[B] Der Senat, die Medien und die Rigaer

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Die Liebig34 und die Rigaer94 sind räumungsbedroht. Parallel wird ein neuer Anlauf genommen medial und politisch das undifferenzierte Bild einer von der Rigaer Straße ausgehenden allumfassenden Bedrohung auszubauen. Eine real steigende Gefahr für alle, die nicht „linke Chaoten“ sind? Ein zeitlicher Zufall? Wir glauben nicht.

 

 

Die gerichtliche Verhandlung über die Räumungsklage der Liebig34 steht kurz bevor (15.11.2019), die Räumungsklage um die Kad(t)erschmiede in der Rigaer94 geht in Berufung und der Innensenat äußert den Wunsch das Haus kaufen zu lassen, um „Recht und Ordnung durchsetzen“ zu können. Die Befriedung des Kiezes ist schon seit langem Ziel des Berliner Senats. Aktuell scheint Geisel die Chance dazu zu wittern, dies eleganter als sein Vorgänger Henkel zu lösen.

Wie lässt sich der Weg zu gesellschaftlich getragenen oder sogar befürworteten Zwangsräumungen am besten ebnen? Klar, durch das Schüren von Ängsten und dem Aufbau eines Feindbildes. Hierfür existiert bereits das undifferenzierte Bild einer durch die Rigaer ausgehenden Gefahr für alle, was regelmäßig -und aktuell wieder- von Politik, Presse, Bullen und anderen Hetzern gefüttert wird. Es wird versuchtunsere unsere Kollektive zu diffamieren und unsere Kämpfe zu entpolitisieren. Dass hierfür beispielsweise Kriegsbilder bei Razzien der Rigaer94 generiert werden, ist bereits bekannte Masche. Auch den Einsatz von besonderen Ermittlungsgruppen (EG) kennen wir schon. Nun kommt dieses Konzept erneut mit der EG Nordkiez zum Einsatz, gerechtfertigt durch Stein- und Farbbeutelwurf auf Cops. Dass es eben jene Cops sind, die uns beinahe täglich schikanieren, bei Küfas Leute verprügeln, zur ED-Behandlung mit auf die Wache nehmen und durch ihre bloße Anwesenheit und Machtdemonstration provozieren und sexistisch gegen Aktivist*inne im Kiez agieren, wird kaum benannt. Gleichzeitig werden emotionalisierte Interviews von Bullen abgedruckt, die versuchen nach Empathie zu haschen. Wir empfinden dies als als eine krasse Fokussverschiebung. Denn der Versuch Emotionen von uns nachzuvollziehen, die täglich mit Gewaltmonopol und verschiedensten ‑ismen konfrontiert sind, denen ihre Existenz genommen werden soll, wird nicht unternommen. Durch die Entmenschlichung, Kriminalisierung und Meinungsmache von bzw. gegen uns, wird eine Situation geschaffen, in der sich Menschen von uns bedroht fühlen, die sich noch nicht mit uns beschäftigt haben und nicht wissen wofür wir politisch stehen. Zum anderen sehen sie die Erlösung von der Bedrohung durch die starke Hand des Rechtsstaates ermöglicht.

Wir hören und lesen täglich von "Terrorismus", von „No-go-areas“, in denen sich "Bürger und Journalisten nicht frei bewegen können", von „gewaltbereiten Chaoten“, die „den Rechtsstaat nicht tolerieren“ und „feindlich der „Demokratischen Grundordnung“ und „anderen Menschen gegenüber eingestellt“ sind. Ja, wir sind gewaltbereit, um uns gegen die Gewalt die das System uns und anderen antut zu wehren. Und ja, wir sind an einigen Stellen chaotischer als es uns lieb ist. Ja, wir wehren uns gegen Nazis, Politiker*innen und rechte Journalist*innen, die in den Kiez kommen, um weitere Hetze über einen Zusammenhang zu betreiben, den sie weder verstehen noch versuchen wirklich zu verstehen. Ja, wir stellen den „Rechtsstaat“ in Frage, denn er übt Herrschaft aus und setzt aktuell am Beispiel unseres Hauses exemplarisch Eigentums- gegen gesellschaftliche Interessen durch. Er ermöglicht uns keine wirkliche Demokratie -und Gerechtigkeit schon gar nicht. Nein, wir sind nicht gegen Menschen. Wir wollen eine radikale Veränderung der Gesellschaft und dies geht nur mit Menschen. Trotzdem ist es dafür unabdingbar Einstellungen, Verhalten und Positionen von Menschen mit verschiedensten Methoden infrage zu stellen und den vermeintlichen Herrschaftskonsens aufzukündigen. Hierfür halten wir unter anderem konfrontative Methoden für sinnvoll, welche sich gezielt gegen staatliche Institutionen, rechte Strukturen und Verantwortliche für gesellschaftlichen Rassismus und Sexismus richten, wobei versucht wird zu vermeiden, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden. Nein, wir haben leider noch nicht geschafft No-Go-Areas für Bullen, für Nazis und Macker zu schaffen. Aber wir werden weiter daran arbeiten, um einen Raum und einen Kiez zu schaffen, der einerseits saf(er) space für von Unterdrückung Betroffene ist und anderseits konfrontativ und rebellisch die Herrschaftsverhältnisse angreift.

Auch innerhalb mancher “linker“ Medien wird über uns diskutiert, dass wir es anscheinend für eine schlaue Idee hielten Farbbomben aus dem Haus zu werfen, um das Haus zu halten. Klar sind nicht alle Aktionen frei von Widersprüchen und über Strategien lässt sich streiten. Aber der Drang zu Handeln an sich ist logische Konsequenz bei Menschen, die sich noch wehren können und wollen. Wir denken nicht, dass wir uns anbiedern, die Füße still halten und uns die Präsenz von Bullen und deren Schikanen gefallen lassen sollten, weil wir räumungsbedroht sind. Außerdem zeichnet sich unser Aktionismus durch weit mehr aus als das Werfen von Farbbeuteln.Doch anstatt zu sehen was wir aufs Spiel setzen und sich mit uns zu solidarisieren, wird uns immer wieder vorgeworfen, wir seien doch selber Schuld wenn wir Schikanen und Repression erfahren und wenn wir geräumt werden sollten sowieso. Das sind Punkte an denen sich eine kritische Linke fragen sollte, wie internalisiert der Glaube an den Staat und wie tiefgreifend die Akzeptanz des Gewaltmonopols geht. Die Frage nach der Schuld ("Was war zuerst da: Der Angriff der Bullen oder der Angriff auf die Bullen?") würden wir so beantworten: Wären Bullen nicht da, würden keine Farbbomben auf sie fliegen.

Die Probleme in unserem Kiez können die Leute vor Ort zum größten Teil selber lösen, auch wenn dies am Dorfplatz, der sehr viele unterschiedliche Menschen anzieht, nicht immer einfach ist. Polizeipräsenz zeigt hier ganz offensichtlich, dass Probleme nicht gelöst, sondern Menschen mit wenig Privilegien oder Menschen, die sich nicht unterwerfen und anpassen wollen, schikaniert und kriminalisiert werden. Reale Gefahren gehen nicht von den Hausprojekten, sondern von unter anderem Polizeiwillkür und Verdrängung aus. Es ist uns wichtig dies an dieser Stelle richtig zu stellen.

 

 

 

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