Aufruf: Tu mal wat Aktionstage 26. - 29. September 2019

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10 Jahre Betongoldboom, 15 Jahre Privatisierung der städtischen Wohnungen, 20 Jahre Stopp beim sozialen Wohnungsbau, 29 Jahre Berliner Linie. Auf der Seite der Mieter*innen heißt das: Eine Dekade mit jährlich zweistelligen Mietsteigerungen. Die Wohnqualität sinkt, der Anteil unseres Lohns, den wir für Mieten abgeben, steigt. Doch die Belastung ist nicht nur finanziell. Verdrängung schafft bei vielen Angst und schränkt das Sozialleben ein.

Während sich Berlin zunehmend in eine glattgeschliffene Betonwüste verwandelt, hecheln die ärmeren Bevölkerungsteile im Dauerstress von Job zu Job, um Renditeerwartungen zu erfüllen, die nicht ohne Grund von vornherein über dem Wert liegen, den mensch sich leisten kann. Denn die Verdrängung hat System: Wer die Renditeerwatung nicht erfüllen kann, soll gehen: Raus aus der Wohnung, raus aus dem Laden, raus aus dem Kiez, raus aus der Stadt. Im schlimmsten Fall heißt es: Raus aus sicheren Wohnverhältnissen. Das System hat einen Namen: Kapitalismus. Das Recht auf Eigentum an Grund und Boden ist in Berlin zum entscheidenden Faktor dafür geworden, ob mensch sich diese Stadt leisten kann.

Dazu tragen nicht allein die Investoren bei, die fett abkassieren, sondern auch die staatlichen Behörden: Die Polizei, die räumt – das Gericht, was die Räumungsklage fällt – die Abgeordneten, die mit immer neuen Ideen kommen, um den Markt zu reglementieren und bei Räumungen jede Verantwortung von sich weisen.

Doch finden wir zwischen Malls, Luxusbauten und reglementiertem öffentlichen Raum auch noch widerständige Momente und Orte. Entlang der Frage von Eigentumsverhältnissen wehren sich einzelne Mieter*innen, Gruppen und Bewohner*innen ganzer Häuserblöcke, kleine Gewerbetreibende und soziale Zentren. Sie weigern sich nicht allein ihre Wohnungen, Häuser oder Läden zu verlassen, sondern kämpfen auch für eine Stadt von Unten, in der alle Menschen nicht nur Zugang zu Wohnraum haben, sondern ihre Stadt zusammen gestalten können.

Einige dieser widerständigen Momente waren die Besetzungen im Frühjahr und Herbst letzten Jahres. Die materiellen Erfolge sind vorerst bescheiden. Es blieb nur etwas Wohnraum in der Großbeerenstr. 17a. Doch ist die Frage nach der Legitimität und Notwendigkeit von Besetzungen wieder in den politischen Diskurs gerückt. Mehr als die Hälfte der Berliner*innen finden Besetzungen und Enteignungen legitim. Tausende gingen dieses Jahr wieder auf die Straße, um sich zu widersetzen, und der Zusammenhalt in der Bevölkerung wächst. Gleichwohl kann dies nur ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen sein.

Deswegen will ein Bündnis verschiedener Gruppen vom 26. bis 29. September mit den „Tu mal wat Aktionstagen“ die wohnungspolitischen Kämpfe weiter zuspitzen. Aktionstage bieten sich an, um öffentlich beworbene Veranstaltungen wie Diskussionsrunden, Workshops, Filmabende und Solipartys mit handfester Praxis zu kombinieren. Thematisch geht es um die Enteignung, die Aneignung, das Sich-Widersetzten und den Erhalt von Räumen und Orten, in Theorie und Praxis.

Besetzungen können dabei ganz verschiedene Formen annehmen: Es gibt stille Besetzungen, die nicht öffentlich gemacht werden, und „laute“, öffentliche Besetzungen. In privatem oder öffentlichem Raum. In Leerstand oder Luxusbauten. Mensch kann öffentlichen Raum für ein paar Stunden nutzen oder eine Wohnung gegen die anstehende Zwangsräumung verbarrikadieren. Räume neu besetzen oder sich nicht rauswerfen lassen, wenn mensch den Schlüssel abgeben soll. Ein Ziel der Aktionstage ist es, diese Vielfalt von Aktionsformen sichtbar zu machen.

Dafür ist auch eine Rückbesinnung auf die bestehende Vielfalt und die Einbindung ehemaliger und fortwährender Besetzungen notwendig. Zentral sind hier die Kämpfe bestehender Projekte in Berlin, wie der Liebig34, der Potse, des Syndikats, der Meuterei und der Rigaer94, die Verhinderung der angedrohten Räumungen und die Neubesetzung anderer Räumlichkeiten.

Besetzungen sind für uns keine symbolische Spaßaktionen, sondern eine notwendige Widerstandspraxis. Dass Besetzen eine wirkungsvolle Aktionsform darstellt, lehrt uns nicht nur die Vergangenheit der 80er und 90er und die daraus entstandenen Projekte und Bewegungen, sondern auch der aktuell ausdauernde Widerstand im Hambacher Forst. Besetzungen schaffen innerhalb der kapitalistisch organisierten Stadt Räume, in denen es möglich ist, mit der Idee von kollektivem und gemeinschaftlichem Wohnen der zunehmenden Vereinzelung von Menschen entgegenzuwirken und stattdessen solidarische Strukturen aufzubauen und zu stärken.

Widersetzt euch: Besetzt vom 26. bis 29. September Häuser, Wohnungen, Büros und öffentlichen Raum. Kämpft für den Erhalt bedrohter Projekte und für eine lebenswerte Stadt. Wir wollen uns diese Stadt praktisch aneignen. Dafür seid ihr alle gefragt.

Uns gehört die Stadt!

#besetzen
Hausprojektgruppe Großbeerenstr. 17a
Rigaer94
Liebig34
Meuterei
Potse


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