„Über Ängste, Versagen und dem Spiel mit Leib und Gesundheit“ – Bericht aus dem Knast Bützow
Nachfolgend ein Brief von Andreas Bach, Gefangener aus dem Knast Bützow, vom 15.04.20. Er beschreibt ausführlich die Situation im Knast bezüglich der Corona Pandemie.
Es ist schon ein starkes Stück wenn Propaganda Katy [Anmerkung C4F: Justizministerin M-V] und ihr Pressesprecher Tilo Stolper aus dem Justizministerium M-V lautstark in den Medien verlauten lassen, dass männliche wie auch weibliche Inhaftierte Atemmasken nähen. Dass diese Aussage mit der Wirklichkeit nicht kompatibel ist, erfahren wir Tag für Tag. Weder die Bediensteten noch die Inhaftierten tragen bisher diese so hoch angepriesenen Masken. Bisher wurden diese auch nicht an Inhaftierte ausgegeben. Ein Nachfragen, wo diese denn für den persönlichen Schutz seien, wird mit einem düsteren Lächeln vermittelt, dass wir ‚relativ‘ sicher sind und die drei Frauen, die diese nähen auch was anderes zu tun hätten.“
Der Knast wirbt damit, dass angeblich alle Gefangenen Atemmasken nähen würden. Faktisch nähen im Knast Bützow aber nur drei Frauen. Andreas stellte deswegen einen Antrag (siehe Bild unten)
, in dem er anbot, u.a. beim Nähen der Masken behilflich sein zu können. Der Antrag wurde mit der Begründung, in der Näherei arbeiten nur Frauen, abgelehnt. Wieder einmal zeigt Knast damit ganz offensichtlich sein ausbeuterisches und patriarchales Gesicht, welches der Knast öffentlich versucht zu vertuschen.
„Weder Masken, noch ausreichend Desinfektion stehen bereit. Hinzu kommt, dass eine Lieferung mit Toilettenpapier und weiteren Hygienemitteln Ende März 2020 den Empfänger, die JVA Bützow, nicht erreicht hat. Die erwartete Nachlieferung war auch bis zum 15.04.20 noch nicht vorliegend. (…)
Auch wenn Katy Hoffmeister und ihr Pressesprecher Tilo Stolpe noch nicht verstehen wollen – Corona ist eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit! Wenn jedoch Bedienstete im Rudel zusammenstehen, diese hier ein und aus gehen ohne uns zu schützen, dann ist es eine Frage der Zeit, wann der erste Coronafall die Inhaftierten erreicht [Anmerkung C4F: Personal in Bützow war schon mit Covid-19 infiziert].
Der Inhaftierte habe jedoch immer mehr Angst, denn dass die medizinische Versorgung hinter Gittern nicht die Beste ist, erfahren wir hier Tag für Tag. Doch eines ist Gewiss und dies wurde nun eindeutig vermittelt, sollte der Fall von Covid-19 hier eintreten, werden alle Inhaftierten 24 h am Tag in den Hafträumen bleiben müssen. Ob sich einige Inhaftierte anstecken, steht in der Verantwortung der Anstalt, denn nur Personal kann den Virus einbringen. Es ist auch kein Fall bekannt, dass Bedienstete getestet werden und das Justizministerium einmal in Erwägung gezogen hat, auch unter allen Inhaftierten einen Test durchzuführen (…)“
Nur sogenannte „Werksbedienstete“ gehen, ohne jeglichen Schutz, in den Knast ein und aus. Dass das Virus von ihnen also eingeschleppt wird, ist mehr als wahrscheinlich. Gleichzeitig erreichte uns am 31.03.20 die Info, dass Gefangene, welche vom Ausgang zurück kommen und auch welche, die neu einsitzen, sich 14 Tage in Quarantäne begeben müssen.
„Das man jedoch das D-Haus zum Quarantäne Haus auslobte, kann schlimmer nicht sein. Dieses Haus ist derart veraltet, dass es bereits den hygienischen Standards in der Corona Krise nicht standhalten kann. Die Hautraumgröße beträgt gerade mal 5,6 qm. Die Toilette steht ohne Entlüftung mitten im Raum, die Abtrennung zur Zelle fehlt gänzlich. Das Fenster hat gerade einmal 0,9 qm und die hygienischen Standards sind unter aller Sau. Zumal in diesem alten Haus nur Kaltwasserleitungen aus den Hafträumen sind. Und mit solchen furchtbaren Bedingungen soll eine Quarantäne stattfinden? Wenn die Hygiene schon unzureichend ist, wie sollen dich dort die Inhaftierten in den viel zu kleinen und veralteten Hafträumen 23h am Tag bewegen? (…) Die Rechtsprechung habe in zahlreichen Fällen bereits wegen dieser Unterbringung Entschädigungszahlungen auferlegt und diese waren nicht unerheblich. (…) Wenn sich die Inhaftierten jedoch in einem solchen Bruchbudenhaus in Quarantäne begeben sollen, stellt dies eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit dar. Zumindestens sei die Bruchbude auch nicht mehr als Hafthaus für die Frauen zu verwenden, die sich bereits über die Zustände dort mehr als beklagt haben.“
Hinzu kommt, dass „die komplette Station G2 mit Bettwanzen verseucht ist“. Dadurch sind 10 Zellen dicht, wodurch noch einmal weniger Platz für Gefangene zur Verfügung steht. Weil das Frauenhaus zum Qarantäne-Haus umfunktioniert wurde (für neue Gefangene und nach dem Ausgang), befinden sich die Frauen jetzt auf einer Station vom Männer Haus. Dass die Frauen die ersten sind, welche in diesen Zeiten Platz machen und ihre gewohnten Zellen (im Knast bedeutet das den Lebensbereich) aufgeben müssen, wundert nicht und schließt sich den oben schon erwähnten patriarchalen Gegebenheiten im Knast an.
„Die Inhaftierten haben Angst und deren Angehörige ebenfalls. Masken fehlen und es herrscht mangelnder Umgang mit der Gefahr von Covid-19. Doch eine Frage brennt allen im Herzen, werte Frau Hofmeister: wie soll es weitergehen wenn jemand infiziert ist in Haft, denn der Inhaftierte müsse dann in ein Krankenhaus. Zwei Bedienstete bei 12h Bewachung, wenn dann noch weitere Fülle bekannt werden würde, dann sieht es ziemlich schlecht aus. Wie wollen sie uns konkret schützen?? Wo ist ihre Sicherheit, die sie den Bürgern kundgetan haben?
Die einzige Maske die den Atem zurückhält, ist die des Justizministeriums, eingebunden in Propaganda und geheuchelte Sicherheit auf Kosten der Inhaftierten und deren Gesundheit.“
Wie schon in unseren ersten Statement bezüglich der Corona Pandemie erwähnt: In jeder Krise zeigen sich die Auswirkungen vom Kapitalismus besonders deutlich und die Herrschenden nochmal mehr als sonst ihr wahres Gesicht. So auch in dieser. In diesem Fall verbündeln sich Ausbeutung, patriarchale Unterdrückung, Isolation und ein nicht vorhandenes Gesundheitssystem für diejenigen, welche in diesem System offensichtlich nichts wert sind, im Knast und machen deutlich, dass unter anderem die Gefangenen diejenigen sind, welche die Konsequenzen der Krise am meisten an Leib und Leben spüren.
Was wir in diesen Zeiten vor allem tun können ist, uns mit den Gefangenen und ihrer Situation solidarisch zu zeigen und die Kämpfe, welche wir auch schon vor der Krise geführt haben, noch einmal mehr praktisch zu verbinden. So wie das Patriarchat, die Ausbeutung, ein mieses Gesundheitssystem und Knast nicht für sich allein steht, sollten es unsere Strukturen, Ideen, Vorstellungen und Kämpfe auch nicht. Lasst euch also was einfallen, werdet kreativer denn je und setzt diesem System etwas entgegen.