[B] A100, Verdrängung, Widerstand

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 Während die Bauarbeiten für die A100 laufen, macht der neue Stadtentwicklungssenator deutlich, dass er sehr viel mehr durchsetzen will als nur das Teilstück nach Treptow. In der Beermannstraße, wo Häuser und Gärten für die Autobahn vernichtet werden sollen, spitzt sich die Lage zu. Nach mehreren Aktionen gegen die Verdrängung der BewohnerInnen, wird deshalb für diesen Sonntag direkt in die Gärten mobilisiert.

 Auf dem vorderen Teil der A100- Trasse, von der Anschlussstelle Grenzallee bis zur Kiefholzstraße, haben die Bauarbeiten begonnen. Besonders rege wird am Neuköllner Ende gebaut.  Durch den Abriss von Kleingärten, Gewerbegrundstücken und Bauruinen sowie der Fällung von Straßenbäumen ist von hier eine breite Schneise in Richtung Innenstadt entstanden. Auf deren Endstück in Treptow leben aber immer noch Menschen, die für den Autobahnbau vertrieben werden sollen. Konkret sollen in der Beermannstraße 5 Wohnhäuser (die Hausnummern 20 und 22) und eine weitere Kleingartenanlage abgerissen werden. Die Menschen die hier noch leben, wurden von der Senatsverwaltung unter massiven Druck gesetzt.

 

In den Häusern wohnen noch ungefähr 10 Mietsparteien. Etwa 90 Wohnungen stehen inzwischen leer. Sie wurden im Auftrag des Senats unbewohnbar gemacht und mit hochwertigen Schlössern gegen Besetzungen gesichert. Dafür dürften mehrere zehntausend Euro draufgegangen sein. Die Leute, die aus den Wohnungen raus mussten, haben nur ein paar hundert Euro Umzugspauschale bekommen und keinen Cent Entschädigung für künftig höhere Mieten gesehen. Bei den meisten die jetzt noch drin sind, ist der Kündigungstermin eigentlich schon vorbei. Sie haben Einspruch gegen ihren Rausschmiss eingelegt. Eine Perspektive dauerhaft in den Häusern zu bleiben sehen sie nicht wirklich, viele beharren aber auf einen vernünftigen Ersatz. Denn die Ersatzangebote vom Senat sind meistens miserabel. Bisher sind die verbliebenen MieterInnen davon ausgegangen, dass es noch weit bis ins nächste Jahre dauert, bis der Rechtsweg abgeschlossen ist und sie wirklich raus müssen. Inzwischen droht der Senat ihnen aber mit einer vorzeitigen Besitzeinweisung, sprich quasi einer Enteignung. Dadurch würde das Mietrecht ausgehebelt werden und das ganze Verfahren könnte deutlich schneller abgeschlossen sein. Der psychische Druck, der auf den Menschen lastet, ist enorm.

 

Die Situation der Leute in der angrenzenden Kleingartenanlage ist vielleicht etwas weniger existenziell, aber trotzdem beschissen (schließlich haben ihre Gärten für sie auch einen hohen emotuionalen Wert). Sie bekommen zwar eine Entschädigung, bei der Berechnung des Werts der einzelnen Grundstücke wurde aber massiv getrickst. Das Ergebnis ist, dass viele sich keinen neuen Garten in der Stadt leisten können oder nichtmal den Kaufbetrag für ihre Parzellen wieder rauskriegen. Dazu kommen noch Extraschikanen, zum Beispiel die Auflage, die zum zeitnahen Abriss vorgesehenen Hütten komplett leergeräumt und besenrein an den Senat zu übergeben. Nächsten Sonntag (30.11.) laufen ihre Pachtverträge aus. Der Senat ist an einem schnellen Abriss der Anlage interessiert.

 

Gleichzeitig ist der soziale Druck in Berlin hoch wie lange nicht mehr. Es wird Winter und zu den kontinuierlich steigenden Mieten kamen in den letzten Monaten die Räumungen von O-Platz und Curvry-Brache, die Politik lässt Geflüchtete aus Wohnheimen schmeißen und nimmt die Hauptmann-Schule in die Zange. Wenn jetzt die Hütten und Häuser in der Beermannstraße aktiv vernichtet werden, ist das ein weiterer Schlag ins Gesicht aller Betroffenen!

 

Aber es regt sich zunehmend Widerstand. Am 20.10. hat ein Dutzend Leute aus verschiedenen Zusammenhängen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Überraschungsbesuch abgestattet. Im Gepäck hatten sie einen Brief an Senator Michael Müller, in dem gefordert wird, die Wohnhäuser und Kleingärten in der Beermannstraße zu erhalten und den nach der Räumung der Baumbesetzung Anfang Februar gestellten Strafantrag zurückzuziehen. Zwei Mitarbeiter aus Müllers Stab und Herr Huhn, der Baueiter der A100, nahmen sich Zeit für ein Gespräch. Zusagen wurden nicht gemacht. Die Linie war eindeutig: Man nehme den Brief entgegen, werde ihn erstmal inhaltlich prüfen und sich dann melden - was selbstverständlich bis heute nicht passiert ist.

Dafür hat sich Müller mittlerweile in einem Brief an den Grünen-Abgeordneten Harald Moritz zur Strafverfolgung der 5 A100-GegnerInnen bekannt. Glücklicherweise ist der Verfolgungseifer des Amtsgericht Tiergarten hier nicht ganz so groß: Gegen eine Personen wurde das Verfahren bereits ohne Prozess und Auflagen eingestellt.

 

Das Presseecho zu dem Go-In bei der Senatsverwaltung war erstaunlich groß, es ging aber fast nur um den Strafantrag. Wenig später folgte aber in Zeitungen, Fernsehen und Radio eine ganze Serie von Berichten über die MieterInnen in den beiden Wohnhäusern. Einige BewohnerInnen dokumentieren diese Berichterstattung auf www.beermannstraße.blogspot.de

 

Etwas später rückte die Kleingartenanlage wieder in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Am 12.11. fand ein Vororttermin mit der Senatsverwaltung statt, um die Übergabe der Gärten vorzubereiten. Ein Teil der GärtnerInnen hatte vorher das Gespräch mit politischen Zusammenhängen gesucht und sich die Einladung von Pressevertretern und eine politische Mobilisierung für diesen Tag gewünscht. Am 12.11. war dann auch einiges an Presse und (gemessen an der kurzfristigen Mobilisierung) gar nicht mal so wenige DemonstrantInnen vor Ort. Die anwesenden Behördenvertreter waren mächtig angepisst und einigermaßen verunsichert. Für Verwirrung sorgte eine recht lautstarke Fraktion der Kleingärtner, die befürchtete, die anwesende Öffentlichkeit sei schlecht für ihre Entschädigungen. Die meisten beruhigten sich aber nach einiger Zeit und hatten letztlich mit ihren Befürchtungen Unrecht. Denn von den 6 PächterInnen, die wegen ihrer Entschädigung protestierten, haben inzwischen 5 ein wesentlich besseres Angebot vom Senat bekommen. Ohne Protest und kritische Öffentlichkeit wäre das nicht passiert.

 

Je mehr Mittel der Senat aufbringen muss, um seine unsozialen Prestigeprojekte durchzubringen, desto besser. Trotzdem war und ist das politische Ziel der Erhalt und die Nutzung der Häuser und Gärten in der Beermannstraße. Für die Gärten wird es jetzt langsam eng. Die Pachtverträge gelten bis Sonntag, am Montag will der Senat die Anlage in seinen Besitz bringen. Wenn ihm das erstmal gelungen ist, kann gegen einen schnellen Abriss nur noch wenig unternommen werden. Vor diesem Hintergrund laden GärtnerInnen und AnwohnerInnen zusammen mit umwelt- und stadtpolitischen Initiativen am Sonntag zu einem Fest in die Gärten. Es wird sehr wichtig werden, dass nochmal viele Leute am Ort des Geschehens ihre Unzufriedenheit mit der Betonpolitik des Senats deutlich machen.

 

Denn auch auf politischer Ebene geht es inzwischen um einiges. Der bisherige Stadtentwicklungssenator und künftige regierende Bürgermeister Michael Müller ist knallharter A100-Befürworter, genau wie sein Vorgänger. (Die beiden anderen Kandidaten für das Amt waren zwar keine A100-Gegner, gehörten in der Frage aber auch nicht zur Hardliner-Fraktion). Das der neue Stadtentwicklungssenator auch ein A100-Fan wird, war also abzusehen. Die kaltschnäuzige Offenheit, mit der der künftige Senator Andreas Geisel die Autobahnpläne des Senats vertritt, ist aber neu und überraschend. Er räumt ein, was KritikerInnen schon immer gesagt haben: Die Autobahnverlängerung nach Treptow bringt vor allem eins - Stau auf der Elsenbrücke. Seine Konsequenz daraus ist die Schließung der Autobahnrings. Wenn also Autobahnbau bis Treptow, dann auch quer durch den Friedrichshain und Lichtenberg bis in den Norden vom Prenzlauer Berg. Das hieße Vernichtung von Wohnraum, Stadtgrün und Clubkultur im ganz großen Stil. Das wirksamste Mittel gegen diesen kapitalistischen Größenwahn ist der Erhalt der Gärten und Häuser in der Beermannstraße. Der nächste Schritt dafür: Am Sonntag Flagge zeigen!

 

13h - Kaffee, Kuchen, Punsch und Tee

15h - Offene Versammlung "Was tun für den Erhalt der Beermannstraße?"

17h - Suppe (vegan, gegen Spende)

18h - Dia-Vortrag über bereits für die A100 vernichteten Kleingärten. Es geht um Vertreibung, Aneignung, Abriss und Widerstand.

19h - Filmvorführung "Verdrängung hat viele Gesichter" über Verdrängung und Stadtumstrukturierung in Alt-Treptow. Im Beisein der Filmemacher*innen.

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