Klimakampagne – von Gefangenen und allen Soligruppen der GG/BO
Derzeitig kämpfen viele Menschen gegen die Klimazerstörung. Ob im Hambacher Forst, bei Ende Gelände und auf den Demonstrationen von Fridays for Future – überall gehen Menschen auf die Straßen, teilweise in Massen und demonstrieren für die Zukunft unseres Planeten. Dabei entstehen Gruppen, Bündnisse und neue Diskussionspotentiale. Bei all dem im Fokus: die Regierung. Unser Planet geht vor die Hunde und den Aktivist*innen ist sehr wohl bewusst, dass die derzeitige Politik dafür verantwortlich ist. Ebenfalls werden antikapitalistische, antipatriarchale, antirassistische und antistaatliche Perspektiven innerhalb der Klimaschutzbewegung einbezogen. Unserer Meinung nach müssen diese aber noch stärker fokussiert und praktisch umgesetzt werden. Der nachfolgende Text, adressiert an alle Klimaaktivist*innen und diejenigen, welche die Klimazerstörung in ihre aktuellen Kämpfe einbinden wollen, soll dazu anregen. Außerdem ist er als Anlauf unserer Klimakampagne gedacht.
– über den weiteren Verlauf der Kampagne informieren wir euch auf https://ggboberlin.blackblogs.org/projekte/klimakampagne/ und https://ggbo.de/category/klimakampagne/ -
Regierungen sind für die Klimazerstörung verantwortlich. Unter anderem deswegen muss die logische Konsequenz sein, gegen den Staat zu kämpfen und sich eben nicht auf irgendeine Art und Weise auf ihn „einzulassen“ oder auf seine Zugeständnisse zu hoffen. Der Staat wird niemals im Interesse des Klimas, des Planeten, der Bevölkerung handeln. Er ist Verteidiger der kapitalistischen Logik und handelt deswegen auch ausschließlich im Interesse des Kapitals und damit der Kapitalist*innen. Merkel schwadroniert zwar ständig irgendetwas von „Kohleausstieg“, solange aber die Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie Profite einiger weniger eh schon Reichen garantiert, bleibt die sogenannte „Energiewende“ ein Lippenbekenntnis und die oben genannten Industrien erhalten.
Die Kapitalist*innen interessieren sich auch nicht dafür, ob es uns und dem Planeten gut geht – RWE, Daimler, VW, Vattenfall und all die anderen Konzerne handeln ausschließlich im Eigeninteresse, also der Anhäufung ihres Kapitals. Ihr Profit basiert auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Mehrheit der Menschen und der Natur.
Dass Unternehmen im Interesse des Profits handeln und dabei auch mit dem Staat zusammenarbeiten müssen, weil dieser eben Vollstrecker der kapitalistischen Logik ist, zeigt sich auch am Beispiel des Umgangs mit Aktivist*innen, welche für ihren Protest gegen die Klimazerstörung mit Strafen überzogen werden oder sogar in den Knast kommen. Repression als Mittel des Staates wird dementsprechend im Interesse von Kapitalist*innen eingesetzt, um Menschen, welche sich der Profitlogik widersetzen und zum Beispiel für den Erhalt des Planeten kämpfen, einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Menschen, die vor Krieg, Armut und den Folgen der Klimazerstörung nach Deutschland fliehen, werden auf ihrem Weg ermordet, sterben im Mittelmeer oder treffen auf menschenverachtende Gesetze, militärisch aufgerüstete Grenzen und Abschiebeknäste. Dies wird durch staatliches Handeln nicht nur hingenommen sondern aktiv forciert. Das klingt zunächst völlig irrsinnig, allerdings ist genau das die Logik von Staat und Kapital: enge Zusammenarbeit, um den Wohlstand einer Minderheit zu garantieren, die Mehrheit auszubeuten, zu unterdrücken oder, wenn sie der Regierung und dem Kapital gar nicht in den Kram passt, zu ermorden und Widerstand dagegen zu brechen.
Manchmal handelt der Staat aber auch nicht repressiv, sondern macht Zugeständnisse. Allerdings nicht, um die Forderungen der Aktivist*innen tatsächlich zu erfüllen, sondern, genauso wie bei der Repression, um die rebellierende Masse zum Schweigen zu bringen. Sobald der Staat also Zugeständnisse macht, kann mensch sich sicher sein, dass dieser sich auch bedroht fühlt. Die rebellierende Masse kann nämlich eine tatsächliche Gefahr für die Regierung und die Kapitalist*innen darstellen. Umso größer der zivile Ungehorsam wird, desto mächtiger wird die Masse gegenüber Staat und Kapital. Würden wir zum Beispiel alle Eigentum missachten und uns nehmen, was uns zusteht, würde das der Logik von Privateigentum total widersprechen, die Kapitalist*innen und somit auch den Staat bedrohen. Entweder wird die Regierung dann die Gewalt-Keule schwingen, Menschen verprügeln lassen und wegsperren, oder sie wird Zugeständnisse machen. So könnte die Regierung zum Beispiel die Energieversorgung durch Windkraft viel mehr ausbauen, auf Kohlestrom dahingegen verzichten. Von solch einem Zugeständnis dürfen wir uns aber nicht täuschen lassen! Der Ausbau von Windkraftanlagen dient in einem kapitalistischen System auch nur der Profitsteigerung. So ist RWE jetzt schon zweitgrößter Windkraftanlagen-Betreiber. Sollte der Konzern diesen Bereich noch mehr ausbauen, handelt er vielleicht klimafreundlicher, allerdings wird sich an der krassen Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter*innen und des Planeten nichts ändern! Die Reichen werden auch in diesem Fall reicher werden, die Armen ärmer. Während die einen weiter verschwenden, wird anderen der Strom abgedreht oder der Zugang zu Ressourcen erst gar nicht ermöglicht. Denn auch ein sog. „grüner Kapitalismus“ bleibt eben Kapitalismus, welcher nur durch Privateigentum, Repression, Diskriminierung, Ausbeutung von Menschen und den Kampf um knapper werdende Ressourcen funktioniert.
… und deswegen auch gegen Knäste!Es gibt also keinen „guten“ Kapitalismus. Dies zeigt sich auch am System Knast. Hier produzieren Gefangene genau für dieselben Scheiß-Unternehmen, welche auch draußen produzieren lassen und verantwortlich für die Klimazerstörung sind. So lässt sich zum Beispiel die gesamte Automobilindustrie in deutschen Knästen finden. Aber auch Unternehmen, welche angeblich „grün“ und damit klimafreundlicher wären, beuten Gefangene aus, so zum Beispiel auch Enercon, einer der größten Produzenten von Windernergieanlagen.
All diese Unternehmen und noch viele mehr lassen alle hinter Gittern unter den miesesten Arbeitsbedingungen, völlig sozialabgabefrei, für einen Hungerlohn und unter Arbeitszwang produzieren. So bekommen Gefangene nur 1-2 Euro die Stunde, sind nicht versichert, dürfen die Arbeit nicht verweigern und müssen oft auch noch unter Pensumsvorgaben ackern. Ausbeutung auf dem höchsten Niveau findet sich überall auf der Welt, auch in deutschen Knästen.
Das kann euch egal sein, denn Gefangene haben ja auch „böse Sachen“ gemacht und deswegen kann mit ihnen gemacht werden, was mensch will?
Die meisten Gefangenen sitzen wegen Wirtschafts- und Eigentumsdelikten – haben sich also der Logik des Kapitals widersetzt. Einige haben das aufgrund ihrer politischen Haltung gemacht. Die meisten allerdings sind keine politischen Aktivist*innen, sondern waren schon vor ihrer Haftzeit arm und sitzen dementsprechend wegen ihrer finanziellen Armut. Im Knast werden sie noch mehr ausgebeutet als draußen und dadurch noch ärmer und noch mehr unterdrückt. Wenn sie den Knast verlassen können, haben sie meist weniger in der Tasche als vor Haftantritt und obendrein keine Wohnung. Selbstverständlich ist dann beispielsweise der Diebstahl im Supermarkt bitter notwendig, um weiterhin zu überleben. Sind wir hier draußen und unser Planet im Kapitalismus gefangen, sind es die Gefangenen in den Knästen erst recht! Aus dem Teufelskreis der Armut kommen sie nicht raus, durch Knast verschlimmert er sich sogar. Aber auch für diejenigen, welche Taten begangenen haben, die moralisch absolut verwerflich sind, kann Knast keine Perspektive sein. Knast verschärft gesellschaftliche Konflikte, anstatt sie zu lösen. Alles, gegen was wir uns hier draußen versuchen zu wehren, erleben wir im Knast auch, nur in viel krasserer Form.
Der Kapitalismus spiegelt sich in der krassen Ausbeutung der Gefangenen wieder. Die Hierarchien innerhalb der Gesellschaft und die staatliche Autorität zeigen sich in den Machtpositionen der Justizbeamt*innen gegenüber den Gefangenen. Ebenso verhält es sich mit Diskriminierung und Unterdrückung: im Knast ist mehr als offensichtlich, wer in der Position der Herrschenden und Beherrschten ist und welche Konsequenzen für die jeweiligen Positionen folgen.
Innerhalb solcher Verhältnisse wird kein Mensch „besser“, ganz im Gegenteil. Viele Gefangene formulieren, dass sie „völlig kaputt“ aus dem Knast herauskommen, weil eben genau das der Knast mit ihnen macht.
Wenn wir also gegen all die unterdrückerischen, ausbeuterischen Verhältnisse und für den Planeten kämpfen wollen, müssen wir auch dem Kapital, dem Staat und den Knästen den Kampf ansagen! All die Kämpfe sind nicht losgelöst oder unabhängig voneinander zu begreifen. Der Staat und das Kapital sind Feinde der Klimaerhaltung. Knast ist eine Zwangsinstitution des Staates, welche die Unterdrückung und Ausbeutung mit am Laufen hält. Wie viele mehr würden zivilen Ungehorsam gegen die Klimazerstörung leisten, wenn die Repressionskeule nicht ständig mitschwingen würde? Wie viele mehr wären wir auf den Straßen?
Als Soligruppen der Gefangenen-Gewerkschaft/ Bundesweite Organisation (GG/BO) unterstützen wir Gefangene bei ihren Kämpfen gegen Knäste, Bedienstete und die Verhältnisse hinter Gittern.
Die ausgerufene Aktionswoche zum weltweiten Klimastreik vom 20. bis 27. September 2019 betrachten wir auch als einen Aufruf an uns und alle Gefangenen und werden die Woche ebenfalls nutzen, um das Thema „Anti-Knast“ in die schon laufenden Diskussionen über Klimaerhaltung, Anti-Kapitalismus und Staatsfeindlichkeit mit einfließen zu lassen.
Wir rufen alle Aktivist*innen draußen dazu auf, die Gefangenen nicht zu vergessen und sich solidarisch mit ihnen zu zeigen. Gefangene haben sich der kapitalistischen Logik widersetzt und werden dafür nun bestraft, aus der Gesellschaft ausgeschlossen und isoliert. Und auch wenn wir uns nicht mit allen Taten solidarisieren können: Knast ist niemals eine Perspektive! Es sind die Gefangenen, welche ebenfalls für klimazerstörende Konzerne ackern müssen und dabei massiv ausgebeutet werden! Den Unternehmen und Staatsorganen, welche verantwortlich für die Klimazerstörung sind, müssen wir offensiv etwas entgegensetzen: Gegenmacht und -gewalt, gemeinschaftliche Aktionen und Solidarität gegen Repression. In anderen Worten und in Bezug auf die Gelbwesten, aber auch passend in Bezug auf die Klimabewegung:
Lasst uns also rebellieren! Lasst uns streiken, für unsere Belange selbstbestimmt einstehen, Verantwortlichen der Klimazerstörung begegnen und ihre Infrastruktur blockieren. Für uns hier draußen, für die Gefangenen, für eine Welt, in der wir alle leben können – ohne Kapital, Staat und Knast! Dafür selbstbestimmt, solidarisch und kollektiv.
Weitere Infos folgen.