Auswertung der Aktionen am 1. Mai 2019 in Duisburg und Stellungnahme zu unserer Entscheidung: „Warum haben wir nicht an der Abschlussdemo von RiseUp

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+++Mehrere Tausend auf der Straße gegen Nazis+++Dynamischer DSSQ Finger+++Viele Blockadeversuche+++Polizei kesselt mehrere Hundert Antifaschist*innen+++Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz+++Israelfahnen bei den Protesten+++

Am 1. Mai diesen Jahres hat die Neonazipartei „Die Rechte“ zu einer Demonstration in Duisburg von Wanheimerort nach Hochfeld aufgerufen. Diesem Aufruf folgten etwa 250 Neonazis. Zuvor demonstrierten sie am 20. April in Wuppertal mit etwa 110 Menschen. Bereits einige Monate vor dem 1. Mai gab die Partei bekannt, dass sie eine Ortsgruppe in Duisburg gegründet hat. Die Gegenproteste am 1. Mai wurden von einem sehr breiten antirassistischen und antifaschistischen Spektrum vorbereitet und waren an dem Tag selbst sehr vielfältig. So hatte das Bündnis „Duispunkt + Wir“ zu einer Kulturveranstaltung in Hochfeld mobilisiert. Der Aufruf wurde überwiegend von bürgerlichen Organisationen und Parteien unterstützt und diesem folgten mehrere hundert Menschen. Parallel dazu haben zwei Bündnisse, DSSQ (Duisburg stellt sich quer) und RiseUp (Duisburger Jugendbündnis gegen Rechts), zu Blockaden aufgerufen und insgesamt für drei Finger mobilisiert. Das RiseUp Bündnis mobilisierte regional und dem Aufruf folgten laut eigenen Angaben 1000 AntifaschistInnen. Der zentrale Treffpunkt des Bündnisses war der Duisburger HBF. Sie wurden von Anfang an mit einem massiven Polizeiaufgebot empfangen und eingekesselt. Zudem haben die AntifaschistInnen kontinuierlich Polizeigewalt erlebt. Der Handlungsspielraum für diesen Finger wurde für den Rest des Tages durch einen Polizeikessel extrem eingeschränkt nahezu handlungsunfähig gemacht. Einen weiteren Finger haben Gruppen aus dem Rheinland gebildet, mit dem wir bisher noch keine Rücksprache gehalten haben.

Das Bündnis DSSQ – Duisburg stellt sich quer – hingegen mobilisierte direkt nach Wanheimerort zu der Fischerstraße Ecke Düsseldorfer Straße, welche sich nur 30m entfernt von dem Treffpunkt der Rechten befand. Die Anreise zum Treffpunkt erfolgte in Kleingruppen, sodass die AntifaschistInnen ohne jegliche Probleme anreisen und sich direkt in unmittelbarer Nähe der Nazi-Route an einer angemeldeten Kundgebung versammeln konnten. Hier versammelten sich anfangs etwa 250 AntifaschistInnen. Als AG Antifaschismus [RLD] haben wir in beiden Blockadebündnissen mitgewirkt und den praktischen Schwerpunkt am Tag selbst auf den DSSQ-Finger gelegt.

Blockadeversuche und Aktionen des DSSQ

Der DSSQ-Finger zog um ca. 13:30 mit 250 Antifaschist*innen in Richtung der Nazi-Route los und wuchs bereits nach wenigen Minuten auf über 400 Menschen an. Offensichtlich haben die Polizeikräfte nicht damit gerechnet und waren sehr überrascht. Den Überraschungsmoment nutzte der Finger zu seinem Vorteil und der erste Blockadeversuch wurde nach wenigen Minuten unternommen. Einzelnen AntifaschistInnen ist es gelungen, auf die Rheintörchenstraße (Nazi-Demo-Route) zu kommen. Jedoch war der Finger zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammengewachsen, sodass viele nicht mitbekommen haben, dass eine frühe Blockade auf der Rheintörchenstraße fast gelungen wäre. Danach zog der Finger aber entschlossen und dynamisch durch die Straßen und unternahm insgesamt vier weitere Blockadeversuche. Die Polizeikräfte waren nach dem ersten Blockadeversuch besser vorbereitet und nutzten die engen Gassen und Straßen für sich taktisch gut. Oft wurden die Straßen mit Polizeiwannen abgesperrt, sodass rein physisch ein Durchbrechen auf die Route nicht möglich war. Dennoch ist es uns gelungen, dauerhaft auf Hör-/ und Sichtweite der Nazis zu sein und konsequent zu stören, was wir als einen kleinen Teilerfolg zählen. Es gab einige Verletzte, aber insgesamt ist es uns gelungen, uns unmittelbar am Ort des Geschehens aufzuhalten und dabei den Tag ohne Kessel und Festnahmen zu beenden. Außerdem haben am Rande kleine spontane Aktionen stattgefunden, wie z.B., dass AntifaschistInnen aus dem Finger heraus Wahlplakate von der NPD abgehangen hatten, die wir sehr begrüßt haben. Der Tag endete letztendlich damit, dass die Nazi-Demo unter einem massiven Polizeiaufgebot durchgesetzt und die ursprüngliche Nazi-Route aufgrund unserer Aktivitäten stark verkürzt werden musste. 

Revolutionäre 1. Mai Demonstration konnte nicht stattfinden

Um den 1. Mai nicht ausschließlich damit zu verbringen, Nazis zu blockieren, hatten wir vor, eine revolutionäre 1. Mai Demonstration unter dem Motto „In die revolutionäre Offensive“ durchzuführen. Aufgrund der Verzögerungen der Nazi-Demo (die dort endete, wo unsere beginnen sollte) und den Polizeiabsperrungen ist es uns nicht gelungen, rechtzeitig am Mobilisierungsort zu erscheinen. In Absprache mit dem RiseUp Bündnis hatten wir vor, unsere Demonstration wie bei einem Sternenmarsch dort enden zu lassen, wo ihre beginnt und uns anzuschließen. Aber warum haben wir letztendlich nicht an der Abschlussdemo von RiseUp teilgenommen?

Eine Israel-Fahne hat nichts auf antifaschistischen Veranstaltungen zu suchen

Eigentlich gab es eine Bündnisabsprache, nach der das Tragen von Nationalfahnen auf der 1. Mai Abschlussdemonstration von Hochfeld bis zum Hauptbahnhof untersagt werden sollte. Als wir bei der Startkundgebung bezüglich einer Israel-Fahne die Einhaltung der Absprache bei der Demoleitung einforderten, wollte diese von den Vorgesprächen nichts mehr wissen. Zuvor wurde bereits in einer Rede undifferenziert Kritiker des Staates Israels und seiner Politik als Antisemiten beschimpft. In Folge dessen sahen wir und viele Andere von einer Teilnahme an der Demonstration ab, denn eine Israelfahne hat für uns auf einer linken und antifaschistischen Aktion nichts zu suchen. Erst im letzten Jahr hat das israelische Parlament das sog. Nationalitätsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz legitimiert nun juristisch die bereits lange zuvor gepflegte Praxis: Die Ungleichbehandlung der israelischen StaatsbürgerInnen und die rassistische Diskriminierung der in Israel lebenden PalästinenserInnen. Hinzu kommt die Besatzungspolitik im Westjordanland mit seinem illegalen Siedlungsbau, oder die Blockadepolitik gegen die Menschen im Gazastreifen, die einem antirassistischen und antimilitaristischen Denken widersprechen. Ebenso spricht die Politik gegen afrikanische Flüchtlinge in Israel gegen alles wofür die antifaschistische Bewegung sich einzusetzen hat. Es ist kein Zufall, dass die Neue Rechte gleichzeitig antisemitisch und Israel-“solidarisch“ ist und die israelische Regierung beste Verbindungen etwa zu Victor Orban oder Donald Trump unterhält. Dass Nazis wie „die Rechte“ ihren Antisemitismus heute als Antizionismus zu tarnen wissen, rechtfertigt nicht das Schwenken der Israelflagge zu Provokationszwecken. Dies entspricht einer falschen Logik, nach der der Feind meines Feindes, mein Freund sei. Dem gerade in Deutschland notwendigen Kampf gegen Antisemitismus ist nicht geholfen mit einer Verbrüderung des Staates Israels, der linke Jüdinnen und Juden im eigenen Land als Staatsfeinde verfolgt, weil diese sich gegen die Zwangsharmonisierung der zionistischen Ideologie wehren. 

Zusammenfassung und Ausblick

Wir können heute nicht auf einen erfolgreichen 1. Mai hinsichtlich der monatelang im Voraus geplanten Blockadeversuche zurück blicken. Obwohl einige tausend AntifaschistInnen – darunter viele entschlossene – in Duisburg auf der Straße waren, ist keine Blockade gelungen. Das lag zum Teil daran, dass die organisierten Kräfte nicht entschlossen genug waren und zum anderen daran, dass die Koordinierung der organisierten Kräfte nicht gut gelaufen war. Viele Gruppen waren aufgrund dessen handlungsunfähig, wie mehrere hundert AntifaschistInnen aus dem RiseUp Spektrum. Allein die Mobilisierung dieser als Erfolg zu feiern halten wir für zu wenig. Nichts desto trotz gab es einige positive Erfahrungen auf die wir jetzt aufbauen können. Zu diesen zählt unter anderem die solidarische Zusammenarbeit zwischen den drei Duisburger Bündnissen. 

Wir stehen als AG Antifaschismus [RLD] konsequent für antifaschistische Inhalte und Praxis. Das bedeutet, dass wir für einen antikapitalistischen Antifaschismus stehen, daher auch die differenzierte Kritik hinsichtlich Nationalfahnen auf antifaschistischen Protesten. Wir treten aus dem RiseUp – Jugendbündnis gegen Rechts offiziell aus aber wir werden weiterhin den Kontakt aufrecht erhalten und die solidarische Zusammenarbeit hinsichtlich der Anti-Nazi-Arbeit weiterführen. Die Entwicklung antifaschistischer Inhalte und Entfaltung der antifaschistischen Praxis in Duisburg und Umgebung steht uns als eine anspruchsvolle Aufgabe bevor, die wir gerne annehmen.

In diesem Sinne: In die antifaschistische und revolutionäre Offensive!

AG Antifaschismus [RLD]
Mai 2019

https://antifaschistischeaktionduisburg.wordpress.com/2019/05/13/auswert...

 

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