Von Nazis, ‚Ariern‘ und Ariern
Mo Asumang kennen einige ältere – oder früher früh interessierte – Menschen noch als Moderatorin der Fernsehsendung „liebe sünde“, welche um Themen der menschlichen Sexualität kreisend bis Ende 2000 auf ProSieben lief. Und manche denken gar mit einer gewissen Nostalgie an die Zeit der Sendungen „liebe sünde“, „Peep!“ und „Wa(h)re Liebe“, die nach dem Millennium zu Ende ging. Heute hat sich was die Themen Erotik und Sex angeht das Meiste ja von TV und Print ins Internet verlagert, jenes die Welt verbindende und verändernde Medium, das weltweit rasant wächst und für so ziemlich alle Dinge immer ergiebiger wird. Auch die Propaganda und Kommunikation des Neonazismus konzentriert sich bekanntlich längst auf das WWW.
Mit dem Hass von Neonazis wurde die Afrodeutsche Asumang 2001 konfrontiert, als die Band „White Aryan Rebels“ ihr in einem Lied drohte: „Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang!“ Am Vertrieb der entsprechenden CD „Noten des Hasses“ waren übrigens auch V-Männer des Verfassungsschutzes beteiligt. Asumang reagierte auf diesen Angriff mit dem 2007 erschienenen Dokumentarfilm „Roots Germania“, ihrem viel beachteten Debüt als Regisseurin. In dem autobiografischen Essay setzt sie sich mit ihrer Identität als schwarze Deutsche und mit der Neonazi-Szene auseinander und sucht dabei gerade auch mit Neonazis selbst das Gespräch. So mit dem inzwischen verstorbenen Szene-Anwalt und Multifunktionär Jürgen Rieger, von dem Asumang sich gefasst die vollkommen willkürliche Behauptung anhört, bei den Germanen wären Menschen für das „Abschneiden des Erbfadens“ durch eine ‚gemischtrassige‘ PartnerInnen-Wahl „im Moor versenkt“ worden.
In den letzten beiden Wochen lief im Fernsehen nun Mo Asumangs neuer Dokumentarfilm „Die Arier“, in dem sie sich zum zweiten Mal mit ihrer für sie charakteristischen, freundlichen und bewusst-naiv-wirkenden Art mit weißen RassistInnen auseinandersetzt. Diesmal stehen dabei deren Rassenideologie sowie der Begriff „Arier“ und sein bis heute nachwirkender Missbrauch durch die Nazis im Vordergrund. Auf der Spur der wirklichen Arier reist Asumang gar in den Iran, um dort Menschen zu treffen, die sich selbst als Arier verstehen, als Nachfahren und vor allem als kulturelle Erben eben jenes aus Zentralasien in den Iran und nach Indien eingewanderten Volkes. IranerInnen, denen der von Neonazis betriebene Missbrauch ihrer Bezeichnung sehr missfällt und die klarstellen: „Alle Menschen sind gleich.“
Die Medien waren verständlicherweise voll des Lobes für Asumangs neuen Film, welcher durch das mutige und unkonventionelle Vorgehen seiner Macherin interessante Einblicke in die Geisteshaltung deutscher und US-amerikanischer Neonazis gewährt und zudem anschauliche Aufklärungsarbeit darüber leistet, dass „arisch“ eigentlich nicht nordisch-germanisch meint. Eine unangemessen negative Kritik findet sich dagegen ausgerechnet beim „Netz gegen Nazis“, wo es unter anderem heißt, den Teilnehmenden einer deutschen Neonazi-Demo gelinge es im Film, sich durch ihr ignorantes und abweisendes Verhalten Asumang gegenüber „als überlegen zu inszenieren“.
Ist dem etwa so? Demonstrierende drehen sich erkennbar unsicher von einer schwarzen Frau weg, die meisten bringen kein Wort raus, nur ein paar artikulieren überhaupt, dass sie nichts sagen wollen und Einzelne äußern auf Fragen bloß „Geht Dich 'nen Scheißdreck an!“ oder „Geh zurück nach Afrika!“ – und das soll jetzt „überlegen“ wirken und daher gegen das Konzept des Films sprechen?! Nein, gerade bei solchen Szenen zeigt sich doch die tatsächliche Unsicherheit der meisten RassistInnen, die sonst in ihrem eigenen homogenen Mikrokosmos leben, und schon ernsthaft irritiert sind, wenn eine schwarze Frau sie bewusst anspricht. Doch mögen sich jede und jeder zu dem Konzept von „Die Arier“ wie auch von „Roots Germania“ ein eigenes Urteil bilden.