[LE] Bericht und Inhalte zur Kundgebung in Solidarität mit Paul und den Gefangenen der JVA Leinestraße vergangenen Montag

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Am Montagabend, dem 17.02.2025, haben wir uns an der JVA Leipzig versammelt, um unsere Solidarität mit Paul und allen anderen Gefangen zu zeigen. Bei eisigen Minusgraden kamen trotzdem über 100 Menschen zusammen, um mit Reden, Grußwörtern, Parolen und Pauls Lieblingsmusik die Isolation der Knastmauern für eine Stunde zu brechen.

Inhaltlich ging es uns darum klar zu machen, dass wir unsere Genoss*innen nicht alleine lassen. Neben Grußworten von Paul, seiner Familie und seinen Freund*innen richteten wir uns auch mit einem Appell an alle Antifaschist*innen draußen. Sie sollen nicht nachlassen, sowohl in der weitreichenden Solidarität mit den Angeklagten im Budapest-Komplex als auch im Kampf gegen den globalen Faschismus allgemein.

Neben der warmen Worte für "unseren" Gefangenen war es uns aber auch wichtig, das System Knast sowie die dahinter stehende Struktur von Staatlichkeit und kapitalistischer Ausbeutung zu kritisieren. In zwei Beiträgen haben wir auf die Funktionsweise des Strafmittels Knast hingewiesen und uns explizit mit allen Weggesperrten solidarisiert, da wir das das gewalttätige Knastsystem sowie Staaten als ausführende repressive Struktur prinzipiell ablehnen.

Ein kleines Feuerwerk in Solidarität mit den Gefangenen rundete die Kundgebung ab.

Wir freuen uns, dass so viele Antifaschist*innen mit uns vor die Knastmauern kamen. Wir sehen uns bei den kommenden Auseinandersetzungen mit dem aufstrebenden Faschismus und der bürgerlichen Elendsverwaltung, die ihn hervorbringtt. Egal ob in Budapest, Dresden, Samstag in Berlin oder heute in Leipzig bei der Hanau-Gedenkdemonstration. No Pasaran!

 


Inhalte der Kundgebung

 

Grußwort eines Untergetauchten an seinen inhaftierten Bruder: https://de.indymedia.org/node/493243

 

Ein Versuch zu sprechen – Maja zur Anklageschrift: https://knack.news/11883

 

Grußwort Paul an Kundgebung:

Hallo ihr da draußen, 

mir fällt es nicht ganz leicht, die richtigen Worte zu finden. Aber ich würde euch gerne wissen lassen, dass es richtig stark ist, was ihr da draußen alles bewegt und gerissen habt und das sehr vieles davon bei uns hier hinter den Mauern ankommt. Und das es für uns Gefangene einen riesigen Unterschied macht, nicht nur allgemein zu wissen, sondern auch immer wieder konkret daran erinnert zu werden, dass wir nicht alleine sind.

Das Ausmaß der Solidarität, die ihr jeden Tag organisiert und ganz praktisch lebt, ist sehr beeindruckend. Die unzähligen Demos, die öffentlichen Positionierungen all der Gruppen und Personen, die finanzielle und logistische Unterstützung die wir erhalten, und nicht zuletzt die Raketen, die immer wieder den Nachthimmel über den Gefängnissen erhellen, erleichtern es, die Gefangenschaft erhobenen Hauptes und immer wieder auch mit einem Lächeln durchzustehen. Sie zeigen uns, dass wir die besten Freunde haben, die man sich nur wünschen kann. Aber sie zeigen auch, dass sehr viele Menschen, die wir gar nicht kennen, sich mit der uns vorgeworfenen Haltung identifizieren und diese verteidigen. Das vermittelt Zuversicht. Auch, weil das heutzutage leider alles andere als selbstverständlich ist. Wahrscheinlich wird das hier alles noch ein bisschen dauern und vielen von uns einen langen Atem abverlangen. Deswegen passt auch gut auf euch und einander auf. Aber daran, dass wir das alle gemeinsam schaffen, hab ich überhaupt keinen Zweifel.

Komme was wolle.

euer Paul

 

Redebeitrag Knastkritik:

Gefängnis ist das höchste Mittel des staatlichen Strafens in Deutschland, für alle, die sich nicht an diejeweils herrschenden Gesetze halten. Da hier kapitalistische und patriarchale Verhältnissen herrschen, dienen diese Gesetze dazu, eben jeneVerhältnisse durchzusetzen.

Der Staat bestimmt die Norm. Er definiert welches Verhalten gut und sittlich ist und welches nicht. Was als Gefahr für die gesellschaftlichen Verhältnisse ausgemacht wird, soll bestraft, kontrolliert und isoliert werden. Es geht im Justizsystem und in den Gefängnissen weder um Resozialisierung, noch um Wiedergutmachung oder echte Sicherheit. Der Staat ist einerseits willkürlich, wie mensch an Aufenthaltsbestimmungs- und Drogengesetzen sieht. Andererseits hat der Staat eine klare Aufgabe. Seine Existenz und seine Gesetze dienen dazu, die herrschenden Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Er beansrucht für sich das Gewaltmonopol in der bürgerlichen Gesellschaft und muss sich dadurch dauerhaft selbst vor den potentiell aufständigen Untertanen legitimieren.

Um das Gewaltmittel Knast zu legitimieren, werden die Gefangenen stigmatisiert. Die Stigmatisierung geht dabei auch über die Haft hinaus. Als Rechtfertigung für all das Einsperren und Strafen, dient der heraufbeschworene Mythos einer Bedrohung vor Terroristen und Kriminellen, vor denen wir angeblich geschützt werden sollen. Das lenkt von den eigentlichen Problemen und ihren Ursachen ab, nämlich, dass diese Gesellschaft auf Unterdrückung, Konkurrenz und Ausbeutung beruht. Polizei, Justiz und Knäste sind nur nötig, um diese sozialen Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Verhältnisse, die wiederum für das Entstehen der meisten “Verbrechen” überhaupt erst verantwortlich sind. Dabei wird gerne das Bild von gefährlichen Individuen und brutalen Gewalttätern gemalt. Die größten Verbrechen der menschlichen Geschichte aber wurden von Regierungen oder Konzernen verübt und waren dabei meist sogar vollkommen legal. (Man denke an Sklaverei, Kriege und Genozide…). 

Der größte Teil der Gefängnisinsassen hingegen war nie gewalttätig. In den Kerkern dieser Welt sitzen nicht die gewalttätigsten Menschen, sondern die Ärmsten. So sitzen hierzulande Tausende ein, weil sie ohne zu zahlen den ÖPNV genutzt haben. Die Mehrheit sitzt wegen Eigentumsdelikten wie Ladendiebstahl, Betrug oder sogenannter Beschaffungskriminalität. Der Grund für soziale Probleme wie Sucht und Gewalt resultieren aus widrigen Lebensumständen, Problemen in Kindheit und Jugendsowie krisenhaften Lebenssituationen. Die Haftanstalt löst keines dieser Probleme - im Gegenteil. Sie stellt sicher, dass der Grund für diese Konflikte bestehen bleibt und fördert die Gewalt. Für die Menschen die dort zu kompletter Unterordnung und Isolatioin verdammt wurden, sind die Knäste einer der gewalttätigsten Orte dieser Welt. Die kapitalistische Gesellschaft kann nicht die Bedürfnis aller Menschen nach Würde, Gemeinschaft und materieller Sicherheit befriedigen. Dies zwingt die Menschen dazu, mit den verschiedensten legalen und eben auch „illegalen“ Mitteln untereinander zu konkurrieren.Knäste sollen auch jede Verweigerung bedrohen und bekämpfen, sich nicht mit seinem zugeteilten Schicksal abzufinden. Der Widerspruch, den man zu den vorgegebenen Regeln spürt, soll solange gewaltsam gebrochen werden, bis jede rebellische Flamme in uns erloschen ist und wir den Status Quo akzeptieren.

Deshalb muss klar sein: eine Kritik an Knast und Strafe kann nur im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen als Ganzes betrachtet werden. Dabei ist zu beachten, dass das Gefängnis nur eine von einer Vielzahl von Einrichtungen darstellt, welches dieses System am Laufen halten und dazu dienen Menschen zu erziehen und zu kontrollieren. Dieselbe Logik von Strafe findet sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen: in Schulen, Psychiatrien, Abschiebelagern, Arbeitsstellen usw.   

Das Strafen wirkt dabei schon im Voraus. Als Angst vor staatlicher Gewalt lähmt es alle, die die aktuelle Gesellschaft und ihr materielles und soziales Elend nicht akzeptieren wollen. Das Rechtssystem ist nicht neutral. Es ist kein Ausdruck eines allgemeinen Interesses, seine Funktion besteht in nichts anderem, als der Absicherung  der Privilegien der Menschen, die hier und überall auf der Welt das Sagen haben.  

Gegen das Gefängnis zu kämpfen, bedeutet daher gegen den Staat, seine Justiz und letztlich gegen eine Form von Gesellschaft zu kämpfen, welche solche Institutionen aufrechterhält.Wir stehen deshalb heute hier in Solidartiät mit allen Gefangenen der JVA Leipzig, die unter diesem Knastsystem leiden. Und vor allem in Solidarität mit allen, die sich auflehnen und kämpfen wollen gegen die Verhältnisse, die nicht ohne dieses Knastsystem bestehen können. Ihr seid nicht allein!

Kriminell ist das System! Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen! Für den Aufstand - bis wir alle frei sind!

 

Redebeitrag Benni:

Die Schweine von der Staatsanwaltschaft Leipzig haben mich im letzten Jahr für 6 Monate hier in der Leinestraße eingesperrt. Aufgrund zusammengereimter Indizien wurde ich wie aus dem Nichts aus meinem Leben gerissen. Von einem Tag auf den anderen war ich getrennt von meinen Freunden, meinen Genoss*innen und meiner Familie. Nach einiger Zeit auf der Flucht habe ich viele meiner liebsten Menschen erst wieder im Besuchsraum unter Aufsicht der Schließer-Wichser umarmen können. Und das auch nur 1 mal die Woche.

U-Haft in Deutschland und vorallem hier in Leipzig bedeutet mindestens 21 Stunden am Tag Einschluss in einer 11 Qudratmeter Zelle. Ohne von einem Gericht verurteilt zu sein oder dich verteidigen zu können wirst du für Monate weggesperrt und bist mit deinen Sorgen und Problemen ganz alleine. 

Diese Kombination von sozialer Isolation und der Zusammenpferchung mit einem Haufen fremder Menschen auf immer den selben Fluren, Zellen und viel zu kleinen "Hof" genannten Freiluftkäfigen soll dich zermürben. Der Alltag ist so langweilig trist und der Kontakt zur Außenwelt wird so schwer gemacht, dass du verrückt wirst, wenn du nicht auf dich achtest. 

Das einzige was hilft ist die Gewissheit, dass dich deine Leute draußen nicht vergessen und deine Gefährt*innen in Solidarität mit dir weitermachen. Nicht explizit politische Gefangene haben diesen Luxus oft nicht. Knast bedeutet auch, dass sich Umfelder von dir abwenden, man die eigene Familie nicht mehr versorgen kann oder man plötzlich in einem fremden Land feststeckt. Grade als Ausländer oder ohne festen Wohnsitz kommt man wegen kleinsten Vergehen in U-Haft. Dort behandeln die Scheiß-Schließer einen wie Dreck und weigern sich, jegliche Kommunikation in andere Sprachen zu übersetzen. Wenn du keine Hilfe hast, bist du einfach verloren da drin. Deshalb ist auch das Gerede von der Freiheit nur für politische Gefange so peinlich und ich hoffe, dass sich alle die das ständig rufen mal ernsthaft mit dem Knastsystem auseinandersetzen. Alle Leute, die ich drinnen getroffen habe, gehören entlassen! Knast ist keine Lösung für nichts, und das wahre Verbrechen ist es, Menschen einzusperren. Freiheit für alle Gefangenen!

Und jetzt an Paul:

Ich hoffe, dass wir dir klar genug machen, dass wir dich nicht alleine lassen! Lass dich nicht unterkriegen und wenn die Scheiße irgendwann dann endlich vorbei ist, werden alle da sein, um dich in Freiheit zu empfangen! Wir als Bewegung stehen hinter dir und allem was dir vorgeworfen wird! Wenn der Staat uns kriminalisiert, dann sind wir eben Kriminelle! 

- Am Ende gab es noch persönliche Grüße an einzelne Gefangene und ein klares Fickt euch geht an die Schließerschweine der Station 2. "Auf das man sich nie wieder trifft - Ihr herzlosen Wichser"

 

Redebeitrag BASC:

Lieber Paul, 

wir hoffen du hörst diese Zeilen. 

Nun stehen wir heute hier, ohne dass du bei uns sein kannst. Uns trennen Knastmauer und Stacheldraht – und es fühlt sich schön und merkwürdig zugleich an, dir so zumindest etwas näher sein zu können. 

Genau vier Wochen sind vergangen, seit dem du und die anderen Beschuldigten den mutigen Schritt gegangen seid, euch selbst den Behörden zu stellen. Vier Wochen, seitdem sich alles anders anfühlt, mit dem Wissen, dass du und die anderen nun da drin seid, nachdem über zwei Jahre jede noch so perfide Ermittlungsmaßnahme ins Leere lief. Wir bewundern eure selbstbestimmte und mutige Entscheidung diesen Weg einzuschlagen, ohne sichere Zugeständnisse, wo dieser Enden wird. Umso enger ist unsere Verbundenheit zu dir, denn es war sicher alles andere als Leicht, diesen Schritt zu gehen. Es ist für uns kaum vorstellbar, wie es sich in den ersten Stunden und Tagen für dich angefühlt haben muss, das Leben auf der Flucht gegen die Gefangenschaft zu tauschen. 

Desto glücklicher sind wir aber zu hören, dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Deine ersten Briefe haben uns erreicht und es tut gut zu wissen, dass selbst diese Umstände deinem ungebrochenen Optimismus nichts anhaben können. Hier draußen ist viel passiert in den vergangenen Wochen – zu viel, um es in diesem Grußwort zusammenzufassen. Trotzdem sollst du wissen, dass schon in den ersten Tagen fast jedem Teil Deutschlands Solidaritätsaktionen gab. Uns erreichen auch weiterhin jeden Tag Berichte über Demos, Knastkundgebungen, Veranstaltungen zum Verfahren und direkte Aktionen. Deine Freund*innen und Genoss*innen werden dir sicherlich in den Briefen ausführlich davon berichten. All das gibt uns Kraft weiterzumachen und ist hoffentlich auch dir ein Signal, dass wir hier draußen dich nicht alleine lassen. Denn trotz dieser großen Ungerechtigkeit liegt es nun an uns allen, das Beste aus der Situation zu machen, solidarische Strukturen auszubauen und euch bestmöglich zu unterstützen, bis ihr alle wieder bei uns seid. 

Insbesondere in Zeiten, in denen menschenfeindliche und rechte Diskurse wieder mehrheitsfähig sind und einen übergreifender rassistischer Grundkonsens salonfähig ist, muss  Repression wie im Budapest-Komplex, als auch alle anderen Machenschaften der Soko Linx, als politischer Angriff auf unsere Bewegung verstanden werden. Während der Rest der Gesellschaft sich im rechtskonservativen Taumel befindet, und selbst die bürgerlichen Parteien sich nicht davor scheuen mit der AfD zu paktieren, sind es einmal mehr wir Antifaschist*innen, die dieser Konjunktur entschlossen entgegentreten sollten. Dazu zählt auch, die inhaftierten Genoss*innen nicht alleinzulassen und sich vielfältig und kreativ zu organisieren. 

Wir danken deshalb allen, die heute hier sind, um Paul nicht allein zulassen. Es liegt nun an uns, ihn bestmöglich während seiner Haftzeit zu unterstützen! 

Paul, wir hoffen, dass du uns hören kannst: Wir senden dir herzlichste Grüße hinter die Knastmauern. Wir werden so lange wiederkommen, bis du wieder in Freiheit und an unserer Seite bist. Egal wie lange diese Odyssee andauert. Komme was wolle – wir stehen hinter dir. 

Freiheit für Paul! Freiheit für alle Antifas!

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