Stadtteilspaziergang gegen Videoüberwachung in Dortmund und NRW
Am Samstag, den 29. Februar 2020, nahmen circa 30 Aktivist*innen in der Nordstadt an einem Stadteilspaziergang über die Münsterstraße gegen die geplante Videoüberwachung teil.
Stadtteilspaziergang gegen Videoüberwachung in Dortmund und NRW
Am 21. Januar 2020 teilte die Polizei Dortmund mit, dass die Münsterstraße ab dem Frühling 2020 mittels Videokameras überwacht wird. Aus diesen Grund hat sich zu Anfang des Jahres ein Zusammenschluss aus Anwohner*innen, Antifaschist*innen und Mitglieder*innen von verschiedenen Parteien und linken Räumen in der Nordstadt gegründet, um sich gegen die Plänen einer Videoüberwachung der Münsterstraße rund um die Uhr durch die Polizeibehörde entgegenzustellen.
Am Samstag, den 29. Februar 2020, nahmen circa 30 Aktivist*innen in der Nordstadt an einem Stadteilspaziergang über die Münsterstraße gegen die geplante Videoüberwachung teil. Bereits im Vorfeld des Stadtteilspaziergangs berichteten verschiedene Medien über die Nachbarschaftsinitiative.
Nordstadtblogger: https://www.nordstadtblogger.de/initiative-gegen-videoueberwachung-in-der-muensterstrasse-stadtteilspaziergang-und-nachbarschaftstreffen-am-samstag/
Ruhrnachrichten: https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/muensterstrassen-anwohner-kaempfen-jetzt-als-initiative-gegen-videoueberwachung-plus-1498822.html
Bei dem Spaziergang wurden Flyer verteilt und in Redebeiträgen die Videoüberwachung aus verschiedenen Perspektiven der Münsterstraße kritisiert. Unter anderem wurden Redebeiträge von Nachbar*innen aus der Münsterstraße, Mitgliederinnen von Die.Linke Dortmund, der Kölner Initiative Kamera Stoppen (https://kameras-stoppen.org/), migrantischen Aktivist*innen, Aktivist*innen gegen die Smart City Dortmund (Umstürzende Laternen), dem Buchladenkollektiv Black Pigeon (https://black-pigeon.org/) und den Dortmunder Antifa Gruppen Autonomen Antifa 170 (http://aa170.noblogs.org/) und der Means Street Antifa (https://www.facebook.com/meanstreetsDO/) gehalten.
Arthur Winkelbach, Pressesprecher der Nachbar*innen gegen Videoüberwachung, sieht in der Vielfältigkeit der kritischen Stimmen ein Mobilisierungsmoment gegen die geplante Videoüberwachung: „unserer Meinung nach ist die Videoüberwachung keine Antwort auf die verschiedenen sozialen Probleme in der Dortmunder Nordstadt. In den Redebeiträgen bei unserem Stadteilspaziergang ist überdeutlich geworden, dass Videoüberwachung gegen unsere Grundrechte verstößt, die rassistische Stigmatisierung und Ausgrenzung verschärft, und keine Lösung für Armutsprobleme ist, und sich auch nicht für einen Kampf gegen den Rechtsextremismus geeignet ist. Wir fordern daher den Polizeipräsidenten Dortmunds, Herr Lange, auf: Nehmen Sie ihre Pläne zur Dauerüberwachung von uns Anwohner*innen der Münsterstraße zurück!“
Bereits im Vorfeld des Spaziergangs hatte dieNachbarschaftsinitiative den rassistischen Charakter der Videoüberwachung zur Sprache gebracht. Miray Aydın von der Nachbarschaftsinitiative gegen Videoüberwachung führte in einer Stellungnahme aus:
„Die Münsterstraße wurde nicht zuletzt durch Innenminister Reuls Kampagne gegen „Clankriminalität“ zu einem angeblich gemeingefährlichen "Angstraum" gebrandmarkt. Rassistische Personenkontrollen seitens der Polizei gehören leider zum Alltag in der Nordstadt. Eine Tag- und Nachtüberwachung unserer Straße würde diese rassistischen Tendenzen verschärfen und uns alle zu Verdächtigen stempeln. Daher sagen wir: Nein zu Überwachung! Wir wollen gemeinsam mit unseren Nachbar*innen nach anderen Wegen zur Lösung von sozialen Problemen suchen und gemeinsam für eine solidarische, antirassistische Nordstadt streiten.
Im Anschluss an den Stadtteilspaziergang fand in den Räümlichkeiten des linken Kulturorts Nordpol (https://www.nrdpl.org/) das erste Stadtteiltreffen gegen Videoüberwachung statt. Nach einem Austausch über die verschieden Ansichten zu den Überwachungsplänen der Polizei, wurde in Arbeitsgruppen weitere Argumente gegen die Überwachung gesammelt. Ebenfalls wurden weitere Aktionsideen, juristische Möglichkeiten gegen die ausufernde Videoüberwachung erörtert. Die Nachbarschaftinitiative wird die vielfältigen Diskussionsergebnisse auswerten und zeitnah weitere Schritte gegen die Kameraüberwachung vorbereiten.
Nach am Samtag berichtete bereits die lokal Presse ebenfalls von dem Stadtteilspaziergang:
Ruhrnachrichten: https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/muensterstrasse-nachbarn-demonstrieren-gegen-videoueberwachung-durch-die-polizei-in-der-nordstadt-plus-1499689.html
Auch die Aktivist*innen von der Kölner Initiative „Kamera Stoppen“ (https://kameras-stoppen.org/) begrüßten die neue Nachbarschaftsinitiative gegen Videoüberwachung in Dortmund:
„In Nordrhein-Westfalen wird spätestens seit Beginn der jetzigen Regierungskoalition aus CDU und FDP die polizeiliche Videoüberwachung des öffentlichen Raums stark vorangetrieben. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor, der von Innenminister Herbert Reul, einem Befürworter der Videoüberwachung, über seine Polizeipräsidenten in mehreren Städten diesbezüglich umgesetzt wird. Es ist an der Zeit, dass sich die verschiedenen liberlaen, linken, migrantischen Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich in NRW gegen die permanente Überwachungspläne stellen anfangen zu vernetzen, um gemeinsam in Köln, Dortmund, in ganz NRW einen Widerstand gegen die Totalüberwachung auf die Beine zu stellen“
Die Dortmunder Nachbarschaftsinitiative gegen Videoüberwachung freut sich, dass weitere Mitstreiter*Innen gefunden wurden und plant die Vernetzung im Stadteil und darüber hinaus gegen Videoüberwachung in NRW voranzutreiben.
Ergänzungen
Redebeitrag auf Spaziergang gegen strukturellen Rassismus
Trotz dass ich seit 20 Jahre hier lebe, bin ich in diesem Land zum anderen erklärt wurden. Wenn ich nicht möchte das meine Art und Weise zu Sein in Frage gestellt wird, so bin ich auf migrantische Communities angewiesen, an Orte in dem ich mal aufhören kann betroffener von Rassismus zu sein. So wie ich den Kontakt zu den einheimischen brauche um weniger Schikanen der Ämter, Polizei oder rassistische Nachbarn ausgesetzt zu sein.
Das leben in Deutschland besteht für viele Migrantinnen aus suche nach gleichgesinnten und von bezahlbaren orten der Zusammenkunft sowie den Erwerb und Zugang zur Mobilität. Wie die bürgerliche Kleinfamilie als kleinste Kolonie des Staats Frauen vereinzelt und somit daran hindert solidarische Netzwerke aufzubauen, wirken rassistisch konstruierte Vorurteile gegen migrantische Gruppen ausgrenzend, spaltend und legitimieren Gewalt gegen diese. Diese Vorurteile verklären migrantische Gruppen zur einheitliche Massen und sprechen ihnen ihre Individualität ab.
Werden z.B. Gerade sogenannte"Informatiker-Inder" gebraucht, werden gleichseitig regelmäßige Menschenjagden auf als indische gelesene Pizzafahrer hingenommen. Derartige Übergriffe, finden nur selten ihren Platzt in der Öffentlichen Debatten. Oft bleibt betroffenen nur die Internalisierung des zugeschriebenen als Überlebensstrategie übrig. Betroffene sind gezwungen ihre Arbeitskraft weiter zu verkaufen. Schaffen es betroffene nicht ihre Existenzen so zu begründen, sind sie nicht nur Schikanen von Ausländerbehörde, Arbeitsämter und Polizei ausgesetzt, sondern auch auf der Wohnungssuche und ihrer Freizeit. Wegen diesem strukturell vorhandenen Rassismus, entstehen mit viel mühe Orte wie die eine oder andere Shisha-bar in der Nordstadt.
Der Attentat von Hanau ist die Konsequenz einer gesellschaftlich geduldeten Rassismus und ist die Kontinuität von NSU und die geglaubte Ausführung der von AFD Politikern geforderten Schießbefehle an Grenzen, Abschiebungen und Enthumanisierungen. Auch die NRW CDU unterscheidet sich in ihrer Innenpolitik nicht groß von den Forderungen der AFD Politiker, z.B. dort wo sie in Ruhrgebiet unter dem Vorwand von Clankriminalität migrantische Treffpunkt unter Genrealverdacht stellen.
Die meist erfolglosen Razzien der Polizei stellen unter Beweis, welche politischen ziele diese NRW Regierung verfolgt. Von Reaggybars bis kurdische Kulturvereine wurde in den letzten Monaten allen migrantischen Comunities deutlich die Feindschaft erklärt. Die von der Presse kritiklos übernommene Erzählungen der Polizei, hat gesellschaftlich den Boden für den Anschlag in Hanau vorbereitet.
Die den zum anderen erklärten zugeschriebene Frauenfeindlichkeit, Autoritärer Charaker und Stammesdenken sind eben die gemeinsame Eigenschaften der Rechte unabhängig ihrer Migrationsvorder- oder Hintergrunds. Die kaputten Psychen der aufrechten deutschen beinhalten eine Überidentifikation mit dem zum Feind erklärten und diese Überidentifikation macht den Paradigma aus, wo die Ausgrenzung in Vernichtungswillen von dem anderen und von sich selbst umschlägt.
Wollen wir eine Gesellschaft in dem jede ohne angst anders sein kann, so reicht es nicht nur die Kriminalisierung, die Hetze, die Stimmungsmache zu beklagen, wir müssen uns vielmehr die Sicherheit erkämpfen, welche auch Antifaschisten durch die Anwesenheit von Migrantinnen genießen. Auch anders herum können wir uns Sicherheit geben, in dem wir auch mal nach der Sitzung in eine Shisha-bar gehen. Und wenn sie da kein Bier haben, reden wir mit den Leuten, dass sie es in den Sortiment aufnehmen sollen wenn es den sein muss. Selbst wenn ihr denkt, dass wird ja nur eine symbolische Aktion: aus Gelegenheiten entstehen manchmal auch neue Möglichkeiten.
rede
Die ür Sommer 2020 geplante Kameraüberwachung der Münsterstraße ist ein Pilotprojekt der „Allianz Smart City Dortmund“. Dieser Zusammenschluss von Technologie-Firmen und Lobbyverbänden der Wirtschaft strebt an, Dortmund nach ihren Vorstellungen zu einer „intelligenten“, zu einer „smarten Stadt“ umzubauen.
Smart City ist dabei ein Werbesolgan der Technologiekonzerne, die ihre ach-so-intelligenten digitalen Produkte an Städte verkaufen wollen. Alles wird so verdammt smart. Alles gesellschaftliche Leben in den Städten soll mit Sensoren versehen und zentral gesteuert werden: Ob Parkplätze, Straßenlaternen, Mülleimer oder das eigene Zuhause. Dabei entsteht eine Smart City, nicht weil die Menschen in den Städten nach den digitalen Produkten der Techfirmen verlangen. Die Smart City Produkte und Technologien geben ja auch keine Antwort auf die drängendsten Bedürfnisse der Mehrheit der Stadtbewohner*innen.
Ausgangspunkt der Smart City sind nicht die sozialen, ökonomischen oder ökologischen Krisen der Städte, sondern die technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung. Die Smart City bekämpft keine sozioökonomischen und -kulturellen Ungleichheitsstrukturen in Städten. Vielmehr droht die smarte Digitalisierung, die vorhandenen Probleme in den Städten nur weiter zu verschärfen.
Bei der „smarten“ Überwachung der Münsterstraße nicht um die Bekämpfung von Kriminalität oder die Lösung der zugrunde liegenden sozialen Probleme, sondern nur um eines: Verdrängung.
Kriminalität, Obdachlosigkeit und Armut werden nicht verschwinden, weil eine Straße rund um die Uhr überwacht wird. Die Menschen werden in die Seitenstraßen, in die Hauseingänge und aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verdrängt werden. Doch die Betroffenen wird es weiterhin geben, denn an den gesellschaftlichen Problemen ändert sich rein garnichts.
In den Plänen der "Smart City" ist dabei die Kameraüberwachung am Ende eines ganzen Spektrums der Kontrolle der städtischen Bevölkerung angesiedelt. Die Kameras sollen letztendlich als Teil umfassend vernetzter Systeme eingesetzt werden. Dabei sind weder Technologien noch Algorithmen neutral. Sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und haben Einfluss auf die Lebensweise von einzelnen Menschen, wie von Gemeinschaften.
Kameras, Sensoren, sogenannte intelligente Straßenlaternen werden genutzt um politische und gesellschaftliche Debatten und Entscheidungen zu lenken, dabei reproduzieren sie beständig den Ausschluß und die Stigmatisierung der Armen, so wie die Privilegien der Reichen, der Weißen und der Männer. Überlassen wir es daher nicht den Techfirmen und der Wirtschaftslobby, wie die Zukunft der Stadt Dortmund aussehen soll.
Lassen wir es nicht zu, dass wir zu gehorsamen Datenlieferant*innen der Tech-Konzerne werden. Datenlieferant*innen, deren Alltag permanent überwacht wird, um Profitinteressen zu befriedigen. Das Versprechen, mit Hilfe einiger billiger Apps die Probleme in der Stadt zu lösen, wird sich als ein leeres Versprechen erweisen. "Smarte" Parkplätze lösen nicht die gewaltigen Herausforderungen an eine Mobilität des 21. Jahrhunderts. Ein Paar Sensoren machen das "kaputt-sparen" des öffentlichen Nahverkehrs nicht wieder wett. Geschweige denn, das sie das Konzept der "autofreundlichen" Stadt hinterfragen. Nicht Apps und Kameras lösen Probleme, sondern eine kritische Stadtgesellschaft, die sich nicht jeden Blödsinn verkaufen lässt. Eine Stadtgesellschaft, die sich einmischt. Eine Stadtgesellschaft die aktiv wird, gegen die Interessen der Reichen und Mächtigen.
Es geht nicht nur um ein paar Sensoren, ein paar „smarte“ Apps und Kameras. Am Ende geht es um nicht weniger als die technologische Umformung unseres alltäglichen Lebens.