Aufruf zu einer großen NACHT DER BARRIKADEN am 21. September in Paris
Schon viel Male wurden die Gilets Jaunes tot gesagt. Von den Medien, der Regierung, den Linken. Und unter uns, viele Linke sehnen nichts sehnlicher herbei als das Ende der Gelben Westen. Zu schwer zu greifen, zu schwer zu kategorisieren, zu diffus, zu widersprüchlich, aber vor allem sich jeglichem Versuch entziehend, kontrolliert und manipuliert zu werden. Auch von der traditionellen Linken.
Aber sie sind immer noch da. An jeden Wochenende. Mindestens. Seit bald einem Jahr. In den Ferienmonaten des Sommers war ihre Anzahl auf den Demos ziemlich zusammengeschrumpft, gab es sogar Wochenenden, an denen kein Tränengas durch die Innenstädte Frankreichs wehte. Aber nun sind sie wieder da. Werden wieder Woche für Woche mehr. Das letzte Wochenende sah stundenlange Krawalle in Nantes und das dürfte nur die Ouvertüre gewesen sein.
Für den 20. und 21. September wird in ganz Frankreich zu Aktionen gegen die „Klimakatastrophe“ mobilisiert, in Paris wird es eine riesige Demo geben. Seit Wochen sind die Beschäftigen des öffentlichen Gesundheitswesen auf den Straßen und auch immer wieder im Ausstand. Ihnen haben sich in den letzten Tagen weitere Berufsgruppen angeschlossen. Macron hat eine „Rentenreform“ angekündigt. Natürlich nach deutschem Vorbild, d.h. Teile der Altersvorsorge sollen privaten Zusatzversicherungen der Malocher anheimfallen. Die Gewerkschaften haben entschiedenen Widerstand angekündigt, bei den Pariser Verkehrsbetrieben kam es zu ersten breiten Arbeitsniederlegungen.
In dieser Situation gibt es am 21. September einen landesweiten Aktionstag der Gilets Jaunes in Paris. Angekündigt ist unter anderem ein Besuch der Champs Élysées, die nach zahlreichen Verwüstungen in den letzten Monaten an jedem Wochenende von starken Bullenkräften bewacht wurden. Es werden also etliche zehntausend Demonstranten durch Paris ziehen, teilweise wird auch zu einem Zusammenschluss der Proteste der Gilets Jaunes und der „Klimaschützer“ aufgerufen. Um das ganze nun noch etwas brisanter zu gestalten, als es eh schon ist, kursiert seit ein paar Tagen ein Aufruf zu einer „Nacht der Barrikaden“, dessen Übersetzung nun folgt.
Nacht der Barrikaden am 21. September in Paris
Wir, die Gilets Jaunes, sind viel zu nett. Wir werden als gewalttätig gebrandmarkt, sie versuchen uns zu stigmatisieren, uns als grausame, brutale, betrunkene Randalierer abzustempeln. Aber in Wahrheit sind wir einfach nett und naiv. Wir sind einfach offenherzig, wir sind so leicht zu beeinflussen. Wie sonst sollen wir unser von Gnade bestimmtes Verhalten am 1. Dezember 2018 erklären? An diesem Abend hatten wie die komplette Kontrolle über den Westen von Paris erlangt.
Wir hätten nacheinander den Ministerien Besuche abstatten und sie alle anzünden können. Die Macht war in Angst gefallen, die Polizei ballerte überall wild um sich, war aber ins Hintertreffen geraten. In dieser Nacht hätten wir viel weiter gehen und nehmen können, was uns zusteht.
Es gibt wohl unter uns wohl eine merkwürdige Nachsicht, eine Art Sanftmut, die dies vielleicht erklären kann. Wenn wir auf der Straße geblieben wären, hätten wir vielleicht gewonnen. Die Regierung wäre zurückgetreten. Sie alle wären feige geflohen, Bürokraten, die wie Äste im Wind zitterten und in anonymen Uber Limousinen versteckt geflohen wären. Wir hatten eine Art Straight Flash in der Hand. Aber wir sind nach Hause gegangen…
Wir, die Gilets Jaunes, haben das Terrain der Nacht noch nicht für uns entdeckt. Nun ist es höchste Zeit, dies zu ändern. Deshalb rufen wir für den 21. September zu einer großartigen ‘Nacht der Barrikaden’ auf. Warum willigen wir immer wieder darin ein, uns zu zerstreuen, wenn es 17, 18 Uhr wird. Lasst uns nun darauf warten, dass die Nacht hereinbricht, und kehren wir dann zurück, um zum Angriff überzugehen.
Wir haben keine andere Wahl. Seit dem 17. November ist zu viel Zeit vergangen, zu viel Wasser ist unter den Brücken hindurch geflossen. Die Bewegung der Gilets Jaunes ist zu einzigartig, so voller Wut und Begeisterung, um sie sterben zu sehen. Sie ist die einzige Flamme der Hoffnung.
Wir sind die Gilets Jaunes. Wir sind keine soziale Bewegung, sondern die Bevölkerung selbst im Kampf gegen die Regierung. Wir können nicht mehr auf den nächsten Tag warten, diesen ewigen ‘großen Abend’, der immer beim nächsten Mal stattfinden wird, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, diese Revolution, die immer noch bevorsteht. Nein, es geht um das Jetzt und nicht um das was Einmal kommen wird. Es ist weder die nächste Wirtschaftskrise, noch wann die Gewerkschaften sie haben wollen, und auch nicht in zehn oder zwanzig Jahren. Diese Art von Ideen sind Teil einer ‘Kultur der Niederlage’, während die Gilets Jaunes eine ‘Kultur des Sieges’ sind. “Die Gilets Jaunes werden triumphieren”, so stand es am 1. Dezember auf dem Arc de Trioumphe. Und so wird es werden.
Nein, die perfekten Bedingungen werden nie erfüllt. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, und es liegt an uns, den Ernstfall zu provozieren. Alle Komponenten für eine explosive neue soziale Jahreszeit sind vorhanden. Wir Gelben Westen müssen nur der Auslöser des Zorns sein. Wir sind die Vorhut, die anderen werden sich nach uns in die Bresche stürzen.
Zaubern wir den Funken in die Nacht! Mit unserer Hartnäckigkeit und Entschlossenheit, um jeden Preis im Freien zu sein, denn wir verbrachten den Winter auf einem Kreisverkehr, den wir mit Reifen- und Holzpalettenfeuern aufheizten. Lasst uns ein klares Signal an alle Aufständischen senden.
Tag und Nacht. Nacht und Tag. Lasst uns überall zuschlagen. Vom 21. an ist Paris Hongkong.
In dieser Gesellschaft existierst du nicht, wenn die Medien nicht über dich berichten. Die Medien mögen im Dienste der Herrschenden stehen und tragen zu Unsichtbarmachung unserer bei, aber sie gieren nach Sensationen. Es ist ihre Droge: Sie werden dieser Nacht der Gelben Westen nicht widerstehen können. Es scheint, dass diese Nacht uns plötzlich den Tag wieder genießbar machen könne.
Also glaubt nicht, dass es nur um Poesie gehe. Diese ‘Nacht der Barrikaden’ ist nicht nur taktisch wichtig, sie ist von tieferer strategischer Bedeutung. Eine geschichtliche Lektion: Am 10. Mai 1968 war die damalige Protestbewegung noch auf die Studenten und Oberschüler in den Großstädten beschränkt. Um 21:30 Uhr versammelten sich die Studenten im ‘Quartier Latin’ und errichteten Barrikaden. Sie hielten die Stellung bis 5:30 Uhr in der Früh. Diese ‘Nacht der Barrikaden’ war ein entscheidendes Ereignis bei der Verallgemeinerung des Aufstands. Innerhalb von zwei Tagen beteiligten sich Sektionen der Arbeiterklasse, die sich zuvor aus den Auseinandersetzungen heraus gehalten hatten, an dem allgemeinem wilden Tanz und am 13. Mai brach zu aller Überraschung ein wilder Generalstreik aus.
Die Nacht hat die Macht, die Wut zu verdichten, eine Raserei zu erzeugen, einen Drang nach Gerechtigkeit, den der Tag begraben würde. Sie fasziniert uns, sie beflügelt uns. ‘Eine Nacht der Barrikaden’ wird unser aller Wut freisetzen. Wenn der Abend hereinbricht, werden wir eine Pause einlegen. Werden wir Abstand zu den Eindrücken, den Gefühlen, die der Tag heraufbeschworen hat, gewinnen. Werden wir ein Bier oder einen Schluck Wein auf die Gesundheit der Revolution trinken. Und um 22 oder 23 Uhr werden wir massenhaft an Orten auftauchen, wo man uns nicht erwartet. Die Losungen werden von selbst zirkulieren, es wird ausreichen, ihnen zu folgen. Wir können Polizeistationen – oder Kasernen, wie die in der ‘la rue de l’Évangile’ im 18. Bezirk angreifen, wo man unsere Gefährten gefangen hält.
Wir werden uns unter die Partygänger im Zentrum von Paris mischen, um Chaos inmitten der überfüllten Straßen zu säen und das Konzept der Bullen zu unterlaufen. Wir können im 16. Bezirk mit seinen des Nächtens ausgestorbenen Alleen, seinen Villen auftauchen und angreifen, damit die Reichen nicht in Ruhe schlafen können und einen kleinen Adrenalinschub versetzt bekommen, wie in den guten Tagen des Dezembers 2018. Wir können die Champs Élysées um Mitternacht zurück übergeben, aber wir können sie ebenso ein zweites Mal verwüsten.
Es gibt viele Möglichkeiten. Wir werden in der Nacht über jeden dieser Punkte entscheiden, je nach Machtverhältnis und abhängig von den Ereignissen des Tages.
Erinnern wir uns, dass es nichts Schöneres gibt als ein Feuer in der Nacht. Es ist eine Botschaft, die alle Aufständischen weckt.
Wir werden triumphieren!