Außerparlamentarische Kritik an dem "Aufruf von außerparlamentarischen Linken zur Wahl"
Wir kritisieren den "Aufruf von außerparlamentarischen Linken zur Wahl". Und wir wollen Euch an unseren Gedanken teilhaben lassen. Wir rufen auch nicht zur Wahl der Partei der "Linken" auf, aber wir können die Teilnahme an der Wahl und die Abgabe seiner*ihrer Stimme nachvollziehen. Problematisch wird es für uns wie manche dies begründen. Die Brandmauer muß unter anderem zum Rassismus gezogen werden, und den bedienen eigentlich (fast) alle Parteien. Der offen faschistischen Partei AfD trotzdem den Spielraum auch in den Parlamenten durch eine Stimmabgabe für die am wenigsten schlimme Partei einzuengen ist eine Überlegeung wert. Daraus eine Identifikation mit der LINKEN zu machen halten wir für falsch. Wir sind außerparlamentarisch weil wir dieses Modell der Demokratie in Frage stellen und sich die Gründe dafür auch nicht geändert haben. Und weil die Anarchist*innen unter uns jede Herrschaftstform als grundsätzliches Problem sehen und nicht weil "außerparlamentarisch" nur eine unüberlegte Widerstandsform ist.
Einige (wahrscheinlich viele) von uns werden also die LINKE (oder die PARTEI) wählen, andere nicht. Wir sind und bleiben aber Anarchist*innen und können mit dem "Aufruf von außerparlamentarischen Linken zur Wahl" nichts anfangen außer ihn zu kritisieren.
Sorry, einige Aussagen im Aufruf sind eher ein Grund die Linken nicht zu wählen, würden wir nach dem Aufruf entscheiden. Zum Beispiel:
"Für eine absehbare Zukunft wird dann auch keine
rot-rot-grüne parlamentarische Alternative."
Was denn nun? Redet hier eine "Außerparlamentarische Linke"? Oder redet hier eine "Linke die auch außerhalb der Parteien aktiv ist", sich politisch auf die Partei beziehen und mit der Partei liebäugelt und sich was davon verspricht, wenn es eine "rot-rot-grüne parlamentarische Alternative" gäbe. Was für eine schreckliche Vorstellung. Das wäre jetzt schon ein Grund der LINKEN keine Stimme zu geben und wie immer ungültig zu wählen. Zum Glück ist das Fern der Realität.
Und wieso sollten die LINKEN an einer Regierung teilnehmen? Immer der gleiche Zirkus. Wie wär es einfach mal, konsequent mit jeder Regierungsvorstellung zu brechen und damit in der Opposition zu bleiben. Und damit der außerparlamentarischen Linken zuzuarbeiten, anstatt diese immer wieder aufzusaugen. Als hätte die Beteiligung der LINKEN an Regierungen nicht hinlänglich beweisen, das sich nix ändert. Hat sich in Bezug zu den Mieten was geändert als die LINKE mitregiert hat?
Der Aufruf als "außerparlamentarischen Linken" ist eine Vereinnahmung außerparlamentarischer Bewegungen um Leute zu erreichen, die diese sonst gar nicht mehr erreichen.
Noch so ein Scheißsatz:
"...sehr viele Projekte der
antifaschistischen und demokratischen Zivilgesellschaft werden von der Rosa Luxemburg Stiftung nicht mehr finanziert werden können."
Klar ist es vor allem in Regionen, wo die Faschos stark sind, noch ein Faktor, ob da Geld hinkommt. Klar wollen die Faschos auch Förderungen für gute Projekte stoppen. Aber Geld ist und war nicht alles. Denn zu anderen Zeiten hat solidarische Unterstützung von Linken in Faschoregionen auch funktioniert, weil es eine Bewegung gab, die selbst entschieden hat. Geld entmündigt auch und kann auch Strukturen versauen. Es macht träge und heute halten sich finanzierte Projekte für aktivistische Strukturen über die einige Aktivist*innen nur staunen können. Es gab Zeiten, da haben wir gekämpft und waren Solidarisch, ohne das irgendwer Geld bekam. Und dahin müssen wir wieder kommen. Widerstand ist unbezahlbar und notwendig.
Und so ist das ist eben auch nicht die ganze Wahrheit und völlig unkritisch. Das [Zitat] können nur Leute sagen, die schon lange nicht mehr gekämpft haben, oder gar nicht wissen was das ist. Und das können nur Leute sagen, die von der Stiftung profitiert haben. Als hätte die Rosa Luxemburg Stiftung nicht Leuten vor allem Jobs und Aufträge verschafft, die sich der Bewegungen bedienen. Und wie immer zählte Vitamin B wer Stellen bekam. Die Seilschaften sind vorhanden, helfen Akademiker*innen und geben keinen Raum für wirkliche außerparlamentarische Praxis. Dafür ist die Stiftung zu sehr auf die Partei ausgerichtet worden. Und zu experimentenfeindlich. Die Stiftung ist ein Jobmodell für Linke, die nicht mehr Bewegung sein wollen, die aber gerne für diese sprechen. Und die Rosa Luxemburg Stiftung hat Klientelpolitik betrieben und wirkliche außerparlamentarische Opposition ausgegrenzt. Das so unkritisch in die Welt zu pusten ist ärgerlich.
Es gibt Gründe (vielleicht) ausnahmsweise zu wählen und nicht das große Kreuz oder das "Anarcho-A"zu machen, wie die vielen Jahre zuvor. Einfach um den Rechten soviel Raum als möglich auf allen Ebenen zu nehmen. Mehr nicht. Sollte die LINKE mehr sein als ein parlamentarisches Gegengewicht sein zu wollen, dann müßte eine Erneuerung stattfinden. Ist die etwa in Sicht? Dann müßte sie den außerparlamentarischen Widerstand zu arbeiten und nicht umgekehrt immer wieder in deren Vereinahmung gehen. Dann distanziert man sich nicht von Rasiercreme auf Linders Gesicht und redet endlich mal Tacheles über die rechten Schweine, über den mörderischen Rassismus, über die verlogene Parteien rechts von ihr, über Armut, über Abtreibungsrechte, über Klima und verurteilt Hamas wie IDF gleichermassen...
Es gäbe noch mehr anzumerken.
Schlagen vor sich diese Begründungen [des Aufrufes] bei der Entscheidung die LINKEN zu wählen nicht zueigen zu machen. Es gibt kein Vertrauen in Parteien - das ist der Standpunkt einer außerparlamentarischen Linken. Sonst wäre sie ja nicht beabsichtigter Weise "außerparlamentarisch". Und es gibt Linke, die diese Haltung aufweichen, weil sie einfach von der Partei strukturell oder ganz materiell profitieren wollen. Oder weil sie nicht in außerparlentarischen Dimensionen denken.
Als "außerparlametarische Linke", als Anarchist*innen, die Parteien grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen, kann es trotzdem richtig sein, die LINKE zu wählen. Aber ohne sich davon etwas zu versprechen. Ohne Identifikation mit dem Parlamentarismus. Es geht um die Stärkung eines außerparlamentarischen Widerstandes, dessen Grundsätze völlig anders gelagert sind. Das wird auch nach der Wahl Schwerpunkt politischer Arbeit bleiben. Die wird ohne Geld und ohne Unterstützung von Rosa Luxemburg Stiftungen, der Linken und den Unterzeicher*innen auskommen müssen und weiter machen.
Wir sehen uns auf der Straße
Anna Chia
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Hier der kritisierte Aufruf:
Aufruf von außerparlamentarischen Linken zur Wahl der Partei DIE LINKE
am 23. Februar*
(Hier auch online:
https://geschichtevonuntenostwest.org/aufruf-von-ausserparlamentarischen-linken-zur-wahl-der-partei-die-linke-am-23-februar/)
Der Lobbyist des Großkapitals, Friedrich Merz, hat gezeigt, dass der
Erhalt der „Brandmauer“ zum Faschismus nichts als eine Frage der
politischen Nützlichkeit für ihn wie für die großen Mehrheiten aus CDU-
und FDP-Abgeordneten ist. Mit ihrem Abstimmungsverhalten am 29. und 31.
Januar haben sie deutlich gemacht, dass sie bei Bedarf auch mit
Faschist:innen zusammen arbeiten werden. Dennoch bieten sich Grüne- und
SPD-Spitzen schon heute als Juniorpartner:innen in einer Merz-Regierung
an, sind mit vielen Positionen selbst deutlich nach rechts gerückt und
verzichten auf jede Kritik daran, dass CDU/CSU offen politische
Positionen der AfD längst selbst übernommen haben. Dabei ist schon jetzt
klar, dass eine Koalition mit der Merz-Söder-Union nur um den Preis der
weiteren massiven Reduzierung links-grüner und
links-sozialdemokratischer Forderungen zugunsten des reaktionären
Unionsprogramms zu haben sein wird. Als Teil der rechten Offensive hetzt
das BSW in nationalistischer Manier gemeinsam mit der Rechten gegen die
Armen, gegen Bürgergeld-Empfänger:innen und Migrant:innen zugunsten der
Konkurrenzfähigkeit des „Standorts Deutschland“. Ihr Zusammengehen mit
der AfD bei der zweiten Bundestagsabstimmung am 31. Januar macht die
Wagenknecht-Partei für Antifaschist:innen nicht wählbar.
So kritisch wir die Linkspartei aus den unterschiedlichsten Gründen
sehen – nicht zuletzt wegen ihrer unerträglichen Kompromissbereitschaft,
wenn es ums Mitregieren ging – und sosehr wir manches an ihrem
Wahlprogramm kritisieren, welches zwischen emanzipatorischen Grundsätzen
und Formelkompromissen schwankt: Sie ist derzeit die einzige Partei, die
im Deutschen Bundestag die Themen von sozialer Gerechtigkeit,
Menschenrechten und Internationalismus im Verbund mit der ökologischen
Erneuerung unserer ökonomischen Lebensgrundlagen überhaupt vertritt.
Wird sie im Bundestag und damit in der medialen Öffentlichkeit nicht
mehr präsent sein, wird es keinen parlamentarischen Druck von links auf
SPD und Grüne mehr geben und keine Unterstützung für die Linken in
diesen Parteien. Für eine absehbare Zukunft wird dann auch keine
rot-rot-grüne parlamentarische Alternative zu einer reaktionären
Merz-Regierung existieren, gleich, ob sie grün, rosa oder gar blau
flankiert wird.
Namentlich für die gesellschaftliche Bewegungslinke und für die
demokratische, feministische und antifaschistische Zivilgesellschaft
würde die Nichtpräsenz der Linkspartei im Deutschen Bundestag eine
besonders schmerzliche Zäsur bedeuten, denn sehr viele Projekte der
antifaschistischen und demokratischen Zivilgesellschaft werden von der
Rosa Luxemburg Stiftung nicht mehr finanziert werden können. Angesichts
der Stärke der AfD auf kommunaler und Landesebene bedeutete das
besonders in Ostdeutschland eine dramatische Verschlechterung der
Bedingungen für die Arbeit zahlreicher linker Initiativen.
Wir, aus linken Bewegungen kommende Unterzeichner:innen, appellieren
darum an linke Grüne, linke Sozialdemokrat:innen, an
Gewerkschafter:innen, Kolleg:innen und Freund:innen aus den
verschiedensten betrieblichen und sozialen Initiativen, am 23. Februar
2025 die Partei Die Linke zu wählen. Lasst uns gemeinsam versuchen, die
einzige noch wählbare Partei mit mehr als 5 Prozent in den deutschen
Bundestag zu hieven!
Berlin, den 12. Februar 2025
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