Nasskalter Reinfall für Nazis in Lindenau
“Den Stürmen zum Trotz” wollten Nazis am 18. Mai 2014 unter dem Motto “Linken Straßenterror stoppen! Medien-Verharmlosung und Polizei-Untätigkeit beenden!” im Leipziger Westen aufmarschieren. Hintergrund der vom sächsischen JN-Vorsitzenden Paul Rzehaczek angemeldeten Demonstration war eine vermeintliche Anschlagsserie gegen KommunalwahlkandidatInnen der NPD in Leipzig.
So seien fahrbare Untersätze der geistigen BrandstifterInnen auf unkonventionelle Art und Weise stillgelegt und Wohnungen mit Farbklecksen verziert worden. Dahinter wittern die rechten Hetzer eine große Verschwörung: Die Linken könnten wüten, die Polizei ermittle nicht und die Presse ignoriere sie – einfach niemand könne sie leiden, so ihr Vorwurf. Und tatsächlich schien nicht einmal Petrus Mitleid mit den braunen Gesellen zu haben.
Doch nicht nur das Wetter meinte es nicht gut mit den Nazis. Auch der “Nationale Widerstand” ließ seine Volksgenossen im Regen stehen, die Teilnehmerzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück. Dabei wurde langfristig bundesweit mobilisiert. Zunächst konspirativ für den 11. Mai 2014 geplant, musste der Leipziger NPD-Kader Alexander Kurth erst den NPD-Landesvorstand erpressen, um seine Machtdemonstration genehmigt zu bekommen.
Gefolgt waren dem Aufruf schlussendlich nur 100 Nazis, hauptsächlich aus Sachsen und Berlin, einzelne auch aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Die braune Mischung aus NPD, “Jungen Nationaldemokraten”, Kameradschaftlern, “Freien Kräften” und einer Abordnung des sächsischen Landesverbands der marginalen Worchpartei “Die Rechte” vermittelte zumindest oberflächlich den Eindruck einer spektrenübergreifenden “nationalen Solidarität”. Gemessen daran, dass die TeilnehmerInnen eben jene waren, die zur Zeit ohnehin Wochenende für Wochenende von einem Nazievent zum nächsten wandern, und angesichts der Erfahrung, dass thematisch ähnliche Demonstrationen in der Vergangenheit ein Vielfaches an Nazis auf die Straße gelockt haben, darf der Aufmarsch in Lindenau getrost als Flop bezeichnet werden.
Alexander Kurth im Regen stehen gelassen – nur 100 “Kameraden” folgten dem Aufruf
Maik Scheffler, der immer wieder von alten Zeiten schwärmte, als noch Tausende “Kameraden” durch Leipzigs Straßen marschierten, machte vorsorglich allen Beteiligten klar, dass die Messlatte in Leipzig nicht allzu hoch hänge und betonte, dass jeder Aufmarsch in Leipzig als Erfolg anzusehen sei. Neben ihm traten Alexander Kurth, der brandenburgische JN-Chef Pierre Dornbrach und Enrico Böhm, der schluchzend seinen Leidensweg im roten Leipzig beschrieb und gegen “linkes Ungeziefer” wetterte, als Redner auf. Der örtliche NPD-Chefhetzer Kurth lief in seinem Redebeitrag zu gewohnter Form auf, bezeichnete das Leipziger Rathaus als “antideutsche Jauchegrube”, die GegendemonstrantInnen als “entmenschte Faschisten” und einzelne KommunalpolitikerInnen als “Krebsgeschwüre”.
Ein Stück weit laufen konnten die Nazis schließlich – mit freundlicher Unterstützung der Leipziger Verkehrsbetriebe, die einen Sonderbus stellten, um die großteils mit der Bahn angereisten Nazis vom Vortreffpunkt am Hauptbahnhof zum polizeilich abgeriegelten Lindenauer Markt zu verfrachten, und der sächsischen Polizei, die ihnen sehr engagiert den Weg freiprügelte. Wegen eines Pfefferspray-Einsatzes gegen Frank Kimmerle, Anmelder einer der Gegenkundgebungen, und gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar ermittelt die Polizei bereits in ihren eigenen Reihen.
Die Polizei war stets bemüht, den Nazis den Weg freizuräumen
Dem martialischen Auftreten der Polizei und dem regnerischen Wetter zum Trotz konnte der Aufmarsch immer wieder von hunderten AntifaschistInnen blockiert werden. So wurde der rechte Demozug aufgrund von Blockaden in der Dreilindenstraße und an der Lützner Straße Ecke Odermannstraße zunächst in die entgegengesetzte Richtung auf die William-Zipperer-Straße geschickt. Doch auch dort wurden die Nazis immer wieder erfolgreich blockiert, Lindenau erwies sich für sie im wahrsten Sinne des Wortes als Sackgasse. Nach kurzer Wartezeit vor der blockierten Uhlandstraße mussten die Nazis umdrehen und über die Calvisiusstraße, Georg-Schwarz-Straße und Demmeringstraße zurück zum Lindenauer Markt ziehen. In eine kurze Straßenbahn gepfercht, durften sie von dort den ruhmlosen Heimweg antreten.
Durchnässt, immer wieder blockiert und von AnwohnerInnen mit Müll beworfen, war dies kein erfolgreicher Tag für die Nazis. Einzig AntifaschistInnen haben die Machtprobe bestanden und trotz aller Widrigkeiten eines bewiesen: Leipzig bleibt Rot! Oder um die Frage der “BILD-Zeitung” zu beantworten: “Wird Lindenau das neue Connewitz?” Worauf ihr einen lassen könnt!
Um den Tag Revue passieren zu lassen, sei auch der Ticker empfohlen.
Daniel Speck, Enrico Böhm, Alexander Kurth, mit Glatze Olaf Kretschmar, mit roter Jacke Mirko Gelsdorf (Cavertitz), Alexander Kerper (Nordsachsen), Cornelia Reller
Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Kanitz, daneben Emma Stabel und Jens Baur (Dresden), mittig die “Anti-Antifa”-Fotografen Kai Rzehaczek (Eilenburg) und Kai Mose, rechts David Brandl (Geithain)
NPD-Stadtratskandidat Axel Radestock, Jeff Fitzek, Rodrigo Senf
Auch der freie Aktivist Daniel Buchholz aus Crimmitschau (links im Bild) war sichtlich enttäuscht
Wie Sardinen in der Dose: Nazis bei der Abreise
Pressemitteilung der GegendemonstrantInnen
+++ Über 400 Personen stellen sich Nazis in den Weg +++ Naziroute trotz rabiatem Polizeieinsatz massiv verkürzt +++ Mehrere Verletzte durch Polizisten
Am Sonntag, dem 18.05.2014, stellten sich mindestens 400 Personen einem Aufmarsch sächsischer Nazis in Leipzig-Lindenau in den Weg. Die Polizei ging mit massiver Gewalt gegen die Protestierenden vor, um den etwa 120 Nazis den Weg freizuräumen. Dennoch gelang es den Naziaufmarsch aufzuhalten.
Bereits der Auftakt der Nazis fiel aufgrund einer Blockade in der Dreilindenstraße ins Wasser. Über einhundert Personen blockierten die ursprüngliche Route der Nazis. Daraufhin leitete die Polizei den Nazitross in entgegengesetzter Richtung auf die William-Zipperer-Straße. Allerdings waren auch hier mehrere hundert Menschen unterwegs, um sich den Nazis in den Weg zu stellen. An der Uhlandstraße blockierten weitere 200 Personen die Naziroute. Die Polizei ging mit Pfefferspray gegen die Demonstrant_innen vor, eine Räumung der Naziroute gelang jedoch nicht. Die Nazis mussten umkehren und wurden zügig zurück zum Ausgangspunkt ihres Aufmarsches geleitet.
Lea Hoppe, Sprecherin der Gegenproteste, erklärt: “Es ist schön, dass sich trotz miesem Wetter viele Leute dem Naziaufmarsch entgegengestellt haben. Die Route der Nazis musste erheblich verkürzt werden, ihre Propaganda wurde ganz praktisch unterbunden. Das war definitiv kein Erfolg für JN und NPD.”
Durch Polizeibeamte wurden mindestens zehn Personen verletzt und mussten durch Sanitäter behandelt werden. Die Gegendemonstranten wurden mehrfach mit Pfefferspray attackiert. Zudem hat die Polizei mindestens 16 Personen in Gewahrsam genommen. Eine Begründung dafür wurde oftmals nicht genannt.
Lea Hoppe: “Die Polizei hat gewohnt sächsisch agiert. Antifaschistische Gegenproteste wurden massiv attackiert, um den Nazis den Weg freizuräumen. Der Plan ist jedoch nicht aufgegangen, und das wird er auch in Zukunft nicht.“
Foto mit freundlicher Genehmigung von E. Moeller und M. Treczik. Artikel zuerst erschienen auf leipzig.antifa.de.