Noch ein Haus besetzt!

 

Am 24.06.23 wurde die ehemalige Dondorf-Druckerei in Frankfurt Bockenheim öffentlichkeitswirksam besetzt.

 

 

Schon seit Jahren haben Anwohner:innen für den Erhalt des historischen Gebäudes gekämpft und dabei gute historische Aufarbeitung geleistet, das Gebäude konnten sie damit jedoch nicht retten. Das Land Hessen hat das Gebäude dem Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zugewiesen, die möchten das Gebäude gegen jeden Widerstand abreißen lassen und einen Neubau hochziehen der dann teilweise Nachbauten des alten Gebäudes enthält. Klingt scheiße? Ist es auch! Und das nicht nur, weil der Neubau furchtbar hässlich sein wird.

 

1. Klimagerechtigkeit

 

Wir alle wissen, wir stecken mitten in der Klimakrise. 40% der Treibhausgase werden durch Bauen mit Beton und den Betrieb von Gebäuden ausgestoßen. Alles wird zugepflastert und einbetoniert. Grünflächen, Altbestände und generell lebenswerte und erhaltende Architektur? Fehlanzeige.

Frankfurt ist dafür Paradebeispiel. Mit einer neuen Legebatterie die dann „Wohnraum“ genannt wird, einem schillernden Bankenturm oder, wie in unserem Fall, einem neuem prestigeträchtigen Forschungsinstitut, kann eben mehr Kapital akkumuliert werden als mit einem Allen zugänglichen Park oder einem historischen Gebäude wie der alten Dondorf-Druckerei. Dass bei dem Abriss und Neubau Unmengen CO² ausgestoßen werden, interessiert dabei natürlich kaum jemanden. Alleine die Pläne des MPI würden über eine Millionen Kilogramm Co² ausstoßen. Das sind eine Millionen Kilogramm zu viel!

 

2. Soziale Gerechtigkeit

In Frankfurt leben ca. 11.800 Millionäre, während gleichzeitig fast 4000 Menschen wohnungslos sind. Jede:r fünfte Frankfurter:in lebt in Armut. Die Notschlafstellen, Suppenküchen und Frauenhäuser sind hoffnungslos überfüllt. Wer in Frankfurt lebt, sieht jeden Tag die Barbarei des Kapitalismus. Neben den Bankentürmen, Luxuswohnungen, Edelrestaurants und Highclass Modelabels schlafen, verdursten und erfrieren regelmäßig wohnungslose Menschen. Dazwischen patrouillieren Nazi-Bullen, betreiben Racial Profiling, verjagen jene die nichts ins Stadtbild passen. Vor weniger als einem Jahr, wurde ein 23-jähriger im Bahnhofsviertel von ihnen erschossen.

Die menschenfeindliche Stadtpolitik, die immer nur mehr Profit im Blick hat, hätte auch die Dondorf-Druckerei verscherbelt und somit zum Abriss freigegeben. Was dann passiert wäre, sehen wir in allen Stadtteilen Frankfurts. Aufwertung und Verdrängung. Das MPI hätte Bockenheim massiv aufgewertet, weiter zur Verteuerung beigetragen und Menschen somit an den Stadtrand oder in die Wohnungslosigkeit gedrängt.

 

3. Nationalsozialistische Geschichte

 

Die ehemalige Dondorf-Druckrei war einst in jüdischem Besitz. Bernhard Dondorf, der Besitzer der Druckerei war politisch aktiv und Religionskritiker. In der Druckerei wurden Spielkarten und Wertpapiere gedruckt. Später wurde das Gebäude verkauft und zum Druck der SPD Tageszeitung „Volksstimme“ genutzt, bis die SA die Druckerei besetzte und das nationalsozialistische Volksblatt drucken lies. Die Familie Dondorf wurde auf Grundlage der Nazirassenlehre verfolgt. Nur wenigen gelang die Flucht. Die Nachfahren von Bernhard Dondorf, Ella und Marie, nahmen sich noch vor ihrer angekündigten Deportation das Leben. Die Enkelin des Firmengründers wurde mit ihrem Sohn in ein polnisches Ghetto verschleppt. Beide starben dort.

 Von der Geschichte der ehemaligen Dondorf-Druckerei wird später nur wenig transparent gemacht. Denn eine Aufarbeitung ist wohl nicht im Interesse der späteren Besitzer – der Goethe-Universität. 1961 zieht die Hochschule mit ihren Fachbereichen für Erziehungswissenschaften und Kunstpädagogik ein. Diese haben 2022 den alten Campus in Bockenheim verlassen und ziehen zum Vorzeige-Campus im Westend. Eben dieser Campus, der sich „schönster Campus Deutschlands“ schimpfen lässt, sollte weiterhin I.G. Farben Campus genannt werden. Denn hier wird der alte Sitz der I.G. Farben Industrie AG weiter genutzt und der restliche Anbau des Campus nach Vorbild der monumentalen und hässlichen Herrschaftsarchitektur neugebaut. I.G. Farben war ein zentraler Akteur im Nationalsozialismus. Diese Firma hat Zyklon-B produziert und mehrere Tausend Zwangsarbeiter:innen aus Auschwitz für sich zu Tode arbeiten lassen. Raum für diese Geschichte oder gar Aufarbeitung und Transparenz wird von der Goethe-Universität natürlich nicht geleistet. Und so passt der Abriss einer ehemaligen jüdischen Druckerei, während Seminare in dem Nazi-Gebäude stattfinden, vollends ins Bild.

Mit dem Abriss dieses Gebäudes, würde auch ein Gedenkort jüdischer Geschichte verschwinden.

 

4. Universitäre Zustände

 

Die Universitären Zustände klingen ja schon im vorherigen Abschnitt an. Die Goethe-Uni feiert sich als Aufarbeitungsweltmeister – auf dem Campus ist davon denkbar wenig zu spüren. Erst vor wenigen Wochen fand eine rassistische Veranstaltung zum Thema Migration statt. Hierbei wurde sich allerhand rassistische Prominenz eingeladen, darunter Ahmad Mansour und Manuel Ostermann (Stellvertreter der DpoIG). Schlagzeilen machte dann der Auftritt vom Antisemiten und Rassisten Boris Palmer (ehemaliger Grüner), der unzählige Male das N-Wort aussprach und Holocaust relativierende Vergleiche anhand seiner angeblichen „politischen Verfolgung“ anstellte. Im Nachhinein war die Uni natürlich bestürzt, dass Rassisten zu ihrer Rassistenkonferenz kamen. Weiteres Beispiel bietet die Hörsaalbesetzung letztes Jahr. Hier hatte „End Fossil – Occupy“ den Hörsaal für wenige Stunden besetzt. Noch während ihnen vorgespielt wurde, sie stünden in Verhandlung mit der Uni, kam die Polizei und prügelte die Besetzenden aus dem Saal.

Abgesehen von diesen Skandalen, ist der Studienalltag an der Goethe-Uni vollständig neoliberalisiert. Kein Raum für kritisches Denken, eng getaktete Regelstudienzeit, hohe Semestergebühren, und überall bullenähnliche Security-Präsenz, die jede:n Einzelne:n davon abhalten soll, noch so minimal abzuweichen. Kein Witz: Plakate die statt A4 das Format A3 haben, werden abgehängt.

Es gibt keine Räume mehr für Studierende sich zu organisieren, stattdessen teure Cafes und Bistros, in denen schlechte Falafel für 8 Euro verkauft werden.

Besonders unter der Neoliberalisierung leiden die am wenigsten karriereorientierten Studiengänge. Vielversprechend sind hier natürlich jene Fachbereiche die zukünftige Prestigeträger und fleißige Arbeiter:innen hervorbringen. Kurz: All jene die sich besonders gut in die kapitalistische Verwertungsmaschinerie einfügen. Gesellschaftswissenschaften und Kunst passen da einfach denkbar schlecht. Dementsprechend wurde den Kunst-Studierenden jeder Raum zum freien Ausleben und Ausprobieren gestrichen, den sie in der alten Dondorf-Druckerei ab 1961 gefunden hatten.

 

Was wir wollen:

Aus all diesen Missständen hat sich eine Handlungsperspektive ergeben: Die Druckrei muss besetzt werden! Hier wird von nun an ein Ort der Selbstorganisation entstehen. Wir werden den klimaschädlichen Neubau, den Abriss eines historischen Ortes der Erinnerung und die Verteuerung der Stadt verhindern.

Unsere Vision ist ein nicht-kommerzieller Bewegungsort, an dem unterschiedlichste Menschen zusammen kommen und Organisierung von Unten aufbauen, um der Vereinzelung der Menschen entgegenzuwirken und einen gemeinsamen Gegenpol zum kapitalistischen Normalzustand zu entwickeln. Gemeinsam wollen wir einen gemeinschaftlichen Ort aufbauen, der in die Gesellschaft und aus der Gesellschaft wirkt und so Grabenkämpfe und Linke-Isolation überwindet.

Auch wenn die Verhandlungen mit Uni und Land inhaltlich wenig versprechend, zeigt der große Zuspruch von Anwohner:innen, Studierenden und anderen linken Projekten, wie notwendig dieses Besetzung ist. Mit jedem Tag ,den wir hier sind, uns gemeinsam vernetzen, selbstverwalten und organisieren, wird es schwerer uns wieder los zu werden. Denn wir machen deutlich, was Frankfurt fehlt und zeigen eine Perspektive auf, die nur antiautoritäre und antikapitalistische Strukturen zeigen können.

 

Wir freuen uns über jede Person, die sich einbringt! Kommt vorbei und macht Die Druckei zu einem Ort für Alle!

 

 

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