Exarchia/Athen: Syriza-Truppen erobern einen Berg

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Lofos Strefi

Gleich dem letzten Sommer hat die Polizei der griechischen Hauptstadt ein Veranstaltungsverbot für den Lofos Strefi in Exarchia erlassen und auch in den letzten Wochen durchgesetzt. Der Berg wird seid Jahren an Wochenenden als Ort für Solipartys und andere Events genutzt. Über die Gründe für dieses Verbot wird spekuliert, sicherlich fühlt sich die gehobene Mittelschicht, die direkt an dem Berg wohnt, von dem Lärm gestört und die Regierung möchte es ihrer Klientel Recht machen.

Allen Umfragen zu Folge wird Syriza am nächsten Sonntag abgewählt und dem Minister für öffentliche Ordnung mag es nach vier Jahren dauernder Angriffe schlau erscheinen, den Belagerungsring um das Viertel zu verstäreken. Der vom prognostizierten Wahlsieger Nea Dimokratia betriebene Diskurs der anarchistischen Gefahr, hat den Konflikt um dieses Territorium verschärft, der Kampf um den Strefi ist vielleicht auch ein Kampf um Wähler*innenstimmen.

 

Das Gebiet von Exarchia wird momentan von unterschiedlichsten Fraktionen beansprucht. Vor einigen Tagen besuchte der rechte Abgeordnete Constantine Bogdanos (ND), die Polizeistation von Exarchia um über Facebook seine Solidarität mit dem schweren Job der dortigen Folterknechte zu bekunden. Eines der wenigen Wahlkampfthemen, die polarisieren, ist die Abschaffung des Asyls auf Universitätsgeländen. Der Kandidat Mitsotakis (ND) hat dessen Abschaffung als erste Amtshandlung angekündigt. https://www.tanea.gr/2019/06/26/english-edition/open-letter-from-academics-former-education-ministers-calls-for-end-of-university-asylum/

Das Viertel wird ebenso von mehreren Mafiastrukturen beansprucht um Drogen, Alkohol und Zerstreuung zu verticken. Eine Versammlung, die beansprucht, die Interessen von Anwohner*innen zu vertreten, hat inzwischen den Navarino Park mit einem Zaun abgeschlossen, weil sie sich mit dem Charme eines Knasthofs mehr Sicherheit erhoffen. Der militante Arm einer anderen Nachbarschaftsversammlung hatte für den 27. Juni zu einer Anti-Mafia Demo im Kiez aufgerufen, 300 Leute waren diesem Call gefolgt https://athens.indymedia.org/post/1598840/ . Zweifelhaft ist die Definition von “antisozialem Verhalten” durch diese Gruppen, die sowohl die Polizei der Kumpanei mit der Mafia bezichtigen, aber auch Angriffe auf die Bullen verurteilen.

Für Freitagnacht, 28. Juni hatte der Anarchist hangout of philosophy, also Studierende, zu einer Soliparty auf dem Lofos Strefi aufgerufen https://steki-fls.espivblogs.net/2019/06/27/anakoinosi-schetika-me-ton-lofo-toy-strefi-kai-to-parti-stis-28-6/ , und in Erwartung des polizeilichen Verbots, eine offene Versammlung mit der Nachbarschaft auf dem Basketballplatz am Rand des Bergs, sowie dessen Verteidigung, mobilisiert. Gegen Mittag wurde der Strefi von zwei Zügen MAT besetzt, jedes Betreten verboten und damit beide Veranstaltungen verhindert.

Die Studigruppe mobilisierte nun für 20 Uhr zur Platia Exarchia um eine Demonstration gegen diese Besatzungspolitik aufzunehmen. Der Platz läd gegenwärtig nicht zum Verweilen ein, vor der skurilen Kulisse von diversen Dealergangs, Streitereien zwischen einigen verlorenen Gestalten, Tourigruppen, die andächtig die Reste eines am Vorabend von der “Nachbarschaftsdemo” verbrannten “Dealer-Motorrads” bewundern und den eisigen Blicken der selbsternannten Kiezschützer in ihren Kafenios, versammelten sich ungefähr 70 Menschen. Die geringe Teilnahme rührt unter anderem aus einer zeitgleichen und länger geplantenDemo gegen Gentrifizierung in Kypseli her.

Dann ging es los Richtung Lofos Strefi, wobei die inzwischen vermummte Menge zumindest von einigen Nachbar*innen mit Wohlwollen betrachtet wurde, denn diese lieferten Hinweise auf Stellungen und Bewegungen der Bullen.

Scheinbar hatten MAT keine Aufklärer, denn sie wurden überrumpelt als kleine Teams die Treppen zum Berg erklommen, eines ihrer zivilen Fahrzeuge wurde als erstes getroffen. Aber von der höheren Position ließ es sich für die Bullen leicht verteidigen und inzwischen marschierte ihre Verstärkung heran, wie sie es immer tun. Bestimmt nicht in der Absicht sich hier beliebt zu machen, warfen sie Gas und Flash-Bang zwischen die Häuser. An der Ecke Kallidromiou / Benaki blieb ihr Vormarsch zwischen Barrikaden, in einem Schauer von Molotovs und Steinen stecken https://athens.indymedia.org/post/1598822/ , auch die berüchtigten Seenot-Rakten kamen zum Einsatz.

Aus den teuren Restaurants und Bars flüchteten panisch Tourist*innen und Andere, die es sich leisten können, Chemikalien wehten unterschiedslos durch die Fenster von Hotels und AirBnB Wohnungen. Ob durch diesen Einsatz Syriza eine einzige Stimme mehr am Sonntag bekommen wird, ist zweifelhaft. Später verlagerten sich die Auseinandersetzungen wieder zum Polytechnio.

So haben fast alle was von diesem Abend gehabt. MAT hat bewiesen, dass sie einen Berg verteidigen können. Den rebellischen Strukturen ist es gelungen, den Konflikt auszuweiten und nicht alles hinzunehmen. Syriza hat erneut Opportunismus bewiesen und die Presse durfte die üblichen Verdrehungen schreiben, nämlich dass es eine Molotof Party auf dem Berg gegeben habe. https://www.tanea.gr/2019/06/29/greece/astynomika/parti-me-molotof-kata-astynomikon-ston-lofo-tou-strefi/

Vermutlich werden auch die Investoren von der militanten Propaganda profitieren, wie dieser widerwärtige Artikel im Independant zeigt. https://www.independent.co.uk/travel/europe/exarcheia-athens-riots-bars-galleries-restaurants-things-to-do-hipster-greece-a8307631.html

 

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