Sachsen: Faschistischer Ostergruß

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Mit einer eigenwilligen Osterbotschaft will der säschsische AfD-Chef Jörg Urban Gläubige wie Ungläubige ansprechen und zeigen, dass bei seiner Partei Gesundheit vor Profit geht. Doch das stimmt nicht. Was Urban darüber hinaus zu sagen hat, passt auch weder zum christlichen, noch zum Familienfest. Er zitiert den rumänischen Faschisten Mircea Eliade – und zwar falsch.

In einer „Osterbotschaft“ hat sich der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban auf den rumänischen Faschisten Mircea Eliade berufen. In dem gestern veröffentlichten Beitrag, der als Rundschreiben und über soziale Netzwerke verbreitet wird, führt Urban aus, Eliade habe in einem „grandiosen Werk“ gezeigt, „dass der Mensch in existenziellen Krisen immer auf sein Unterbewusstsein angewiesen ist.“ Eine kritische Einordnung enthält Urbans Text nicht.

Eindeutige Biografie

Dabei ist die Vita eindeutig: Der 1907 in Bukarest geborene Eliade war in den 1930er Jahren ein aktiver Unterstützer und mutmaßlich auch für mehrere Jahre Mitglied der faschistischen „Legion des Erzengels Michael“, die später auch als „Eiserne Garde“ bekannt wurde. In mehreren antisemitisch und rassistisch geprägten Texten bekundete Eliade seine Sympathie für die Bewegung, die sich in Anlehnung an die Uniformierung der SA mit grünen Hemden kleidete, und betrieb in deren Auftrag Propaganda. Später entstand mit Hilfe der Bewegung, die sich auch terroristischer Methoden bedient und judenfeindliche Pogrom begangen hat, ein NS-treues Kollaborationsregime, das zum Holocaust beitrug und für das Eliade bis zum Kriegsende als Diplomat tätig blieb. Davor bereiste er das nationalsozialistische Deutschland und lernte unter anderem Carl Schmitt kennen, den „Kronjuristen des Dritten Reiches“. Eliade war nicht bloß der Faszination des Faschismus erlegen, wie viele seiner Zeitgenossen. Sondern er war ein Protagonist, ein Überzeugungstäter.

1945 übersiedelte Eliade nach Paris und lehrte Religionswissenschaften an der Sorbonne, ab Ende der 1950er Jahre und bis zu seinem Tod 1986 hatte er einen Lehrstuhl an der Universität von Chicago inne. Seine früheren Aktivitäten, über die er selbst öffentlich nicht berichtete und von denen er sich offenbar nie distanziert hat, wurden erst spät bekannt. Dabei stand er auch über das Kriegsende hinaus in Kontakt mit politischen Weggefährten. Zu ihnen gehörte beispielsweise der italienische Faschist Julius Evola, der später den modernen Rechtsterrorismus inspirierte. Eliade selbst näherte sich der französischen Nouvelle Droite an. Für die Nachkriegsrechte in Deutschland gewann er an Relevanz durch seine publizistische Zusammenarbeit mit Ernst Jünger, der dem Nationalsozialismus vorgearbeitet hatte. Beide gaben von 1959 bis 1971 eine Kulturzeitschrift namens „Antaios“ heraus, den gleichen mythischen Namen trägt heute nicht zufällig der Kleinverlag des Publizisten Götz Kubitschek. Einige von Eliades Schriften gelten in der zeitgenössischen Neuen Rechten als Schlüsselwerke, dort relevant ist vor allem sein Mythos-Begriff.

Strittig ist, inwieweit Eliades umfangreiches und teils angesehenes akademisches Werk politische Standpunkte enthält. Er war, wie auch Evola, ein sogenannter Traditionalist. Es handelt sich dabei – entgegen der Eigenbezeichnung – keineswegs um eine traditionelle, sondern um eine moderne esoterische Denkrichtung, die sich gegen die westliche Moderne richtet. Der Traditionalismus geht unter anderem davon aus, dass alle Religionen auf eine einheitliche, als solche aber nicht erschlossene Ur-Religion zurückgeführt werden können, die universell gültige und erst noch zu erkennende Wahrheiten enthält. In diesem Sinne versuchte Eliade, anhand der Untersuchung verschiedener „archaischer“ Religionen ein allgemeines Modell menschlicher Religiosität zu entwickeln. In der Gegenwart werden traditionalistische Ansätze auch politisch verwertet, der russische Neofaschist Alexander Dugin ist das prominenteste Beispiel.

„Der Glaube versetzt Berge“

Für die AfD war Eliade bisher nicht relevant. Dessen Erwähnung durch Urban überrascht ebenso, wie seine weiteren unkundigen Ausführungen zur „überragenden Bedeutung“ des Osterfestes für das Christentum sowie den „tieferen Sinn“ von Kreuzigung und Auferstehung. Der AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende ist nämlich kein Kirchengänger und auch sonst kein religiöser Menschen: Es war stets konfessionslos und wurde als Abgeordneter ohne den freiwilligen Zusatz „mit Gottes Hilfe“ verpflichtet. Das gilt für mehr als zwei Drittel seiner Fraktionskolleg*innen im Landtag, wo die AfD eine vergleichsweise atheistische Kraft ist.

In Urbans Landtagsbüro ist dennoch ein Bild eines Ritters zu sehen, der einen Drachen mit einer Lanze tötet. Es handelt sich um den Heiligen Georg, einen orientalischen Märtyrer, der in der Zeit der Kreuzzüge verehrt und später zum Schutzpatron der deutschen Ritter und Kriegsleute wurde. Wie viele selbsternannte „Abendlandretter“ interessiert Urban offenbar nicht der religiöse oder historische Kontext, sondern allein der mythische Symbolwert, mit der sich die Gegenwart beliebig ausdeuten lässt. So ist es auch mit Ostern.

Das Osterfest zeige heute, dass sich alles „letztlich zum Guten wenden“ könne, meint Urban. „Der Glaube versetzt Berge“, eine „perfekte Welt gibt es nicht“, doch positive Änderungen gelingen, „wenn wir uns dies fest genug vornehmen“ – auf solche profanen Kalendersprüche reduziert er die Bedeutung des Festes der Auferstehung. Es lehre, dass wir „den kleinen Dingen viel mehr Wertschätzung entgegenbringen“ sollten, meint er. Das bedeute für ihn selbst, dass er „für meine Heimat“ – die demnach zu den „kleinen Dingen“ gehört – „jederzeit das beste erreichen“ will. Demut ist seine Sache dabei nicht, er kritisiert bei dieser Gelegenheit die „Kirchenoberen“ sowie die gesamte Evangelische Kirche dafür, dass sie diese speziellen Auffassungen nicht „dem Volk vermitteln“ wollen.

Profane AfD-Ideen

Das verwundert nicht, denn aus christlicher Sicht sind Urbans Auffassungen bigott, wenn nicht lästerlich. Das zeigt sich, wo er einen Bogen zur aktuellen Situation schlägt und aufruft, an den Feiertagen nachzudenken: „Was ist wirklich wichtig? Profit oder Gesundheit?“ Aus Sicht der AfD ist diese Frage in Wirklichkeit schon beantwortet: Im aktuellen Positionspapier zur Pandemiekrise, das in Urbans Fraktion entstanden ist, stehen Wirtschaftshilfen an erster Stelle, die Bundestagsfraktion fordert gar eine unverzügliche Beendigung des Shutdowns und begründet das allen gesundheitlichen Risiken zum Trotz mit wirtschaftlichen Interessen. Den Infektionsschutz haben Mandatsträger*innen der AfD auch in Sachsen gezielt unterlaufen.

Aber was hat all das mit Eliade zu tun? Gar nichts. In dem entscheidenden Absatz heißt es bei Urban: „Der rumänische Religionswissenschaftler Mircea Eliade hat in seinem grandiosen Werk über ‚Das Heilige und das Profane‘ herausgearbeitet, dass der Mensch in existenziellen Krisen immer auf sein Unterbewusstsein angewiesen ist. Er stellt sich dann genau die Frage, die Ostern aufwirft.“ Das Buch, das Urban für „grandios“ hält, ist 1957 erschienen. Um Ostern geht es darin nur an einer Stelle, die sich um architektonische Prinzipien christlicher Kathedralen dreht.

Hauptthema des Buches ist der religiöse Mensch, der an eine absolute Realität – das Heilige – glaubt und der einer primitiven Gesellschaft, einer archaischen Zivilisation zugeordnet ist. Der nicht-religiöse Mensch der westlichen Moderne glaubt dagegen nur noch an etwas Relatives, das Profane, in dem er keine Orientierung finden kann. Für Eliade ist das ein klarer Niedergang, eine „systematische Banalisierung“ des damit bedeutungslos werdenden Lebens. Dieses Urteil bezog er auch auf zeitgenössische Christ*innen. Aus Eliades Sicht wäre selbst Urbans pathetische Orientierung an der „Heimat“ eine höchst profane Idee.

Extrem rechte Esoterik

Am Ende des Buches weist Eliade darauf hin, dass Reste des althergebrachten religiösen Lebens bis heute fortbestehen würden, wenn auch in Form verweltlichter Rituale und einer „ganz verkappten Mythologie“, die „bis zur Karikatur entstellt“ ist – das Ritterbild in Urbans Büro wäre ein Beispiel dafür. Das wirklich „Heilige“ sei beim modernen Menschen längst ins Unbewusste abgedrängt. Im Unbewussten – nicht im „Unterbewusstsein“, wie Urban es fälschlich nennt – könne der Mensch Lösungen für existentielle Krisen finden, denn ihm hafte eine „religiöse Aura“ an. Durch sie hindurch könne man die persönliche Situation „überschreiten und Zugang zur Welt des Geistes“ finden. Im tiefsten Inneren, so darf man es kurz fassen, ist ein Rest des „Heiligen“ zu finden. Dort kann das Göttliche wiederentdeckt werden, um es im Profanen neu aufscheinen zu lassen.

Es ist ein Grundmotiv, das Eliades Werk über Jahrzehnte durchzogen hat; es klingt nach Hokuspokus und ist es auch. Der Autor markierte seine Gedanken dazu selbst als eine phiolosophische und psychologische Spekulation. Dass der Mensch „in existenziellen Krisen immer auf sein Unterbewusstsein angewiesen ist“, wie es Urban bilanziert, war allerdings nicht Eliades Aussage – sondern dass das Grundproblem der moderne Mensch selbst ist und die Rettung allein im Religiösen liege. Wendet man diesen Gedanken auf politische Zusammenhänge an, ergibt sich ein theokratisches Programm. Es wäre nicht demokratisch, sondern die Sache einer klerikalen Elite, der es gelingt, sich in mythische Geheimnisse eines ursprünglichen Daseins einzuweihen. Diesen Gedanken brauchte Eliade nicht mehr ausformulieren: Er war das Konzept der „Eisernen Garde“ gewesen, der er angehört hatte und deren Ideologie, gestützt auf eine Nationalkirche, heute allgemein dem Klerikalfaschismus zugerechnet wird. Die „Initiation“ in eine nicht durch die Moderne verfälschte Lehre ist zudem ein Grundsatz des Traditionalismus.

Ob Urban das bekannt ist und er seinen Eliade richtig verstanden, ob er das Buch überhaupt gelesen hat und um Leben und Werk des Autors weiß, bleibt fraglich. Verbürgt ist, dass einer der Mitarbeiter in Urbans Fraktion Eliade gelesen hat: der neurechte Publizist Felix Menzel, Pressereferent der AfD im Landtag. Menzels Interesse an den Grünhemden überrascht keineswegs, denn er hat eine lange Biografie in der extremen Rechten und nahm an NPD-Veranstaltungen teil. Der einstige Anführer der Legionärsbewegung, Corneliu Codreanu, und andere „Märtyrer“ des rumänischen Faschismus werden bis heute in Neonazikreisen, aber auch im Spektrum der Neuen Rechten geradezu kultisch verehrt.

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