Grußwort eines Untergetauchten an seinen inhaftierten Bruder
Grußwort eines Untergetauchten zur Kundgebung vor der JVA Leinestraße am 17. Februar um 19 Uhr
Liebe FreundInnen, Liebe GenossInnen,
Lieber Paul und wenn ihr auch hier sein solltet auch Liebe Mama und Lieber Papa!
Ich habe mich entschlossen, mich heute zu Wort zu melden, weil ich am heutigen Tage leider nicht bei euch sein kann, um mit euch gemeinsam unsere Solidarität mit meinem Bruder Paul zu zeigen. Ich kann nicht bei euch sein, weil ich mich weiter erfolgreich den Strafverfolgungsbehörden entziehe und anders als mein Bruder weiter untergetaucht bin.
Lieber Paul,
Ich hoffe, du kannst mich hören! Den ersten Teil dieses Grußwortes möchte ich dir widmen. Ich kann das Gefühl, während ich diese Zeilen verfasse, kaum in Worte fassen. Seit dem 20. Januar hat die Welt ein Stück weit aufgehört sich für mich zu drehen. Ich denke jeden Tag an dich und muss mit verschiedensten Emotionen, seid deinem Schritt dich selbst zu stellen, kämpfen. Eine unglaubliche Mischung aus Hass auf den deutschen Staat und die gesamte Gesellschaft, in der wir leben, dass Menschen wie du, die flammend für eine bessere Welt ohne Faschismus und Kapitalismus kämpfen, wahrscheinlich lange eingesperrt werden.
Dann diese Trauer, einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren zu haben und die Gewissheit, dass wir uns wahrscheinlich lange Jahre nicht mehr sehen werden, lässt mich mit einem Hauch von Gänsehaut zurück. Ich hoffe du kommst hinter diesen grauen Mauern, vor denen diese Kundgebung heute stattfindet, einigermaßen zu Recht und schaffst es, deine innere Flamme für den gemeinsamen Kampf, den wir führen, am Leben zu halten. Die nächsten Jahre werden bestimmt nicht einfach und trotzdem müssen wir uns von Tag zu Tag ins Gedächtnis rufen, dass wir beide niemals alleine sind. Da draußen sind so unglaublich viele Menschen, die es geschafft haben in den letzten Wochen Berge zu versetzen. Aus der Ferne zu beobachten, wie in den ersten Stunden nachdem ich von deinem Selbststeller erfahren habe, die ersten Raketen der Solidarität über verschiedenen Gefängnissen Deutschlands aufgestiegen sind und Hunderte GenossInnen bundesweit aktiv wurden, hat mich auch mit einem wärmenden Gefühl berührt. Danke an dieser Stelle auch an euch alle, die die Solidarität immer und immer wieder auf die Straße tragen.
Es ist bedeutend, dass wir als gesamte Bewegung einen Umgang mit der aktuellen Repression finden.
Wir dürfen niemals die unterschiedlichen Lebenssituationen, auch in denen wir uns als Familie befinden, gegeneinander ausspielen oder aufwiegen. Solange wir einen Kampf für eine befreite Gesellschaft und eine bessere Welt führen, werden wir von diesem Unrechtsstaat dafür verfolgt werden. Dabei kann die Illegalität eine zentrale Rolle spielen, um selbstbestimmt die Allmacht des deutschen Staates zu durchbrechen. Natürlich ist der Schritt des Stellens von 7 Untergetauchten ein gewisser Rückschlag für die weiter Untergetauchten. Aber ich habe tiefstes Verständnis für euren Schritt und hoffe, dass bei euch in absehbarer Zeit ein Licht am Ende des Tunnels erscheint. Dass du wieder in Freiheit sein wirst und dann wenigstens du mit unseren Eltern wieder vereint sein wirst.
Auch wenn aktuell vieles so scheint, als würden wir als gesellschaftliche Linke in Europa mit dem Rücken zur Wand stehen, dürfen wir niemals den Kopf hängen lassen. Nach jedem Rückschlag müssen wir wieder aufstehen. Lasst uns den Strafverfolgungsbehörden zeigen, dass sie, so viele sie auch von uns einsperren mögen, uns niemals kleinkriegen werden. Es ist schön zu sehen, dass trotz der unzähligen Schläge, die die Schweine der Soko in den letzten Jahren durchgeführt haben immer und immer wieder GenossInnen aufstehen und zurückschlagen. Und das dürfen wir auch niemals vergessen. Wir müssen darauf hinstreben, uns zu organisieren und zusammenzuschließen, um konkret wieder eine Perspektive auf eine befreite Gesellschaft zu schaffen. Wir sind immer noch eine kämpfende Bewegung. Egal ob an ostdeutschen Bahnhöfen gegen Nazis, egal ob in der Türkei/Kurdistan gegen den türkischen Faschismus und seine verbündeten islamistischen Horden oder im Dschungel auf den Philippinen oder in Südamerika. Unsere Zeit wird kommen! Eines Tages wird nicht nur, wie ihr richtig sagtet, die Geschichte uns freisprechen – Nein! Wir werden eines Tages auch über die, die uns aktuell verfolgen, richten!
Zuletzt möchte ich nochmal auf die besondere Situation unseres Genossen Zaid hinweisen, der aufgrund dessen, dass er keinen deutschen Pass besitzt, weiterhin konkret von einer Auslieferung nach Ungarn bedroht ist. Ich rufe euch dazu auf, auch gegen seine Auslieferung zu kämpfen und solange diese im Raum steht, alle menschenmöglichen Kapazitäten dafür freizumachen, um eine möglichst große zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit auf seinen Fall zu lenken und den Druck zu erhöhen, damit er freigelassen wird.
Egal ob in Haft, im Untergrund oder in der Legalität.
Illegal, legal, scheißegal.
Wir stehen zusammen und nun lasst uns gemeinsam anstimmen:
Alle zusammen gegen den Faschismus!
- Der untergetauchte Bruder des Antifaschisten Paul
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