[Le] #TrotzAlledem: Vielfältige Aktionen zum 1. Mai
Trotz der schwierigen Umstände und den Verboten konnte Vieles durchgesetzt werden. Bereits in den letzten Wochen gab es Versuche allen Widrigkeiten zum Trotz politische Kämpfe sichtbar zu machen. Verschiedene Strategien wurden ausprobiert, es gab Austausch und Diskussionen zum Umgang mit Corona und den mit Einschränkungen einhergehenden Problemen für die linke Bewegung. Einige dieser erprobten Aktionsformen haben wir heute in einem größeren Kontext auf der Straße wiedergesehen. Wir versuchen im Folgenden einen vorläufigen Überblick und eine Einschätzung über die Proteste des heutigen Tages zu geben, an denen wir teilgenommen, oder die wir erfahren haben. Vielleicht sind die Proteste im Zusammenhang mit dem 1. Mai zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Textes noch nicht vorüber. Wir hoffen zeitnah eine Ergänzung zu diesem Bericht schreiben zu können.
Der 1. Mai ging in Leipzig sehr früh los. Bereits beim ersten Kaffee am Morgen war die Nachricht zu lesen, dass in der Nacht drei Häuser in Leipzig (kurzzeitig) besetzt wurden. Die Aktion hinter dieser motivierenden Nachricht war der Startschuss für die Kampagne #LeipzigBesetzen. Ziel dieser Kampagne ist die Schaffung selbstverwalteter, nicht-kommerzieller Räume durch Besetzung. Die Auftaktaktion stieß auf viel Resonanz und wir hoffen, dass sich viele Menschen den nachfolgenden Aktionen anschließen werden.
Auch für unsere Kampagne „#TrotzAlledem: Autoritärem Staat trotzen: Solidarität und Freiheit in der Krise“ war der heutige Tag der Startpunkt. Wir wollen den Umständen zum Trotz dazu beitragen in dieser Zeit einen Rahmen zu schaffen gemeinsam, sichtbar und konsequent für unsere Forderungen eintreten zu können. Auch wollen wir auf die Gefahren der tiefgreifenden Einschränkungen derzeit im Kontext eines ohnehin repressiven, kapitalistischen Staates und in Zeiten einer erstarkenden Rechten aufmerksam machen. Wir wollen aufzeigen, dass ohnehin marginalisierte Bevölkerungsgruppen am stärksten von den Maßnahmen betroffen sind und Solidarität organisieren. In diesem Kontext konnten wir bei den heutigen Besetzungen und unter anderem auf unsere Forderungen die Lager zu schließen, die Grenzen zu öffnen und die Häuser denen zur Verfügung zu stellen die sie brauchen, aufmerksam machen.
Wir haben uns mit vielen Anderen an verschiedenen weiteren Versammlungen und Aktionen beteiligt. Wir wissen, dass es unerlässlich für eine linke Bewegung ist auf der Strasse handlungsfähig zu sein. Dies möchten wir gerade in diesen Zeiten weiterhin mit all unseren Mitteln gemeinsam durchsetzen. Wir freuen uns über Beiträge in Textform oder Aktionen zu diesen Themen und unserer Kampagne im Allgemeinen.
Wie zu erwarten, wurde von Seiten der Behörden mit Einschränkungen und Verboten auf viele der geplanten Versammlungen reagiert. Eine geplante Demonstration unter dem Motto “Das System macht krank. Solidarisch für ein gutes Leben für alle #NichtaufunseremRuecken” am Feinkostgelände wurde untersagt - die Aktion in eine Standkundgebung mit maximal 25 Teilnehmer*innen umgewandelt. Diese maximale Anzahl von Teilnehmenden war für alle erlaubten Versammlungen erlassen worden. Trotz Verbot der oben genannten Demonstration zog eine Spontandemonstration mit ca. 500 Menschen von der Südvorstadt bis nach Connewitz. An zwei Kundgebungen am Augustusplatz unter dem Motto #Danke heißt Mehr Lohn, mehr Schutz, mehr Mitbestimmung!” nahmen wenig später ebenfalls mehrere hundert Menschen teil.
Weiterhin kam es an mindestens drei Orten zu dem bereits erprobten Konzept des „politischen Schlangestehens“. Zu dieser Aktionsform versammelten sich Menschen am Bayrischen Bahnhof, an der Sachsenbrücke und am Lene-Voigt-Park. An unterschiedlichen Stellen wurden inhaltliche Forderungen mit Bannerdrops und Kreidebotschaften auf die Straße gebracht.
Die Polizei reagierte mit Personalienfeststellungen im Zusammenhang mit angeblichen Verstößen gegen das Infektionsschutz - und Versammlungsgesetz. Am Volkshaus in der Südvorstadt gab es einen Kessel in dem zeitweilig Menschen unter diesem Vorwand festgehalten wurden. Auch gab es immer wieder präventive Ansagen den Mindestabstand einzuhalten. Wir sind und bewusst, dass Mindestabstände, genauso wie angemessene Schutzausrüstung derzeit eine Voraussetzung für verantwortungsvolle Proteste sind. Das Tragen von Masken und Handschuhen kann darüber hinaus auch sinnvoll zum Schutz gegenüber der Polizei sein, die gerade in Sachsen immer wieder mit einem absurden Verfolgungseifer gegenüber Linken auffällt. Wir wissen aber auch, dass wir bei Versammlungen nur dann Abstand wahren können, wenn die Polizei diese nicht bedrängt, bedroht und die Teilnehmenden nach Möglichkeit mit Verweis auf z.B. das Infektionsschutzgesetz verfolgt.
Der heutige Tag war aus unserer Sicht ein politischer Höhepunkt seit der Einführung der staatlichen Einschränkungen zum 23.03.20. Nach dem Einführen der Kontaktsperre fanden sich viele von uns in einer Art Schockstarre wieder. Viele waren ratlos und unsicher in dieser komplexen Situation. In den darauf folgenden Tagen und Wochen entwickelten sich Diskussionen und es folgten kleinere und größere Aktionen. Heute haben viele Menschen ermöglicht, dass wir nicht nur einzelne kleinere oder größere Aktionen gesehen, sondern durch viele dezentrale Versammlungen und Aktionsformen einen kollektiven Ausdruck geschaffen haben, der eine große Wahrnehmbarkeit erreicht und verschiedene Kämpfe mit Bezug zum 1. Mai vereint.
Sicherlich sind viele Aktionsformen derzeit noch schwierig umzusetzen und es gibt nach wie vor aus einer aktionistischen Sicht viel Unsicherheit und Kontroversen über den richtigen Umgang mit der aktuellen Situation. Angesichts der bisherigen Entwicklung und im Kontext der gegenwärtigen Situation kann der Tag jedoch als Erfolg gewertet werden.
Lasst uns daran in der kommenden Zeit anknüpfen und unsere Handlungsfähigkeit ausweiten!
Bleibt aktiv!
#TrotzAlledem, 01.05.2020
https://trotzalledem2020.noblogs.org/