Reflexionstext zur Besetzung des griechischen Konsulats am 23.12.2019 / Reflection-Text of the squatting of the Greek consulate at the 23.12.2019
Am 23.12.2019 haben wir mit einer symbolischen Besetzung des griechischen Konsulats in Berlin versucht, den normalen Betrieb zu unterbrechen. Nach mehreren, auch brutalen, Räumungen von Besetzungen in Griechenland, haben wir uns entschieden auf diesem Weg ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Obwohl die Aktion erfolgreich war, haben wir beschlossen, unsere kollektiven Reflexionen hier zu veröffentlichen, um die Möglichkeit zu geben, die gesamte Aktion und unsere Gedanken darüber zu verfolgen.
On 23.12.2019, we tried to interrupt the normal operation with a symbolic occupation of the Greek consulate in Berlin, After several, also brutal, evacuations of occupations in Greece, we decided to set a sign of solidarity on this way. Even though the action was successful, we decided to publish our collective reflections here to give the chance to follow the whole action and our thoughts about it.
[ENG below]
Wir sind um 11:00 Uhr mit 17 Personen in das Gebäude gegangen und haben die Mitarbeiter*innen ruhig aufgefordert ihre Arbeit für den Tag einzustellen. Das Ziel war es, den reibungslosen Ablauf zu stören, aber ohne weiteren Schaden anzurichten. Das Konsulat befindet sich im 4. Stock eines Wohnhauses in der Möhrenstraße 17 in Berlin-Mitte. Sobald wir die Räume betreten haben, verhängten wir die Kameras, erläuterten den Mitarbeiter*innen unseren Grund für die Besetzung, hingen ein Banner mit der Aufschrift “Solidarity with the Squats” aus dem Fenster und warfen Flyer heraus. Wir stellten keinerlei Forderungen, sondern nahmen uns den Raum, um unsere Ideen zu verbreiten und unsere Solidarität zu zeigen. Die Unterstützer*innen unten auf der Straße verteilten Flyer und unser Statement an die Passant*innen.
Wir diskutierten zuvor, Sobald die Räume besetzt waren, verschickten wir unseren Text (https://de.indymedia.org/node/55240) an alle Ministerien in Griechenland via Fax und E-Mail und auch an manche Massenmedien, da wir zuvor diskutiert haben, ob wir die Medien nutzten wollen, um unsere Aktion zu propagieren und entschieden uns dafür den Text auch an einige von ihnen zu senden.
In den ersten Minuten der Besetzung kamen mehrere Besucher*innen in das Konsulat, fast alle wurden gebeten zu gehen und an einem anderen Tag wiederzukommen, die Reaktionen waren unterschiedlich. Ein Besucher weigerte sich die Räumlichkeiten zu verlassen und blieb den ganzen Tag allein im Besuchszimmer.
Nach einer kurzen Weile erschien der Konsul sehr aufgeregt und nervös. Nach ihm, etwa 20 Minuten nach Beginn der Besetzung, kamen auch die Cops. Da sie nicht ohne Erlaubnis der griechischen Regierung das Konsulat betreten dürfen, stellten sie sich im Hausflur und auf der Straße auf.
Unten belästigten sie die Unterstützer*innen und untersagten die Nutzung von Transparenten, was die Leute aber nicht davon abhielt uns weiter zu unterstützen und laut Parolen zu rufen, die wir oben mit Freude beantwortet haben.
In der Zwischenzeit wurde die Straße abgesperrt, es kamen mindestens acht Wannen vorbei, zudem etliche Streifen und Zivis. Die Cops αhaben oben unaufhörlich gegen die Tür gehämmert und mitunter ihre Schlagstöcke dazu genutzt. Der Konsul sprach mit ihnen, was sich etwas kompliziert gestaltete, da er kein Deutsch spricht und die Cops bekanntermaßen nicht sehr sprachgewandt sind. In dieser Unterredung sagte der Konsul, dass wir nicht gewalttätig sind, keine ärztliche Hilfe gebraucht wird, er nicht weiss, wie lange wir bleiben und er mit uns verhandeln würde. Uns teilte er mit, dass er nicht in der Position ist, Anzeige zu erstatten.
In unserem Reflexionsprozess kamen wir zu dem Schluss, dass es besser gewesen wäre, dem Konsul deutlicher klar zu machen, dass er nicht mit den Bullen sprechen soll. Es hätte genügt, hätte er einmal gesagt, dass wir da sind, niemand verletzt ist und wir bleiben, solange wir wollen. So fühlte er sich die gesamte Zeit über weiterhin verantwortlich für die Räume und blieb in seiner Position, obwohl sie besetzt waren.
Eine Weile später erschien der griechische Botschafter im Konsulat und begann seinerseits mit den Bullen zu sprechen, diesmal auf Deutsch. Sie versuchten ihn dazu zu überreden, Anzeige zu erstatten und sie reinzulassen. Er reagierte, wie in seinem Job üblich, diplomatisch, was die Cops nun auslegen können, wie sie wollen. Zunächst kamen sie nicht rein, weil dies von den Repräsentant*innen des griechischen Staats nicht gewünscht war, schafften es jedoch viel Druck auszuüben.
Im Anschluss hatten wir ein Plenum, um darüber zu diskutieren, wie wir weiter vorgehen. Diese Diskussion hätte unter anderen Umständen stattfinden müssen, da es dem Konsul und anderen Mitarbeiter*innen immer möglich war uns zuzuhören und sie sich mitunter eingebunden gefühlt haben. Der Hauptpunkt in der Diskussion war die mögliche Repression, die durch die Besetzung auf uns zukommt. Wir stellten mehrere Hypothesen in den Raum, was wir tun könnten, um möglichst geringe oder keine Strafen zu bekommen. Diese Diskussion ist notwendig und wichtig und hätte im Vorhinein intensiver geführt werden müssen, obwohl allen klar war, dass wir sehr wahrscheinlich mit Anzeigen, zumindest wegen Hausfriedensbruch, aus der Aktion rausgehen werden.
Leider dominierte die Frage nach der Repression die Diskussion und die politischen Ziele der Aktion rückten in den Hintergrund.
Da wir uns bewusst sind, dass dieses Schema häufig auftritt, möchten wir hier kritisieren, dass wir uns manchmal dazu verleiten lassen, die Gewichtung weg von unseren Zielen, hin zu ihren Mitteln uns zu schikanieren und einzuschüchtern, zulassen. Manchmal dient es nicht unseren Ideen oder reduziert die Repression wenn wir uns auf ihre Mittel konzentrieren. Perspektivisch sollten wir uns vor allem auf unsere Ziele konzentrieren und ihnen nicht die Möglichkeit geben uns zu beeinflussen.
Da unsere Entscheidungen nicht nur von möglichen repressiven Konsequenzen abhängen dürfen, sondern hauptsächlich von unserer politischen Zielsetzungen, hätten wir die Diskussion unter uns und ohne Zuhörende führen müssen, den ursprünglichen Plan verfolgen sollen, auch wenn er aufgrund der akuten Situation spontan war, und uns nicht darauf verlassen, was Repräsentanten des Staates, gegen den diese Aktion gerichtet ist, sagen.
Unter diesen Umständen haben wir uns dazu entschieden, das Konsulat nach den Öffnungszeiten für Besucher*innen zu verlassen, da wir unseren Text abgeschickt und den Raum erfolgreich symbolisch besetzt haben. Wir haben dem Konsul mitgeteilt, dass wir gehen, wenn die Cops sich aus dem Eingangsbereich verzogen haben. Darauf gingen sie natürlich nicht ein und unterbreiteten das Angebot, dass der Konsul uns in Dreiergruppen nach unten begleiten könnte, wo wir kontrolliert werden sollten. Niemand hatte das Interesse an der Hand des Repräsentanten des griechischen Staates das Gebäude zu verlassen. Wir wollten gemeinsam als Gruppe rausgehen und die Ausweiskontrollen, wenn überhaupt, auf der Straße über uns ergehen lassen. Also gingen wir gemeinsam runter und den Cops in die Falle. Sie scharrten uns im Vorraum des Fahrstuhls zusammen und sammelten unsere Personaldokumente ein. Einige von uns denken, dass es mehrmals möglich gewesen wäre zumindest im Kleinen etwas Widerstand zu leisten und den Cops ihre Arbeit zu erschweren. Sie haben die Ausweise immer je nur an drei Personen zurückgegeben, die dann gehen konnten. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wir dem nicht Folge leisten und im Flur auf die noch Fehlenden warten. Die ersten beiden „Freigelassenen“ wurden rausgedrängt, aber danach war es möglich uns auf der anderen Seite einer Reihe von Cops wieder zusammenzufinden und auf den Rest zu warten. Eine Person wurde auch von dieser Gruppe separiert und kontrolliert. Diese Schikane wurde von allen anderen solidarisch begleitet, jedoch kam der Konsul, der als einziger durchgelassen wurde, zur Kontrolle hinzu und hat auch da nicht verstanden, dass seine Anwesenheit in keiner Weise erwünscht ist.
Am Ende fiel den Cops auf, dass sie noch eine Anzeige wegen Vermummung in petto haben und sie versuchten mit Hilfe von Videoaufnahmen diese Person zu identifizieren, was jedoch nicht möglich war.
Während der ganzen Warterei konnten wir die lautstarken Parolen von draussen hören und freuten uns sehr auf der Straße von vielen solidarischen Unterstützer*innen empfangen zu werden.
Letztendlich betrachten wir diese Aktion als Erfolg, wir haben unsere Ziele erreicht und konnten unsere Solidarität über alle Grenzen hinweg zeigen. Wir wissen, dass es auch anders hätte sein können, die Cops und der griechische Staat hätten noch viel mehr tun können, die Repression hätte härter sein können.Wir halten die Aktion für notwendig, um unsere Solidarität für die Squat(ter)s zu zeigen, Es ist egal, wo wir uns befinden, staatliche und polizeiliche Repression sind die wahren Terroristen.
Es ist schön zu sehen, dass so viele Menschen unsere Botschaft empfangen konnten und wir den Kampf gemeinsam weiterführen. Wir haben diese Reflexion veröffentlicht, um unsere Erfahrungen mit der Bewegung zu teilen, voneinander zu lernen und weiter zu kämpfen.
Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jede Repression!
Solidarity with the squats!
Einige Besetzer*innen
P.S.: Die ersten Anzeigen wegen Hausfriedensbruch haben uns schon erreicht.
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We entered the building at 11 a.m. with 17 people and calmly asked the staff to stop working for the day. The aim was to disturb the smooth running of the procedure, but without causing further damage. The consulate is located on the 4th floor of an apartment building in Möhrenstraße 17 in Berlin-Mitte. As soon as we entered the rooms, we covered the cameras, explained our reason of the occupation to the staff, hung a banner with the words "Solidarity with the Squats" out of the window and threw out flyers. We made no demands whatsoever, but took the room to spread our ideas and show our solidarity.
The supporters down the street distributed flyers and our statement to the pedestrians. As soon as the rooms were occupied, we sent our text (https://en.squat.net/2019/12/23/berlin-greek-consulate-occupied-solidari...) to all ministries in Greece via fax and e-mail and also to some of the mass-media, because we discussed beforehand if we want to use the media to propagate our action and decided to send the text to some of them.
In the first minutes of the occupation several visitors came to the consulate, almost all were asked to leave and come back another day, the reactions were different. One visitor refused to leave the premises and remained alone in the visiting room all day.
Soon the consul appeared very upset and nervous. After him, about 20 minutes after the beginning of the occupation, the cops arrived. Since they are not allowed to enter the consulate without permission from the Greek government, they lined up in the hallway and on the street.
Downstairs they harassed the supporters and prohibited the use of banners, but this did not stop the people from continuing to support and shout out loud paroles, which we answered with joy upstairs. In the meantime the street was blocked off, at least eight big police vans were passing by, as well as several patrols and civil cops.
The cops were constantly banging on the door upstairs, sometimes using their batons. The consul talked to them, which turned out to be a bit complicated as he doesn't speak German and the cops are notoriously not very eloquent.
In this conversation the consul said that we are not violent, no medical aid is needed, he does not know how long we will stay, and he would negotiate with us. He told us that he is not in the position to press charges.
In our reflection process we came to the conclusion that it would have been better to make it clearer to the Consul that he should not talk to the cops. It would have been enough if he had once said that we are here, nobody is hurt, and we will stay as long as we want. So all the time he continued to feel responsible for the rooms and stayed in his position even though they were occupied.
A while later the Greek ambassador appeared at the consulate and in turn began to talk to the cops, this time in German. They tried to persuade him to press charges and let them in. He reacted, as usual in his job, diplomatically, which the cops can now interpret as they like. At first, they didn't come in because the representatives of the Greek state didn't want them to, but they managed to exert a lot of pressure.
Then we had a plenary session to discuss how to proceed. This discussion should have taken place under different circumstances, because the consul and other staff members were always able to listen to us, and they sometimes felt involved. The main point of the discussion was the possible repression that the occupation might bring. We put forward several hypotheses as to what we could do to get minimal or no punishment. This discussion is necessary and important and should have been conducted more intensively in advance, although it was clear to everyone that we would very likely go out of action with charges, at least for trespassing.
Unfortunately, the question of repression dominated the discussion and the political goals of the action receded into the background.
Since we are aware that this pattern often occurs, we would like to criticize here that we are sometimes tempted to allow the emphasis to shift away from our goals and towards their means of harassing and intimidating us. Sometimes it does not serve our ideas or reduce repression if we focus on their means. Perspectively we should focus mainly on our goals and don’t give them the chance to influence us.
As our decisions must not only depend on possible repressive consequences, but mainly on our political objectives, we should have had the discussion among ourselves and without listeners, follow the original plan, even though it was spontaneous because of the current situation, and not rely on what representatives of the state against which this action is directed say.
Under these circumstances, we have decided to leave the consulate after the opening hours for visitors, as we have sent our text and successfully symbolically squatted the space.
We have informed the consul that we will leave when the cops have left the entrance area. Of course, they did not respond to this and made the offer that the consul could accompany us downstairs in groups of three where we were to be checked. No one had any interest to leave the building holding the hand of the representative of the Greek state. We wanted to go out together as a group and let the identity card controls, if at all, take place in the street.
So we went down together and walked into the cops' trap. They herded us together in the elevator lobby and collected our ID documents. Some of us think that it would have been possible several times to offer some resistance, at least on a small scale, and make the cops' work more difficult. They always returned the ID cards to only three people at a time, who could then leave. We decided together that we would not follow this decision and wait in the hallway for those who were still missing. The first two "released" people were pushed out, but after that we were able to reunite on the other side of a line of cops and wait for the rest. One person was separated from this group and controlled. This harassment was accompanied by all the others in solidarity, but the consul, who was the only one to be let through, was added to the control and even then he did not understand that his presence was not wanted in any way.
In the end, the cops noticed that they still had a report for masking up one’s sleeve, and they tried to identify this person with the help of video recordings, but this was not possible. During the whole waiting time we could hear the loud slogans from outside, and we were very happy to be welcomed on the street by many supporters in solidarity.
In the end, we consider this action as a success, we reached our goals and could show our solidarity across all borders. We know, that it could have been different, the cops and the Greek state could have done much more and the repression could have been harder. We consider this action necessary in order to show our solidarity to the squat(ter)s. It does not matter where we are, state and police repression are the real terrorists.
It is nice to see, that so many people could receive our message, and we continue the struggle together. We published this reflection in order to share our experiences with the movement, learn from each other and keep on fighting.
Our passion for freedom is stronger than any repression!
Solidarity with the squats!
Some Squatters
PS: The first charges of trespassing have already reached us.