Free them all!
Die bekannten in den USA eingesperrten politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier haben sich der internationalen Kampagne „Free Otegi – free them all“ angeschlossen. Das wurde am 4. August in Belfast bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Nach vielen anderen Prominenten aus aller Welt, die die ursprüngliche Resolution auf den Weg gebracht hatten, war bereits Mitte Juli eine Reihe von VIPs aus den USA auf den Zug gesprungen, nun war die Reihe an Leonard und Mumia, die bekanntesten Opfer rassistischer und ethnischer Justiz in den USA.
Am 24. März war in Brüssel die Internationale Erklärung für die Freiheit von Arnaldo Otegi und die baskischen Gefangenen „Free Otegi, free them all“ vorgestellt worden. Zu jenem Zeitpunkt war sie von 24 hochkarätigen Persönlichkeiten unterzeichnet, unter anderem von Angela Davis, Desmond Tutu, José Pepe Mújica (ehemaliger Präsident Uruguays), Leyla Zana (erste weibliche kurdische Abgeordnete im türkischen Parlament), Gerry Adams, Nora Morales de Cortiñas (Madres de la Plaza de Mayo, Buenos Aires), Helmuth Markov (Die Linke) und anderen. Seitdem haben sich viele UnterstützerInnen angeschlossen und die letzten beiden, deren Namen vorgestern, am 5. August in Belfast bekanntgegeben wurden, sind Leonard Peltier und Mumia Abu-Jamal.
Wer ist Arnaldo Otegi
Arnaldo Otegi (* 1958) ist seit zwei Jahrzehnten der bekannteste Sprecher der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung. Von 1995 bis 2005 war Otegi Abgeordneter im baskischen Regionalparlament. Seit 1998 war er für die baskische Linke als Verhandlungsführer an allen Verhandlungen zur Lösung des Konflikts beteiligt. Unter seiner aktiven Führung leitete die baskische Linke drei Friedensprozesse ein, die zweimal einen einseitigen Waffenstillstand der ETA zur Folge hatten. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – lassen spanische Regierung und Justiz nicht locker, um den charismatischen Politiker mittels Anklagen und Verhaftungen aus dem Verkehr zu ziehen. Beispielsweise verurteilte die Audiencia Nacional (spanisches Sondergericht) Otegi im Jahr 2005 zu zwölf Monaten Gefängnis, weil er Berichte über Folterungen baskischer Journalisten durch die spanische paramilitärische Polizei mit der Bemerkung kommentiert hatte, der spanische König sei als Oberhaupt aller bewaffneten Einheiten „Für die Folterer verantwortlich“. Sechs Jahre später, im März 2011, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Spanien habe mit dem Urteil Otegis Meinungsfreiheit verletzt.
Nach dem Scheitern der letzten Friedensverhandlungen im Juni 2007 wurde er erneut verhaftet. Nach seiner Entlassung im August 2008 arbeitete Arnaldo Otegi mit einem kleinen Team und mit Unterstützung internationaler Konfliktmoderatoren daran, Voraussetzungen für eine neue Friedensinitiative zu schaffen. Im Oktober 2009 wurde er für diese friedenspolitischen Aktivitäten zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Strategiewechsel der baskischen Linken führte im Februar 2012 zur Gründung der neuen Partei Sortu (Aufbauen), zu dessen Generalsekretär die Mitglieder mit großer Mehrheit Otegi wählten.
Am 26. April 2013, dem 76. Jahrestag der Bombardierung Gernikas durch die nationalsozialistische Fliegerstaffel Legion Condor, wurde Otegi zusammen mit dem baskischen Sozialdemokraten Jesús Egiguren der Friedenspreis Gernika verliehen als Anerkennung ihres Einsatzes für eine Lösung des Konflikts im Baskenland. Egiguren lehnte es ab, sich allein auf die Bühne zu stellen während Otegi im Gefängnis war. So nahmen die beiden jugendlichen Töchter der beiden Politiker den Preis stellvertretend für ihre Väter entgegen. Die Audiencia Nacional begann daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen den Bürgermeister Gernikas wegen Verdachts auf Verherrlichung von Terrorismus.
Das bekannte Festival Féile an Phobail, das jeden Sommer in West-Belfast gefeiert wird, wurde am 5. August 2015 zur Bühne eines Events mit dem Titel „Free Otegi, free them all“, bei dem die letzten beiden weltweit bekannten Persönlichkeiten bekannt gegeben wurden, die die Erklärung unterzeichneten: die politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier, beide unschuldig inhaftiert in den USA. Sie sind – neben Oscar Lopez Rivera von der puertoricanischen Befreiungsbewegung und den sog MOVE Nine – möglicherweise die beiden bekanntesten Gefangenen der USA.
Leonard Peltier (* 12.September 1944) ist Aktivist des American Indian Movement (AIM) und seit 1976 im Gefängnis, nachdem er in einem fragwürdigen Gerichtsverfahren wegen angeblicher Ermordung zweier FBI Agenten zweifach zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Amnesty International nahm ihn im Jahr 2010 in die Liste der Fälle ungerechter Gerichtsverfahren auf. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder weltweite Kampagnen, die seine Freilassung fordern. Er leidet an Diabetes und sieht auf einem Auge fast nichts und ist nach fast 40 Jahren Haft gesundheitlich sehr angeschlagen.
Mumia Abu-Jamal (*24. April 1954) ist seit 1982 im Gefängnis. In einem Gerichtsverfahren voller Widersprüche und rassistischer Exzesse wurde er wegen Mordes an einem weißen Polizisten zum Tode verurteilt. Er selbst hat immer seine Unschuld beteuert, später erfolgte Ermittlungen beweisen das. Nach knapp 30 Jahren in der Todeszelle, langwierigen juristischen Revisionsverfahren und einer weltweiten Solidaritätskampagne musste im Dezember 2011 die Verhängung der Todesstrafe zurückgenommen werden. Das Urteil wurde in lebenslange Haft ohne Revisionsmöglichkeit umgewandelt. Seit mehreren Monaten ist Mumia Abu-Jamal schwer krank, seit wenigen Tagen gibt es eine Diagnose: Hepatitis C.
An der Veranstaltung, die von dem irischen Schriftsteller Jude Collins vorgestellt wurde, nahmen mehrere Persönlichkeiten aus dem politischen Leben teil: der Priester Harold Good, Zeuge der Waffenabgabe der IRA und großer Kenner der baskischen politischen Realität; der Senator des linksnationalistischen Wahlbündnisses Amaiur im Parlament von Madrid Urko Aiartza sowie Gerry Kelly, Parlamentarier von Sinn Féin und ehemaliger republikanischer Gefangener.
Während des Events wurde die verdienstvolle Arbeit Arnaldo Otegis und die der mit ihm verurteilten politischen Aktivist/innen hervorgehoben. Die Beteiligten beschrieben die Rolle, die die Gefangenen im irischen Friedensprozess spielten und betonten, dass die Haltung der spanischen Regierung gegenüber den baskischen politischen Gefangenen zum Ziel hat, den von der baskischen Linken eingeleiteten Prozess zu Fall zu bringen. Gerry Kelly insistierte, dass die „Freilassung Arnaldo Otegis und der anderen politischen Gefangenen ein entscheidender Schritt wäre, um den eingeleiteten Prozess voranzubringen“. Gleichzeitig bemerkte er, dass die Konsequenzen des politischen Konflikts nicht zu bewältigen sind ohne eine Lösung für die Gefangenen ins Auge zu fassen, wie es bekanntermaßen in Irland der Fall war. (Redaktion Baskinfo)