu einem öffentlichen Amt verbunden sind.

Im Zusammenhang mit unseren ökonomischen Forderungen haben wir auch Forderungen im Hinblick auf das, was wir formell als „Gesundheit und menschliche Dienste“ bezeichnen würden.

1. Wir fordern, dass die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in Seattle schwarze Ärzte und Krankenschwestern beschäftigen, um die Versorgung schwarzer Patienten zu unterstützen.

2. Wir fordern die Menschen in Seattle auf, Unternehmen in Besitz von Schwarzen zu suchen und stolz zu unterstützen. Unser Geld ist unsere Kraft und Nachhaltigkeit.

3. Wir fordern, dass die Stadt ein völlig separates System mit Experten für psychische Gesundheit schafft, um auf Notrufe im Zusammenhang mit psychischen Gesundheitskrisen zu reagieren, und wir bestehen darauf, dass alle an einem solchen Programm Beteiligten einer gründlichen und strengen Schulung zur Deeskalation von Konflikten unterzogen werden.

*Lasst uns abschließend auf unsere Forderungen bezüglich des Bildungssystems in der Stadt Seattle und im Bundesstaat Washington eingehen.“

1. Wir fordern, dass die Geschichte der Schwarzen und der amerikanischen Ureinwohner im Lehrplan des Staates Washington einen wesentlich größeren Stellenwert erhält.

2. Wir fordern, dass eine gründliche Anti-Rassismus-Ausbildung für alle Berufe im Bildungssystem sowie in der Ärzteschaft und in den Massenmedien gesetzlich vorgeschrieben wird.

3. Wir fordern die Stadt Seattle und den Bundesstaat Washington auf, alle Denkmäler zu entfernen, die historischen Persönlichkeiten der Konföderation gewidmet sind. Die verräterischen Versuche der Konföderierten, ein Amerika mit Sklaverei als dauerhaftem Bestandteil aufzubauen, ist ein Affront gegen die Menschheit.

Transkribiert von @irie_kenya und @AustinCHowe. Besonderer Dank geht an Magik für den Start und die Erleichterung der Diskussion zur Erstellung dieser Liste, an Omari Salisbury für die Idee, die Liste in Kategorien zu unterteilen, und an Kshama Sawant, der der einzige Beamte in Seattle war, der mit den Leuten in Free Capitol Hill diskutiert hat, in der Nacht, in der es befreit wurde.

Obwohl wir Free Capitol Hill im Namen der Menschen von Seattle befreit haben, dürfen wir nicht vergessen, dass wir auf dem Land stehen, das bereits einmal den Duwamish People, den ersten Menschen in Seattle, gestohlen wurde und deren Bruder John T. Williams von den Nuu -chah-nulth Stamm im Norden wurde vor 10 Jahren vom Seattle Police Department ermordet wurden.

Black Lives Matter – Den ganzen Tag, jeden Tag.

Übersetzung S.P., Bremen

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Ergänzungen

Nachtrag (Bild)

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Gruselig, was da für Forderungen drin stehen. Marx gelesen hat da wohl niemand, denn dann würden diese Leute nicht "schwarze Unternehmen unterstützen" fordern und auch generell den anderen reformistischen Mist. Aber das passiert halt wenn man frühkindlich-naive 18-Jährige Soziologiestudent*innen die auch voll "decolonialised" sind plötzlich an die Macht hievt.

An den Kommentar gruselig.

Komm doch erstmal an den Punkt, an dem die Leute vom freien Capitol Hill sind. Weißt Du wie die Forderungen entstanden sind? Wahrscheinlich nicht. Ich weiß es nicht. Erstmal lese ich das interessiert und schau mir das an. Und vor allem nehm ich nicht Marx und messe daran ob etwas richtig oder falsch ist. Das ist arrogant und rechthaberisch. Vor allem wenn die Leute die Kraft haben, die Auflösung der örtlichen Polizei zu fordern. Das machen die aus einer Position der Stärke.

Das Problem der Kommunisten ist vielmehr das sie eine kommunistische Polizei durchaus befürworten würden. Hier wird ein völlig anderer Umgang vorgeschlagen, reformistisch oder nicht - die Abschaffung der Polizei ist eine revolutionäre Forderung.

Dein Beitrag ist entsolidarisierend. Und das soll er wohl auch sein. Ich hatte überlegt ihn als Verstoß gegen die Moderationsbedingungen zu melden. Aber es ist schöner ihn zu kommentieren: Auch aus Entsoldiarissierendem Beiträgen können wir lernen.