Die gelbe Weste und Wir

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Die Gelbwesten-Bewegung: Vorbild oder schlechtes Beispiel? Einige umherschweifende Gelbwesten aus Frankfurt haben uns ein Papier eingesandt, in dem Sie ein Plädoyer für einen Antifaschismus ergreifen, der die soziale Frage zum Ausgang nimmt und althergebrachte Antifa-Konzepte kritisch hinterfragt.

 

In ganz Frankreich kracht und knallt es: Streiks, Blockaden, Demonstrationen und Riots bestimmen die französische Politiklandschaft. Das Gespenst der Gilet Jaunes, der Gelbwesten, spukt seit Wochen durch die internationalen Medien und politischen Diskurse. Und das aus gutem Grund: Die Kontinuität der Kämpfe, ihre inhaltlichen Ausformungen und die Stärke linksradikaler Kräfte innerhalb dieser Kämpfe hatten in den letzten Monaten zur Folge, dass sich aus einem Protest gegen eine Steuerreform eine Revolte gegen die Regierung Macron entwickelt hat. Bisher stellt sich die Bewegung als unregierbar heraus und all die altbekannten politischen Rezepte versagen. Denn die aktuelle Revolte ist Ausdruck einer tiefen Krise der politischen und mittlerweile auch gewerkschaftlichen Tradition.

Die Frage der Organisation der Bewegung wird sich den Aufständischen in jedem Fall stellen, ob sie das nun wollen oder nicht. Dass dabei alle progressiven Menschen in der Planung und Gestaltung mitzureden haben – oder die Organisierung zentral mitgestalten – bleibt zu hoffen. Die Genoss*innen in Frankreich haben schon jetzt alle Hände voll zu tun; und das nicht „nur“ mit der Organisation der sozialen Kämpfe gegen Staat und Kapital. Denn es ist wie bei jeder Revolte: Immer dann, wenn ein Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ins Wanken gerät, versuchen alle politischen Fraktionen Kapital daraus zu schlagen. Seien es Kommunist*innen, Bürgerliche oder eben auch Faschisten.

 

Vehemenz und Subversion

Ja, es waren und sind unter den Gelbwesten auch Rechte und Faschisten. Wie könnten sie es auch nicht sein? Schließlich wurde hier nicht von organisierten politischen Kräften eine Demo geplant, sondern es haben hunderttausende Menschen entschieden, die Verhältnisse so wie sie sind, nicht mehr zu hinzunehmen. Diese anhaltende Revolte verweist auf etwas, das wichtiger und entscheidender ist als der Blick darauf, ob Rechte auf den Zug aufspringen. Sie hat mit Vehemenz die soziale Ungerechtigkeit wieder erlebbar gemacht – und einen Willen, diese nicht weiter hinzunehmen. Sie hat die Erinnerung an eine selbstbestimmte und kämpfende Subjektivität, an Praxen und Organisationsformen, die die Linke in Frankreich antizipiert, wieder für Viele auf den Plan gerufen. Für uns ist sie daher im Kern links. Auch ohne, dass es dafür der alten Parolen, Banner und eingeübten Verhaltensweisen bedarf. Es ist die wichtigste Revolte im kontinentalen Europa der letzten Jahrzehnte. Sie hat die Träume von einer Subversion abseits der Regeln des politischen und staatlichen Betriebs wieder vorstellbar gemacht.

Die Frage danach, in welche Richtung sich innerhalb dieser Revolte die Bewegung entwickelt, ist somit zentral. Sie ist es, die viele aus der deutschen radikalen Linken wahrscheinlich umtreibt, wenn sie darauf verweisen, dass dort auch Faschisten am Start sind, und sie sich deshalb davon distanzieren. Es bringt nichts, sich vorzugaukeln, dass sich die Gelbwesten automatisch in eine emanzipatorische Richtung entwickeln würden. Dass Rechte versuchen, in den Protesten Terrain zu gewinnen, ist natürlich eine Bedrohung. Wie groß diese jedoch wird, liegt auch an der Vehemenz und der Sichtbarkeit der emanzipatorischen und antifaschistischen Kräfte. Sie stehen in Frankreich glücklicherweise nicht naserümpfend daneben, sondern sind mitten drin, leisten wortwörtlich Kritik im Handgemenge.

Immer wieder wird die antifaschistische Konfrontation gesucht und oft auch gewonnen. Immer wieder wurde zusammen mit ganz unterschiedlichen Menschen an den Barrikaden gekämpft. Immer wieder wurde die soziale Frage ins Zentrum gestellt. Nicht ohne Grund schlossen sich nach den Riots der ersten Wochen die Schüler*innen den Kämpfen an und überführten sie in Streiks; ebenso die Arbeiter*innen in den Fabriken und Betrieben. Die Erzählung hat sich geändert und die Gelbwesten wurden zu einer Bewegung mit revolutionären Zielen und Strukturen. Unser Platz ist dabei nicht abseits der Kämpfe, die allerorts stattfinden, sondern direkt in ihnen: Auf der Straße und in den Versammlungen.

 

Was machen wir hierzulande eigentlich?

Dass in der deutschsprachigen Linken die Debatten um die Kämpfe der französischen Gelbwesten so zögerlich geführt werden, offenbart zweierlei: Eine deutliche Unwissenheit über selbige sowie eine generelle Verdrossenheit, was soziale Auseinandersetzungen angeht. Statt sich die unterschiedlichen Positionierungen der Akteur*innen anzusehen, wird sich zuallererst an faschistischen und rassistischen Kleingrüppchen innerhalb der Proteste abgearbeitet.

Ist diese Haltung bei internationalen Kämpfen eher neu und nicht ganz so verbreitet, so scheint sie für die Analyse der deutschen Zustände zu gelten wie ein biblisches Gebot. Hierzulande sind wir, im Gegensatz zu den lautstarken „klaren Urteilen“ über die Gilets Jaunes, bei den allermeisten sozialen Themen und Kämpfen überraschend leise. Einzig punktuell gelingt es linken Organisationen hierzulande, in diese einzugreifen. Die Gelbwesten in Frankreich hingegen haben in kürzester Zeit all das vereint, wonach sich viele hier immer die Finger lecken: Eine militante soziale Revolte, getragen aus den vielschichtigen und unterschiedlichsten Milieus der französischen Gesellschaft. Am Ende des Tages bleiben nicht die einzelnen Nazis in Erinnerung, sondern die hunderten Kids aus den Banlieus, die mit protestieren, den Eisenbahner*innen, die mit Barrikaden errichten und der unfassbare Mut den die Demonstrant*innen aufbringen gegenüber einer hochgerüsteten Repressionsmaschinerie.

Es handelt sich um eine Bewegung, welche sicherlich umkämpft ist, von rechts, von links und auch von der Mitte. Tatsächlich haben es unsere französischen Genoss*innen aber geschafft, vielerorts die Handlungsmöglichkeiten von rechten Gruppen massiv einzuschränken und konnten viele handfeste Auseinandersetzungen gewinnen. In vielen Städten ist es Rechten nicht mehr möglich, offen aufzutreten oder zumindest nicht ohne handfeste antifaschistische Gegenwehr, etwa wie in Lyon.

 

Die gelben Westen in Wiesbaden

Es war abzusehen, dass das Symbol der gelben Warnwesten auch hier aufgenommen werden würde. Und so gab es schon Ende letzten Jahres die ersten deutschen Gelbwesten-Gruppen. Manchmal aus einfach nur wütenden Dieselbesitzer*innen, Unzufriedenen oder auch direkt von organisierten Rechten. Sowieso schon beflügelt durch AfD-Wahlerfolge und Rechtsruck in Staat und Gesellschaft, war es für die Letzteren hierzulande ein leichtes, sich an die Spitze zu stellen und die Unentschlossenen hinter sich laufen zu lassen.

So auch in Wiesbaden. „Gelbwesten“ unter dem Motto #wirsindvielmehr riefen nun schon zum zweiten Mal zu einer Demonstration auf. Da wir wussten, wer kommen würde, wollten wir es uns ansehen und den Rechten von AfD über „besorgte Bürger“ bis zu Verschwörungstheoretiker*innen nicht das Feld überlassen. Wir sind der Ansicht, dass die sozialen Verwerfungen auch hierzulande irgendwann zu einer Revolte führen können. Vielleicht auch wie in Frankreich aus einer Nichtigkeit heraus, die niemand im Vorfeld ahnen konnte, und vielleicht an einem Ort, der zunächst nicht danach aussieht.

In gelber Weste, mit Anti-Rassismus-Transparent und roten Fahnen bezogen wir auf der Auftaktkundgebung am Wiesbadener Hauptbahnhof Stellung. Unsere Intervention war kläglich besucht, dem vorherigen Aufruf an Freund*innen folgte eigentlich niemand. Zu groß war die Verunsicherung. Die Freund*innen entgegneten uns: „Das sind doch nur Rechte! Das ist doch zu klein und unbedeutend! Ihr helft ihnen mit eurer Aktion!“. Die Unkenrufe aus dem Szenesumpf von „Querfront“ und einem „weißwaschen“ der Rechten ließen nicht lange auf sich warten.

Es ist an Absurdität schwer zu überbieten, auf einer Demo zu sein, die vorne von den eigenen Genoss*innen blockiert wird. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass dort viele organisierte Rechte dabei waren - aber eben nicht nur. Wir sind davon überzeugt, dass eine linke und antifaschistische Intervention dann von Erfolg gekrönt ist, wenn wir die sozialen Kämpfe bestimmen und beeinflussen, statt sie zu blockieren. Nazis werden dabei schnell lernen, dass dort für sie kein Platz ist, entweder in weiser Voraussicht oder durch direkte antifaschistische Aktion. Mal ganz ehrlich: Eben das, was die Gilets Jaunes aufs Tablett bringen, haben wir zu lange vernachlässigt. Die soziale Frage und unsere Strategien im Umgang damit – gerade wenn Sachen losgehen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Es ist uns bewusst, dass zeitgleich das, was wir als linke Praxis jahrelang ritualisiert auf die Straße gebracht haben, nicht einfach aufhört oder aufhören muss. Blockaden von Nazidemos etwa sind richtig und wichtig. Doch unsere Aktionen müssen wir auch genau an diesem Punkt hinterfragen. Ab wann sind es reine Rituale? An welchen Stellen machen sie Sinn und wo stehen wir uns damit selbst im Weg?

In Wiesbaden hat es für uns keinen Sinn gemacht, in die Antifa-Ritualkiste zu greifen. Wir können nun wirklich nicht behaupten, wir wären sehr erfolgreich damit gewesen, den Laden zu übernehmen und dort den sozialen Kampf auf die Straße zu tragen. Aber es hat uns zu dieser Diskussion verholfen, die wir an dieser Stelle mit euch teilen wollen.

 

Die Ausrichtung unserer Kämpfe neu justieren

Wir haben selber viele Nazidemonstrationen blockiert und wir werden es auch weiter tun, wo immer es nötig ist. Aber es ist doch interessant, dass die einzige antifaschistische Strategie auch in anders gelagerten Situationen – etwa den Protesten in gelb - die der Blockade sein soll. Die Gretchenfrage wäre hier: Ist die Demonstration/Bewegung noch bündnisfähig im Klassenkampf, haben wir Potential die Hegemonie zu erringen, um so dem rechten Spuk ein Ende zu bereiten? Oder geht es um rechtsdominierte Bündnisse, die an sich bekämpft werden müssen, wie die Genoss*innen der Antifa Wiesbaden meinen?

Wenn wir also über Strategien reden, dann gehören dazu auch antifaschistische Praktiken, die in Situationen sozialer Umwälzungen vielleicht auch anders bestimmt werden müssen. Wir hätten es in diesem konkreten Fall für richtiger gehalten, klar zu machen, dass die soziale Frage im Kern eine linke Frage ist und sein muss. Das hätte zu den ersten Aufrufen passieren müssen, gerade als die Rechten noch nicht so zahlreich waren. Innerhalb von drei Wochen haben sich die Teilnehmer*innen verdreifacht und die Rechten darin verdoppelt – obwohl die Linke allein zahlenmäßig dem sehr schnell einen Riegel hätte vorschieben können. Ein anderer Zugang zu den Protesten in Wiesbaden wäre also ein wertvolles Experiment neuer antifaschistischer Strategien gewesen. Wir fragen uns: Was wäre passiert, wenn wir mit 50 Genoss*innen dort aufgetaucht wären? Mit 80? Mit 100?

Selbstkritisch müssen wir festhalten, dass wir unsere Strategie nicht ausreichend im Vorhinein in den lokalen Gruppen und Bündnissen eingebracht haben. Es fehlte an Vermittlung und breiter Mobilisierung. Daher ist dieser Text nicht als Vorwurf, sondern als Anregung für einen Strategiewechsel in Zukunft zu verstehen.

Denn es handelt sich nicht nur um eine Frage nach den klassenkämpferischen Strategien, sondern auch um eine Frage für die antifaschistische Linke, wie man rechten Formierungen und Einflussnahmen in Deutschland und darüber hinaus erfolgreich begegnet. Besser spät als nie wollen wir über die Ausrichtung unserer Kämpfe gemeinsam diskutieren. Und da wir nicht nur in der Kistengröße von Nationalstaat denken wollen, sehen wir uns in einer weiteren Hinsicht verpflichtet, die Gelbwesten nicht den Rechten zu überlassen: aus Solidarität und Respekt gegenüber den französischen Genoss*innen. Im Zeichen des Internationalismus sind wir es ihnen schuldig, das Symbol der gelben Weste vor einer rechten Vereinnahmung zu schützen. Denn diese haben entschieden, um dieses Symbol zu kämpfen.

 

Wir könnten gewinnen...

Wir könnten das Symbol der gelben Weste auch hier zu einem progressiv-revolutionären machen, wenn wir die notwendigen sozialen Kämpfe unterstützen und vor rechter Vereinnahmung schützen. Dafür sollten wir aber auch nicht auf abgenutztes Vokabular und einseitige Darstellungen zurückgreifen. Es wäre ein Zeichen der Solidarität gegenüber unseren Genoss*innen, denen wir sicherlich keinen Gefallen tun, wenn wir die in deutschen Medien häufig verbreitete, mitunter gezielte Deklarierung der Gelbwesten-Proteste als „Gelbe Westen = Braune Meinung“ einfach so übernehmen. Auch das oft beschworene „Aber in Frankreich ist die politische Realität eben anders“ hilft uns an dieser Stelle nicht, wenn wir selbst die Akteur*innen sind, die die politische Realität ändern können.

Viel wichtiger ist aber wäre auch das Zeichen an uns selbst: Wir stehen den rechten Entwicklungen nicht machtlos gegenüber. Das ist kein Automatismus, kein leeres Wort, sondern ein Postulat, deren Erfüllung wir immer wieder in der Praxis beweisen müssen. In den letzten Jahren hat die Linke in Deutschland viele wichtige Debatten und Kurskorrekturen hinter sich gebracht, um sich wieder vermehrt der Klassenfrage zu widmen. Wir müssen das Prinzip der Revolte von „unten gegen oben" wieder selbstbewusst beanspruchen und sollten die aktuellen Entwicklungen nicht an uns vorbeiziehen lassen. Es gibt keine Abkürzungen. Eine Revolte wird nicht darauf warten, bis alle Antifa-Standards erfüllt wurden. Das müssen wir schon selber tun.

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Ergänzungen

Nachricht an die Bewohner der NWO Pyramide: https://1fichier.com/?6b7dy6d4k1le490m5bxh
=> Das jüngste Gericht kommt bald und der Richter wird ein Deutscher sein!

Message to the inhabitants of the NWO pyramid: https://1fichier.com/?e5q95chqujjz9iq591p7
=> The Last Judgement comes soon and the judge will be a German!