[Bielefeld] Wo steht die Black Lives Matter-Bewegung aktuell?

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Bericht & Analyse: Demo in Bielefeld vom Sonntag, 7. Juni 2020

Auch in Bielefeld wird demonstriert: Anlässlich einer rassistisch motivierten Festnahme fanden sich im ostwestfälischen Bielefeld am Sonntag etwa 1.000 Menschen zusammen, um gegen Polizeigewalt und Schikane zu demonstrieren. Wie verlief die Demonstration und was lässt sich aus ihr über den aktuellen Stand der BLM-Bewegung in Deutschland lernen? Ein Vorschlag für weiteres Vorgehen am Ende.

1. Anlass der Demo

Auf dem Bielefelder Kesselbrink hatte am Samstag Abend eine Festnahme für Aufregung gesorgt: Ein 23-jähriger hatte sich mit seinen Freunden auf dem großen Platz am Rande der Innenstadt getroffen, der für seinen großen Skatepark bekannt ist. Bei der Polizei gilt der Platz allerdings auch als "Hotspot der Drogenszene". Der junge Mann war von einer Streife in eine Kontrolle verwickelt und kurz darauf unter vollem Körpereinsatz festgenommen worden. Ein Video hielt die Szene fest und kursierte zeitweise sogar auf Bild.de. Die Festname bot Anlass für die Spontandemo am Sonntag.

 

2. Beginn der Demo

Gegen 18:00 Uhr hatten sich daher am Sonntag etwa 500 Menschen auf dem Kesselbrink versammelt, um unter dem Motto von Black Lives Matter gegen Polizeigewalt und Schikane zu demonstrieren. Ins Auge sprang das junge Alter der Personen, etwa 95% von ihnen waren unter 30, etwa 10-15% von ihnen BPoC. Ansonsten ließ sich vor allem ein junges, linkes und tendenziell studentisches Publikum ausmachen. Aufgerufen zu der Demo hatten unter anderem lokale Antifagruppen und die Hochschulgruppe „Café Exil“. Eine eigene Orga existiert bisher nicht.

Ein erster Redebeitrag eröffnete schließlich die Demo. Ein Redner der Hochschulgruppe „Café Exil“ nahm darin Stellung zu der Festnahme und ging auf die Bedeutung ein, die der Kesselbrink für die lokale BPoC-Community habe. Der Redner kritisierte die häufigen Polizeikontrollen, die die Ruhe des Ortes immer wieder störten. Allgemeiner machte er auf die Bedeutung weißer Privilegien aufmerksam und illustrierte sie anhand des deutschen Reisepasses. Abschließend forderte er dazu auf, eigene Privilegien und Benachteiligungen anderer stärker zu reflektieren.

 

3. Umzug der Demo

Mit den BPoC an der Spitze setzte sich der Demonstrationszug nun in Bewegung in Richtung Innenstadt. Währenddessen schwoll der Zug bald auf ca. 1.000 Menschen an. Ein zweiter Redebeitrag wurde nun aus dem Demo-Auto heraus gehalten. Der Redner der „Kurdischen Jugend Bielefeld“ griff darin die Tötung George Floyds auf und zog eine Parallele zu den Angriffen, denen Kurden aufgrund ihrer Herkunft in Deutschland und der Türkei ausgesetzt seien. Er verwies dabei auf einen Fall in Herne, bei dem vor wenigen Tage eine kurdische Familie von der Polizei massiv belästigt und angegriffen worden sei.

Eine große Energie entfaltete der Zug, als er durch die schmale Bielefelder Arndtstraße am Eingang der Innenstadt zog, in der sich viele Café und Restaurants befinden. Insbesondere die Spitze aus BPoC skandierte lautstarkt "Black Lives Matter". Passanten und Gäste reagierten mit Verwunderung, manche reckten in spontaner Zustimmung die Faust nach oben. Kurz darauf wurde in einer Seitenstraße vor einem Parkhaus spontan zu tanzen begonnen. Auf dem Rückweg zum Kesselbrink wurde am zentralen Verkehrsknotenpunkt der Bielefelder Innenstadt, dem Jahnplatz, für kurze Zeit niedergekniet.

 

4. Ende der Demo

Zurück am Kesselbrink wurde die Veranstaltung mit einem dritten Redebeitag abgeschlossen. Der Redner war der 23-Jährige, der am Vorabend am Kesselbrink festgenommen und zur Wache gebracht worden war. In seinem kurzen Statement schilderte er den Hergang der Verhaftung, seine Erfahrungen auf dem Polizeirevier und bedankte sich für die Solidarität der Anwesenden. „Es hätte jeden von uns treffen können“ betonte er. Zu „Changes“ von 2Pac wurde erneut getanzt, bis sich die Veranstaltung langsam aufzulösen begann.

 

5. Bewertung

Auffällig an der Bewegung in Bielefeld sind bisher: Das junge Alter, die linke Prägung und die noch lose Organisierung. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn die Demonstrationen womöglich einen Anlass böten, die studentische linke Szene und die BPoC-Community auch nach BLM in verstärkten Austausch zu bringen und zu gemeinsamen Aktivitäten zu animieren. Die Milieus stehen bislang noch weitestgehend unverbunden nebeneinander und scheinen in keine größeren gemeinsamen Netzwerke eingebunden zu sein.

Was also tun? Man könnte sicherlich eine lokale Black Lives Matter-Gruppe ins Leben rufen, allerdings ist unklar, ob es sie auch nach BLM noch geben würde. Vielleicht sollte man sich daher vielleicht zunächst an praktischeren Formen der Organisierung orientieren: Wie wäre es zum Beispiel mit der Organisation eines kleinen, gemeinsamen Festivals? Dies würde zumindest die kraftvollen Tanzeinlagen der Demo in die richtigen Bahnen lenken und die integrierende Kraft einer gemeinsamen Nach-Corona-Party wäre sicher nicht zu unterschätzen. Und vielleicht ist es letztlich gerade das, was wir der Polizei voraus haben: Wir können - gemeinsam feiern.

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