Kampagnenstart: AFD hetzt, Ampel schiebt ab - Die rechte Welle brechen!

Wir beobachten in den letzten Monaten eine gesamtgesellschaftliche Diskursverschiebung nach rechts: Migrant:innen unter ständigem Antisemitismus-Verdacht, brutales Vorgehen der Polizei auf Palästina-solidarischen Demos und bahnbrechende Wahlergebnisse der AfD. Dies geschieht nicht im luftleeren Raum, wie etwa in Form eines ungeahnten plötzlichen "Rechtsrucks". Vielmehr lässt sich diese Entwicklung seit geraumer Zeit beobachten.

 

Die aktuelle Krise ist gekennzeichnet von massivem Sozialabbbau, Inflation, Wohnraummmangel und imperialistischen Kriegen. Die massiven Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt 2024 werden auf dem Rücken der breiten Bevölkerung ausgetragen, in dem für nichts genug Geld ist, außer für militärische Aufrüstung. Rechte Kräfte versprechen hier einen wirtschaftlichen und sozialen Gewinn durch Hetze und Ausgrenzung gegen Menschen mit Migrationsgeschichte. Es werden Schwache gegen Schwächere gehetzt. Die AfD erkennt gesellschaftlich relevante Themen und instrumentalisiert diese für ihre rassistische Weltanschauung. So entstehe laut Wahlpogramm der AfD beispielsweise der Wohnraummangel durch Migration. Eine voranschreitende Privatisierung, profitierende Immobilienkonzerne und Mietspekulationen werden nicht thematisiert und eine Mietpreisbremse dementsprechend abgelehnt. Durch das Narrativ von Migration als Teilursache der Krise wird der lohnabhängigen Klasse vorgegaukelt ihr ökonomischer Abstieg sei Schuld der Migrant:innen. Die materielle Not der Menschen wird zum Kulturkampf verklärt.  Trotz dieses Tonus des gesellschaftlichen Rechtsrucks erschreckt das Ausmaß der "Correctiv-Recherche". Die gesellschaftliche Empörung über die Enthüllungen der Verstrickungen zwischen AfD,  Werteunion sowie CDU/CSU und konkreten Deportationsplänen war groß. Innerhalb weniger Wochen gingen bundesweit über eine Million Menschen auf die Straße. Eine notwendige Sensibilisierung für das Erstarken der Rechten und eine erhöhte Resonanz mit antifaschistischem Protest ist eine hilfreiche Folge. Aber die Teilnahme von angeblichen "Brandmauer-Poltiker:innen" entmutigten die Menschen, die sich seit Jahren der Entwicklung bewusst und diese konsequent bekämpfen. Denn die AfD redet von Deportation und wird dafür scharf verurteilt. Die Ampel-Regierung erlässt im gleichen Atemzug Rückführungsabkommen, während Scholz und Baerbock auf Anti-Afd-Demos posieren. Die Forderungen der AfD unterscheiden sich häufig nur in ihrer Härte und der Wortwahl von der Realpolitik, die aktuell gefahren wird. Das sogenannte "Rückführungverbesserungsabkommen" ist hierfür das naheliegendeste Beispiel. Kurz gesagt: weder die Ampel, noch die AfD handeln im Interesse der lohnabhängigen Klasse.  In diesem Klima der aktuellen Krisen verschieben also auch die sogenannten "Mitte" Parteien den Diskurs nach Rechts. Ein häufig vernommene Rechtfertigung für das Übernehmen von rechten Positionen sei, die Wähler:innen nicht an die AfD verlieren zu wollen sowie in schweren Regierungszeiten eben "Kompromisse" machen zu müssen. Tatsächlich werden rechte Ideolgien aktiv gesellschaftsfähig gemacht, denn eine kapitalistische Krise wird schnell zu einer Legitimationskrise agressiver neoliberaler Politik. Regierungsparteien kommen in einen berechtigten Erklärungszwang. Eine Verschiebung des Diskurses, weg von sozialen Widersprüchen hin zu Sündenbockmechanismen, kommt da gelegen. Der Rechtsruck muss im Kontext der Krisenpolitik der Regierenden selber sowie der reaktionären Bewältigung der breiten Bevölkerung mit den Krisenfolgen betrachtet und entsprechend behandelt werden. Wir beobachten, dass insbesondere die SPD und die Grünen sich der Protest-Bewegung anschließen. Dabei ist ganz klar, dass die bürgerlichen Parteien nicht einen ernsthaften Kampf gegen faschistische Kräfte und Rechtsruck unterstützen möchten und können. Durch die Beteiligung der Partei-Funktionär:innen wird eine symbolische "Brandmauer" gestützt, die in der Realpolitik nicht existiert.   Im Widerspruch zwischen der gleichzeitigen Positionierung der Ampel-Parteien als Demokratie-Kämpfer gegen Rassismus und dem Beschließen von neuen Abschiebe-Gesetzen, kommt die deutsche Staatsräson zum Tragen. So erlaubt die unabdingbare Solidarität mit Israel die Abgrenzung von "dem" Fachismus. So steht Israel im bürgerlichen Gebrauch als Synonym für das Vermächtnis verfolgter Jüd:innen. Denn der Faschismus als Teil der deutschen Vergangenheit wird als etwas begriffen, von dem sich der überlegene demokratische Werte-Westen klar absetzen könne. Dieses doppelzüngige Gerede von  deutscher Schuld  ist somit kein Resultat aus einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der daraus folgenden Verantwortungsübernahme. Diese Schuld ist vielmehr die Möglichkeit einer Legitimierung der eigenen westlichen Überlegenheit und Abgrenzung im Angesicht eines Rechtsrucks.Seine  moralische Überlegenheit benötigt der deutsche Staat, um sein imperialistisches Mitmischen in der ganzen Welt rechtfertigen zu können, sei es die Waffenlieferung nach Israel, in die Türkei oder Ukraine, der aktuelle Kriegseinsatz im Roten Meer oder vergangene Einsätze im Kongo oder Sudan. Die ausgemachten Feinde dieses westlichen "Fortschrittes", wie etwa Palästinser:innen, werden als kulturell  unterlegen dargestellt, denen es an westlicher Vernunft fehlt.Der bürgerliche Staat wird damit zu einem verklärt, der durch seine westliche Demokratie den Faschismus überwunden hat und jetzt gegen die Gegner dieser erreichten Freiheit kämpft.  Der bürgerliche Staat wird als Schutzgarant vor dem "bösen Ararber" dargestellt. Doch natürlich ist die Solidarität mit Israel kein Verhütungsmittel gegen Rechts. Der bürgerliche Staat handelt nicht aus moralischen Bedenken. Denn Moral ist für diesen ein Instrument der Realpolitik, zu welchem bei Gebrauch gegriffen werden kann. Ist der heutige Faschismus doch Kind der heutigen Verhältnisse, der bürgerliche Staat statt der Schutzgarant der Bevölkerung, der der herrschenden Klasse. Im bürgerlichen Staat können Ampel-Parteien also problemlos abschieben, unter dem Deckmantel der Demokratie und im Kampf gegen Rechts. Einmal das Tabu gebrochen, der Diskurs verschoben, können im Antlitz der Krise und dem folgenden Rechtsruck ungehemmt Abschiebegesetze beschlossen werden. Der bürgerliche Staat kann somit je nach Bedarf Migrant:innen abschieben und durch rassistische Stigmatisierung Überausbeutung rechtfertigen (wie z.B. in der aktuellen Debatte rund um Arbeitspflicht und 80-Cent-Jobs). Denn das Großkapital braucht immernoch billige Arbeitskräfte, die wird auch ein Martin Sellner nicht abschieben. Festzustellen ist, dass die Debatte rund um Palästinenser:innen nicht nur als eines von vielen Beispielen gilt, sondern unter diesen Bedingungen eine besondere Rolle in der Diskursverschiebung nach rechts einnimmt.  Abschließend wird deutlich, dass eine Protestwelle gegen Rechts sich niemals nur gegen die AfD wenden darf. Sonst wirkt sie schnell als bloßes Korrektiv der bürgerlichen Demokratie. Denn alle bürgerlichen Parteien, insbesondere die regierenden Parteien, dienen durch ihre menschenverachtende Sozial- und Innenpolitik der AfD als Steigbügelhalter. Doch trotz inhaltlicher Differenzen muss das Ziel sein, die Basis der liberalen Protest-Welle für einen langfristigen und konsequenten antifaschistischen Kampf zu gewinnen und gleichzeitig deutlich zu machen, dass unser Verständnis von Antifaschismus über Slogans wie "Alle zusammen für Demokratie und Vielfalt" hinausgeht. Denn es ist aktuell die bürgerlich-demokratische Klassengesellschaft und dessen kapitalistische Krise, die den Rechtsruck hervorbringt.  
 Der Kampf gegen die AfD und andere reaktionäre Parteien von Ampel bis CDU muss an diesem Punkt intensiviert und der Nährboden für den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck entlarvt und angegriffen werden – der bürgerliche Staat.

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen